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# taz.de -- EU-Wahlkampf der Rechten in Mailand: Der Ösi vermiest allen die Pa…
> Es kamen etwa 10.000 Anhänger von Salvini, Le Pen und Co. – und somit
> weniger als erwartet. Dafür legten sich die Populisten verbal drastisch
> ins Zeug.
Bild: Rechte Europäer: Geert Wilders (l.), Matteo Salvini (M.) und Marine Le P…
Mailand taz | Selbst an einem verregneten Samstagnachmittag ist der
Mailänder Dom in seiner marmornen Filigranität womöglich das schönste
Bauwerk, das die europäische Architektur hervorgebracht hat. Marine Le Pen,
auf ihrer riesigen Bühne, muss nur mit dem Kopf zur Seite deuten, um zu
zeigen, worum es ihr geht: Schaut ihn an, wie schön er ist, sagt sie, er
ist eurer, aber genau das stehe auf dem Spiel, denn den Europäern drohe
alles Schöne, alles Gute, abgenommen zu werden; ihr Erbe, ihre
Wissenschaft, ihre Kultur, ihre Freiheit. „Reconquista“, die Rückeroberung
des Eigenen, das ist das Zauberwort, mit dem Le Pen an diesem Tag wie eine
böse Predigerin die Wehrhaftigkeit beschwört, auf die es nun, vor der
EU-Wahl, ankomme.
Keiner preist den Kampf der Kulturen so wie sie, darauf haben sie sich hier
gefreut. Schon als der Moderator Le Pens Namen ankündigt, bebt die Ebene
aus Regenschirmen auf dem Mailänder Domplatz, weil die Leute unter den
Schirmen Le Pen applaudieren.
Vielleicht 10.000 Menschen sind versammelt, weniger, als erwartet, die Lega
hatte in ganz Italien Busse gechartert, um die Fans ihres Vorsitzenden
Matteo Salvini zu dessen EU-Wahlkampfabschluss herzubringen. Eine
Open-Air-Bühne hat die Partei aufgebaut, auf Transparenten stehen die
Slogans „Italien zuerst“ und „Für ein Europa des gesunden
Menschenverstandes“, in dieser Reihenfolge, und aus der Logik derer, die
hier auftreten, ergibt sich das Eine aus dem Anderen.
Le Pen ist der Star, doppelt so lange wie alle anderen darf sie reden, als
Vorletzte unter den Gästen, die gekommen sind, um Salvini zu huldigen. Das
Defilée soll die Gründung [1][einer Allianz von Europas Populisten]
besiegeln, die als gemeinsame Fraktion im neuen EU-Parlament auftreten
wollen.
Bis Samstag war unklar, wer alles dabei sein würde. Schließlich erscheinen
VertreterInnen aus zwölf Ländern: Neben dem Gastgeber Salvini und Le Pen
kommen der AfD-Spitzenkandidat Jörg Meuthen, Geert Wilders von der
Freiheitspartei aus den Niederlanden und Politiker von Vlaams Belang aus
Belgien, der Dänischen Volkspartei, der Partei Die Finnen, der Estnischen
Konservativen Volkspartei, der als SPD abgekürzten Freiheit und direkte
Demokratie aus Tschechien, sowie von Sme Rodina („Wir sind Familie“) aus
der Slowakei und Volya („Wille“) aus Bulgarien.
## Bemerkenswert unverfrorener Auftritt
Eigentlich sollte auch Harald Vilimsky, der Spitzenkandidat der
österreichischen FPÖ, da sein. Doch [2][wegen der Strache-Videos und der
Regierungskrise] hatte der schon am Freitag Abend abgesagt. Stattdessen
kommt Georg Mayer, ein steirischer EU-Abgeordneter, der einen bemerkenswert
unverfrorenen Aufritt hinlegt. „Weg mit Leuten wie Merkel, Macron oder
Junker. Wir sind die richtigen Medikamente für den Patienten Europa“, lässt
er wissen.
Von Strache kein Wort. In naher Zukunft werde sich entscheiden, ob die
Europäer weiter Islamisierung und „Masseneinwanderung aus Arabien erdulden
müssen oder diese stoppen können“. Europa brauche dringlich einen neuen
Kurs und zwar [3][jenen Salvinis], der durch den Schutz der Grenzen –
gemeint war offenkundig die Schließung der Häfen für Flüchtlingsschiffe –
zum „Beschützer für ganz Europa geworden ist“, sagte Mayer.
