| # taz.de -- Kolumne Navigationshilfe: Die neue, alte Küche | |
| > Auf Usedom ist die pommersche Küche eigentlich verschwunden. Im | |
| > Restaurant 1900 erlebt sie ein Comeback mit alten Rezepten. | |
| Bild: Gänsekeule auf pommersche Art | |
| Der Schweinekammbraten ist gefüllt mit Backpflaumen, dazu gibt es | |
| Apfelrotkraut und Kartoffelklöße, nach einer Rezeptur des Hauses Boriglaw | |
| des XI. Es schmeckt. Auf der Ostseeinsel Usedom in Heringsdorf serviert das | |
| „Restaurant 1900“ neue pommersche Küche: historische Gerichte aus Pommern | |
| mit modernem Touch. Die Renaissance des Regionalen erfüllt quasi jedes | |
| Schlagwort erfolgreicher Vermarktung: lokal, historisch, wiederentdeckt, | |
| dazu eine hübsche Geschichte. | |
| Seit Ende des Zweiten Weltkriegs und der territorialen Umwälzungen ist die | |
| pommersche Küche dort langsam verschwunden. „Viele Menschen sind in den | |
| Westen gegangen, in die BRD“, erzählt Eric Nöldner, der Hotelfachmann. „D… | |
| Kochbücher der Familien sind oft unterwegs verlorengegangen.“ Der Erfinder | |
| der neuen pommerschen Küche war ein einzelner Enthusiast, Jörg Gleißner, | |
| der mittlerweile pensionierte ehemalige Küchenchef im „Restaurant 1900“. | |
| Über Jahre recherchierte Gleißner in alten Kochbüchern und Archiven. Die | |
| Modernisierung der Rezepte war nicht leicht. Früher wurden Fischabfälle als | |
| Soßenbinder verwendet. Ich frage, womit Fischabfälle ersetzt wurden. | |
| „Maisstärke.“ Die größte Last für die neu-pommersche Küche ist natürl… | |
| der Veggie-Trend, so was kannten die alten Pommern nicht. Selbst arme | |
| Schlucker kochten mit Fleischbrühe. Das „Restaurant 1900“ macht jetzt | |
| trotzdem auch auf vegetarisch. | |
| Ein Trend ist das ganze Pommern-Ding eher nicht, aber bei zwei Projekten | |
| immerhin ein Muster. Im Dörfchen Mellenthin, am anderen Ende der Insel, | |
| befindet sich die Pommersche Keramik Manufaktur. Schön kühl ist es drinnen, | |
| hinten wird vor Augen der Besucher getöpfert, im vorderen Bereich verkauft. | |
| In den Regalen stehen schlichte Vasen, Tassen, Teller, viel in Weiß und | |
| Blau. Traditionelle pommersche Keramik, rekonstruiert aus alten Scherben. | |
| „Wir arbeiten mit einer Handvoll Mustern, die die pommersche Landschaft | |
| abbilden“, erzählt die Töpferin Susi Erler. „Die Leute damals haben das | |
| gemalt, was sie gesehen haben.“ Die Pusteblume oder die Perlenkette als | |
| Symbol der Glasperlen in Fischernetzen, und Wellen natürlich. | |
| Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Handwerk vergessen, da kamen Emaille | |
| und Porzellan. Bis der Keramiker Anker Nørregard in den siebziger Jahren in | |
| Dänemark pommersche Scherben entdeckte. Es geht um Tradition und Marketing, | |
| deutsch-polnisch grenzüberschreitend, mit einer Botschaft: Gemeinsame | |
| Kultur und politische Grenzen sind nicht ein und dasselbe. Wirklich? In | |
| Wahrheit lehrt diese lang umkämpfte politische Provinz wahrscheinlich eher | |
| Folgendes: Doch, sie sind es meist schon. Aber sie bleiben es nicht. | |
| 1 Jun 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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