# taz.de -- Unterwegs im Camper: Wie auf dem Dorf | |
> Campingplätze sind eine Welt für sich. Ein heimeliger Kosmos. Solidarität | |
> untereinander wird großgeschrieben. Sie kann aber auch nervig werden. | |
Bild: Der Reisemobilstellplatz Burhave an der Nordsee | |
Eigentlich wollten wir ja nur das Waschpulver leihen. Weil wir keines | |
hatten. Er bot uns welches an, wir redeten so, und weil er und Freundin im | |
Lonely Planet gelesen hatten, dass die lokale U-Bahn so arg kompliziert | |
sei, und sie Sehenswürdigkeiten abzuarbeiten hatten (sie, etwas gestresst: | |
„ich habe Angst, im Urlaub was zu verpassen“), kamen sie mit uns. | |
Pärchen-Ausflug mit den Nachbarn vom [1][Campingplatz]. Der ist ein eigener | |
Kosmos. Das Vertraute in der Fremde, eine heimelige Welt, | |
Camper-Solidarität. Ein bisschen merkwürdig, denn wenn man schon ein | |
[2][Reisemobil] hat, könnte man jenseits deutscher Grenzen fast überall | |
stehen. | |
Die Wohnmobil-Werbung ist voll von Texten über die große Freiheit, aber | |
offenbar ist vielen Leuten die große Freiheit viel zu groß. Lieber der | |
Campingplatz, da hat man Ruhe vor Einheimischen (sie, entschieden: „Ich | |
habe keine Lust, im Urlaub Leute kennenzulernen“) und Sicherheit. Die | |
beiden berichten von einem Platz, da waren „Ausländer mit Zahnlücken“. | |
Nicht auszudenken, was die tun könnten, Auto knacken und überhaupt. Sie | |
waren dann aber doch ganz nett. | |
Dann gibt es die jungen Intellectuals, die Campingplätze verhöhnen, was | |
eigentlich noch blöder ist. Der Campingplatz ist ja oft auch ganz lustig. | |
Jedenfalls drängen Camper einem ihr tolles Ich nicht so offensiv auf wie | |
Backpacker. Und gut situierte Rentnerpaare über 60, die man hier häufig | |
antrifft, müssen nicht mehr angeben, sie stehen zu ihrer Ratlosigkeit bei | |
Sim-Karte und WLAN. Und manchmal trifft man auch einen coolen Opi, der über | |
seine Reisen in den Siebzigern in den Iran plaudert. | |
Natürlich ist all das gleichzeitig superspießig. Dabei gibt es offenbar | |
eine ungeschriebene Campingplatz-Regel: sprachliche Segregation. Die | |
Deutschen reden nur mit Deutschen, die Franzosen nur mit Franzosen, und | |
jeder wartet auf Zuwachs zu seiner Gruppe. Sobald überhaupt ein Deutscher | |
angefahren kommt, sprintet irgendein anderer Deutscher wie ein Irrwisch auf | |
ihn zu und textet ihn ausführlich über das Modell der Trockentrenntoilette | |
zu. | |
Die Rollenverteilung ist auch klar geregelt. „Du hast die passende Freundin | |
zum Auto“, solche fragwürdigen Komplimente gibt es sonst wahrscheinlich nur | |
noch bei der Formel 1. Dass es eigentlich mein Auto ist, habe ich dann | |
relativ erfolglos angemerkt. | |
Keine Chance, die Männers reden weiter unter sich („dein Auto“, wie sie | |
völlig ungerührt meinem Freund sagen), und die Frauen reden über, na ja, | |
die Landschaft, die Sehenswürdigkeiten und so. Einladungen nimmt man lieber | |
an, denn auf dem Campingplatz ist es wie auf dem Dorf: man sieht sich immer | |
zweimal. Oder man fährt im Morgengrauen ab. | |
20 Jan 2020 | |
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## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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