Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wachpersonal in Geflüchtetenunterkunft: Hausverbot für Securitys
> Bewohner der Erstaufnahme für Geflüchtete in Bremen-Vegesack berichten
> von rassistischem Wachpersonal. Sozialbehörde: „ernstzunehmende
> Hinweise“.
Bild: Fordern Konsequenzen: DemonstrantInnen vor der Bremer Sozialbehörde
Bremen taz | Eine einfache Forderung hätten sie, sagt der Redner über einen
Lautsprecher. Und zwar: Dass der Vertrag mit der Security-Firma in der
Erstaufnahmeeinrichtung Lindenstraße aufgelöst wird. Rund 50 Leute der
Initiative „Together we are Bremen“ sind am Dienstag zum Bahnhofsplatz
gekommen, um vor dem Sitz der Sozialbehörde zu demonstrieren. Dass die
Sicherheitsleute in der Flüchtlingsunterkunft aggressiv aufträten, sagen
sie. Und: Dass sie rassistisch seien gegen Menschen mit schwarzer
Hautfarbe.
Bis zu 700 Plätze hat die Erstaufnahme-Einrichtung im ehemaligen
Vulkan-Gebäude in Vegesack. Aktuell ist sie ziemlich voll: Familien und
Alleinstehende teilen sich jeweils Zimmer mit mehreren Betten. Betrieben
wird sie von der Arbeiterwohlfahrt (AWO), für den Wachdienst hat die
Sozialbehörde einen Vertrag mit der Sicherheitsfirma Procertus.
Was genau dort in den letzten drei Wochen passiert ist, darüber gibt es im
Detail nur die Aussage einiger der Bewohner. Klar ist, dass ein Konflikt
zwischen mehreren jungen Männern vornehmlich aus Gambia und Guinea und den
Sicherheitsleuten gewaltsam eskaliert ist. Einige der jungen Männer hatte
die AWO deshalb der Einrichtung verwiesen.
Ebenso ist klar: Die Sozialbehörde spricht seit Dienstag von einem
Fehlverhalten auch von Seiten der Sicherheitsleute. „Es gibt
ernstzunehmende Hinweise, dass es im Zusammenhang mit der Durchsetzung der
Hausverbote zu Provokationen und Tätlichkeiten einzelner Mitarbeiter des
Wachpersonals gekommen ist“, sagt Behördensprecher Bernd Schneider.
Mindestens die involvierten Securitys werden somit wohl nicht mehr in
Unterkünften für Geflüchtete eingesetzt. Eine Sprecherin der AWO erklärte,
ihre Mitarbeiter hätten deutlich gemacht, dass sich auch das Wachpersonal
falsch verhalten habe.
Aufgeschaukelt hat sich die Situation seit Mitte Mai. Eine Bewohnerin soll
einige der Jungs in ihrem Zimmer mit dem Vorwurf konfrontiert haben, ihrer
Tochter nachzustellen. Es kommt zum Streit. Als Securitys dazustoßen, wird
die Auseinandersetzung gewalttätig.
Einige Tage später dann wollen einige der Jungen wieder in die Einrichtung,
manche wohl, obwohl sie Hausverbot haben. Die Sicherheitsleute verwehren
ihnen den Einlass. Erneut kommt es zu Gewalt. Die Polizei muss einschreiten
und ermittelt seitdem wegen Körperverletzung.
