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# taz.de -- Reisen und Schreiben: Bloggercamp auf Usedom
> Bei Reiseblogs geht es meist ganz groß ums Ich. Sie sind liebes Tagebuch
> und Service-Ratgeber. Unsere Autorin hat mitgebloggt.
Bild: Viel Spaß an der Ostsee, auf Usedom!
Was junge Leute auf Usedom machen könnten? „Nicht viel“, sagt der Typ in
der Surfschule. Mehr junges Publikum, nee, „hier diskutieren sie auf
Gemeinderatssitzungen drei Stunden über Mülleimer“. Der Himmel ist grau,
der Wind ordentlich, und ich bin in einem Bloggercamp, durchgeführt von der
Tourismusorganisation. Reiseblogger und Instagrammer nach Usedom
einzuladen, soll die Insel jung machen, authentisches Marketing nennen sie
das.
Voll persönlich und deshalb voll glaubhaft. Obwohl die Blogger hier in
Wahrheit gar nicht so richtig jung sind, also eher 30 plus statt 18.
Natürlich ist das hier Werbung, keine Berichterstattung, da sind sich alle
einig. Hashtags werden ihnen vorgeschrieben, ein Koffer wird uns geschenkt,
und einen Knebelvertrag gibt es auch.
Reiseblogs sind schon lange ein großes Ding: es geht meist ganz groß ums
Ich, und die Selbstbilder schwanken zwischen buchbarer Litfaßsäule, liebes
Tagebuch und Service-Ratgeber. Originelle und lustige Ausnahmen gibt es.
Diese hier gehören eher nicht dazu.
Einige Bloggerinnen in Usedom fotografieren sich im Wesentlichen selbst vor
allen erdenklichen Hintergründen, sorgsam gestellt, sorgsam nachbearbeitet.
Es geht nicht darum, ob es irgendwo schön ist, sondern, ob etwas
instagrammable ist, in einer zahmen, genormten Werbeästhetik. Es sind nette
Provinzmädchen, die sich als Freigeister und Abenteurer inszenieren, in
einer Welt, die ihnen das glaubt. Lustig.
Trotz alledem: die Bandbreite ist groß, manche schreibt auch coole
Reportagen. Und kämpft damit, dass die Leute eben vor allem ihren
oberflächlichen Schrott klicken würden. Für den schäme sie sich selbst.
Einige Medien, die FAZ macht das besonders gern, werten den Triumphzug der
Reiseblogger als Zeitenwende, Tenor: Presse sei kritisch, Blogger die
gekauften Schafe. Aber das stimmt nicht.
Reiseartikel durchschnittlicher Medien sind meist auch nichts anderes als
Werbetexte. Und oft sind die Grenzen fließend, auch hier im Camp bloggen
teils gelernte Journalistinnen. Blogs haben das einst schmale Feld geöffnet
für jedermann für Jugend statt alter Redakteure.
Bei Instagram haben sie fünfstellige Followerzahlen, mutmaßlich aus allen
Schichten und Bildungsniveaus, ihre Bücher sind Bestseller, dagegen ist die
Zeitung alt und nischig. Von ihrer Niedrigschwelligkeit und Ansprache
sollte man lernen. Vom Hobby leben können die meisten trotzdem nicht.
Stirbt kritischer Reisejournalismus aus? Abseitige Geschichten,
interessante, gut recherchierte Geschichten entdeckt man ohnehin nicht beim
Drei-Gänge-Menü auf Pressereise. Es ist an der Zeit, sich zu lösen aus
dieser klebrigen Symbiose von Schreibern und Vermarktern.
11 Aug 2019
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
Navigationshilfe​
Blogger
Usedom
Surinam
Usedom
Deutsche Einheit
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