Die Causa Strache hatte den Populisten ihr Fest vermiest, auch wenn sich
alle bemühten, die Sache runterzuspielen. Meuthen hatte der Partei am
Samstag seine Solidarität versichert. Die FPÖ sei ein „enger Partner“, er
werde ihr wegen einer „singulären Sache“ nicht „in den Rücken fallen“,
sagte er dem Deutschlandfunk.
## Videobotschaft an den „lieben Matteo“
Für eine Videobotschaft an den „lieben Matteo“ hatte Meuthen sich noch am
Mittwoch etwas Italienisch zurechtgelegt. Am Samstag zog er es jedoch vor,
Englisch zu sprechen. „Es gibt auf diesem Kontinent Menschen, die an Werte
glauben und wir sind die Stimme dieser Menschen,“ sagte er, was im Licht
der Strache-Videos etwas unglücklich klingt, aber die Menge auf dem Platz
stören sich nicht. Sie hören gern, wie Meuthen versichert, die rechte
Allianz sei „nicht anti-europäisch“, sondern nur „gegen die heutige EU u…
ihre dekadenten Eliten“. Juncker, Draghi, Marco, Weber, Merkel, Timmermans
und so weiter“ seien die „Zerstörer unseres Europas“ und „arrogante
Technokraten“ die Meuthen und seine Verbündeten „aus den Parlamenten jagen…
werden.
Dass nicht nur die „EU-Eliten“ verjagt werden sollen, machte Anders
Primdahl Vistisen von der Dänischen Volkspartei klar: „Es geht nicht darum,
Migranten in Europa zu integrieren, sondern darum, sie zurück zu schicken.“
Der Niederländer Geert Wilders machte es noch kürzer: „Basta Islam“ wette…
er.
Gewissermaßen als Gastgeschenk flechten viele in ihre Reden ein, dass sie
Salvini am liebsten als Nachfolger von Juncker an der Spitze der
EU-Kommission sähen. „Natürlich werden wir eine angemessene personelle
Repräsentanz fordern, auch in der Exekutive“, hatten Meuthen auch am Vortag
gesagt. „Wir wären ja verrückt, wenn wir das nicht täten.“ Daraus wird
nichts werden: Ein knappes Viertel der Stimmen könnten die Populisten laut
jüngster Umfragen bekommen, koalieren will mit ihnen aber kaum jemand.
Zwei Stunden dauert das Spektakel aus Tiraden gegen die EU-Eliten,
Islamverachtung, Xenophobie, haltlosen Versprechen und
Verschwörungstheorien. Salvini hatte für die Kundgebung unter anderem mit
Bildern des jüdischen Investors George Soros geworben, auf denen stand:
„Der wird sicher nicht da sein.“ Auch in seiner Rede greift er Soros an und
wirft ihm vor, Flüchtlinge nach Europa zu bringen.
## Transparente gegen die Populisten
Die Migration von Muslimen führe früher oder später dazu, dass sie in der
Mehrheit seien und eine „Rechtsordnung errichten, die mit unserer Freiheit
inkompatibel ist“, sagt Salvini. Solange er Innenminister sei, kämen keine
Rettungsschiffe mit Flüchtlingen in italienische Häfen. Er verspricht
Steuern zu senken und will gleichzeitig die Sozialleistungen ausweiten –
ein mit Vorstellungen der FPÖ oder der AfD völlig unvereinbares Vorhaben.
In den Tagen zuvor hatten Mailänder Gruppen die Bevölkerung aufgerufen, mit
Transparenten an ihren Häusern gegen den Besuch der Populisten zu
protestieren. Zur „Balkoniade“ hingen dann am Samstag an vielen Häusern
Spruchbänder wie „Bleiben wir menschlich“.
Am Nachmittag hatten das feministische Bündnis „Non una di meno“,
antirassistische Gruppen und Partisanenverbände zu einer Gegenkundgebung
aufgerufen, die sie die „Große Gala der Zukunft“ nannten, in Anspielung auf
die reaktionäre Familienpolitik der Populisten. Nach Angaben von „Non una
di meno“ marschierten dabei etwa 20.000 Menschen durch die Mailänder
Innenstadt, an der Mailänder Klinik skandierten sie „Über unsere Körper
bestimmen wir selbst“, mit Blick auf die von der Lega erschwerten
Möglichkeiten zur Abtreibung. Auf Postern wurde Salvini ein „Faschist“
genannt.
19 May 2019
## LINKS
[1] /Europawahl-und-rechte-Parteien/!5592154
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[3] /Seenotrettung-im-Mittelmeer/!5592061
## AUTOREN
Christian Jakob
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