Laut den betroffenen Bewohnern sind die Wachleute im Nachgang der
Auseinandersetzungen angeblich sogar auf „Rache“ aus gewesen. Am Rande der
Demo konkretisiert Omar, einer ihrer Sprecher, die Vorwürfe: Die Securitys
hätten Einzelne bedroht und angegriffen. Einem Bewohner seien sie ins Bad
gefolgt und hätten ihn gewürgt. „Immer ging es gegen schwarze Menschen“,
sagt Omar. „Es hat einfach gereicht. Wir haben genug Probleme, viele von
uns sind ohnehin traumatisiert.“
Claudia Schmitt, die auch Vorsitzende des Vereins Fluchtraum ist,
unterrichtet als Deutsch-Lehrerin am Schulzentrum Vegesack einige der Jungs
aus der Lindenstraße. „Extrem lernmotiviert, ruhig und umgänglich“ seien
ihre Schüler. Als sie zufällig in der zweiten aufgeheizten Situation hinzu
kam, sei sie selbst von einem Sicherheitsmann beschimpft worden.
Bislang waren über die Sicherheitsfirma Procertus keine Beschwerden
bekannt. Seine Firma sei an mehreren Einrichtungen für die Sozialbehörde
tätig, sagte ein Projektleiter bei Procertus, der nicht namentlich genannt
werden möchte. „Wir haben einen großen Anteil an Mitarbeitern, die selbst
Migrationshintergrund haben. Das macht den Vorwurf des Rassismus für mich
ein bisschen schwierig“, so der Firmenvertreter. Es sei geschultes
Personal, es gebe Nachbesprechungen und Qualitätsmanagement. Im Einzelnen
könne er sich zu den Vorwürfen nicht weiter äußern, sagte der
Firmenvertreter. Er wisse aber: „Es ging um eine größere Gruppe an
männlichen Bewohnern, die im Rudel aufgetreten sind.“
Wie präsent Rassismus ist, konnte man indes auch bei der Kundgebung am
Dienstag beobachten: Mehrere Passanten bepöbelten die DemonstrantInnen,
einer beleidigte sie mit Affen-Lauten.
29 May 2019
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Security
Schwerpunkt Rassismus
Gewalt
Erstaufnahme
Unterbringung von Geflüchteten
Erstaufnahmezentren
Geflüchtete
Sicherheitsdienst
R2G Bremen
Ankerzentren
Abschiebung
Abschiebung
Geflüchtete
Security
Unterbringung von Geflüchteten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bremens Polizei geht gegen Demo vor: Konsequent – gegen Geflüchtete
Als 50 Geflüchtete gegen ihre Massenunterkunft demonstrierten, wurden sie
wegen fehlenden Abstands angezeigt. Anderswo in Bremen ist man großzügiger.
Geflüchtete protestieren gegen Unterkunft: Dauerhaft im Lager
In der Aufnahmestelle in Bremen-Vegesack leben Flüchtlinge teils monatelang
in Sechsbettzimmern. Am Samstag demonstrieren sie für drei Forderungen.
Nach Italien und wieder zurück: Die Odyssee des Momodou Ba
Momodou Ba kam vor fünf Jahren nach Bremen, ist verlobt und gesundheitlich
angeschlagen. Gegen seine Abschiebung wehrt er sich, so gut er kann.
Gewalt durch Securitys im Ankerzentrum: Lager der Einschüchterung
Das Ankerzentrum Bamberg gilt als Vorzeigeprojekt. Nun wird
Sicherheitsleuten vorgeworfen, sie würden systematisch Gewalt ausüben.
Containerdorf für Geflüchtete: Lagerkoller im Niemandsland
In einem Lager in Horst leben 300 Flüchtlinge. Sie sind isoliert, die
Zustände mies. Aktivisten haben eine Woche lang bei den Containern gecampt.
Feuer in Flüchtlingsunterkunft: Wachmann unter Verdacht
Ein Wachmann soll in einer Braunschweiger Flüchtlingsunterkunft Feuer
gelegt haben. Eine politische Motivation steckt offenbar nicht hinter der
Tat, sondern Rache.
Security verunsichert: „Hol dir Kaffee im Irak“
Flüchtlinge in der Hamburger Erstaufnahmeeinrichtung Albert-Einstein-Ring
fühlen sich vom bewaffneten Wachpersonal schikaniert. Der
Koordinierungsstab verlangt Aufklärung
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.