Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Geflüchtete protestieren gegen Unterkunft: Dauerhaft im Lager
> In der Aufnahmestelle in Bremen-Vegesack leben Flüchtlinge teils
> monatelang in Sechsbettzimmern. Am Samstag demonstrieren sie für drei
> Forderungen.
Bild: Manchmal muss man kämpfen, um eine gute Unterkunft zu bekommen, wissen a…
taz | Bremen Die Zeit, da Geflüchtete [1][zu Hunderten in Turnhallen]
untergebracht werden mussten, ist erst mal vorbei – doch das bedeutet
nicht, dass alle Schutzsuchenden über Privaträume verfügen. Etwa 600
Menschen leben momentan in der „Zentralen Aufnahmestelle“ (Zast) an der
Lindenstraße in Vegesack. Hier warten sie auf Entscheidungen zu ihren
Asylverfahren, teils monatelang. Mit einer Demo will das Flüchtlingsbündnis
[2][„Together we are Bremen“] heute auf die Zustände im Zentrum aufmerksam
machen.
Für den siebzehnjährigen Lamin aus Gambia ist die Unterkunft schon seit
einem dreiviertel Jahr so etwas wie ein Zuhause. „It’s a very crazy
situation for nine months“, erzählt er. Man lebt mit bis zu sechs Personen
in einem Raum, es gebe „no respect for privacy“. Kochen ist nicht nur nicht
vorgesehen, sondern auch nicht erlaubt – die Menschen sind auf das
angebotene Kantinenessen angewiesen.
Mit der Demo wollen er und seine MitstreiterInnen nicht nur Öffentlichkeit
für ihre Lage erreichen, sie haben auch konkrete Forderungen. Eine davon:
„Wir wollen in Unterkünfte mit Privatsphäre, wir können nicht mehr in den
Camps leben“, so Lamin auf Englisch.
Doch genau das ist nicht vorgesehen: „Es ist eine [3][Auflage des Bundes],
dass Menschen mit schlechter Bleibeperspektive nicht in kommunale
Einrichtungen umziehen“, so Bernd Schneider, Sprecher der Sozialsenatorin.
„Man will ihnen keine falschen Hoffnungen machen.“
## Rassistischer Angriff
Simone Behrends, Unterstützerin von „Together we are Bremen“, kennt das
Gesetz. Doch so wie in der Lindenstraße müsste die Zast ihrer Meinung nach
nicht aussehen. In der Unterkunft waren im Mai Vorwürfe laut geworden, das
Wachpersonal habe die BewohnerInnen rassistisch angegriffen. Klar ist, dass
es zu [4][tätlichen Übergriffen] gekommen ist – ein Mitarbeiter des
Security-Dienstes wurde abgezogen und für andere Aufgaben eingesetzt.
„Das Lager ist nur für Aufenthalte von wenigen Wochen ausgelegt.
Jugendliche und Erwachsene bleiben aber teils über Monate dort“, kritisiert
sie. Gemeinsam mit dem Bündnis fordert sie, Bremen möge leer stehende
Übergangswohnheime zu Zasts umwandeln.
Tatsächlich will die rot-grün-rote Regierung laut Koalitionsvertrag
zumindest prüfen, ob sich eine andere Erstaufnahme finden lässt. Doch
Schneider hält die Hoffnung auf einen raschen Umzug klein: Es gebe
[5][keine überflüssigen Wohnheime], da viele alte bereits keine
Nutzungserlaubnis mehr hätten. Der Umbau zum Zast sei noch dazu teuer. „Das
muss die Bürgerschaft erst mal in den Haushalt schreiben.“
Verschärft wird das Problem dadurch, dass Minderjährige eigentlich gar
nicht in der Gemeinschaftsunterkunft leben dürften. Doch wenn keine
Ausweispapiere vorliegen, kann das Jugendamt das Alter der Geflüchteten
anzweifeln. „Ausgeschlossen ist natürlich nicht, dass auch mal ein
Minderjähriger falsch als Erwachsener eingestuft wird“, so Schneider.
Die Verantwortung dafür weist die Sozialbehörde von sich: Zum Einen hätte
das Bundesland gar kein Interesse daran, Geflüchtete für volljährig zu
erklären. „Jeder Erwachsene bedeutet für uns viel mehr Aufwand, Kosten und
Personal“, so Schneider. Schließlich kann Bremen nach dem Verteilschlüssel
einen Großteil seiner minderjährigen Flüchtlinge an andere Länder
weitervermitteln: Von den 206 jugendlichen Unbegleiteten, die bis Mitte
dieses Jahres in Bremen angekommen sind, durften nur 50 im Stadtstaat
bleiben.
Zudem habe die Behörde auch keinen Einfluss auf die Einschätzung: Wenn
keine Papiere vorlägen, würden Gerichte eine medizinische
Altersuntersuchung vorschreiben. In Wirklichkeit hat das Jugendamt die
Möglichkeit, jungen Menschen auch ohne Ausweis in ihren Altersangaben zu
vertrauen – standardmäßig wird ihr Alter laut [6][Paragraph 42f des SGB
VIII] mittels einer „qualifizierten Inaugenscheinnahme“, im persönlichen
Gespräch, eingeschätzt, im Zweifel soll dabei für die Minderjährigkeit
entschieden werden. „Natürlich hat die Behörde da einen Spielraum. Es ist
alles eine Frage des Wollens“, glaubt Behrends.
Das Bündnis fordert noch mehr. Er wolle zur Schule gehen, sagt Lamin. Auch
hier steht die Alterseinschätzung im Weg. „Das müsste nicht sein“, meint
Behrends. „Es wäre überhaupt kein Problem, ein paar Volljährige zu
beschulen – wenn dadurch nur sichergestellt würde, dass kein Minderjähriger
auf seine Schulbildung verzichten muss. Denn das ist eine wahre Tragik.“
Die Bildungsbehörde schaffte es am Freitag nicht mehr, zu den Forderungen
Stellung zu nehmen.
## Das Ziel: Die humanitäre Aufenthaltserlaubnis
Ein weiteres großes Anliegen haben die DemonstrantInnen noch: humanitäre
Aufenthaltserlaubnisse. Auch bei abgelehntem Asylantrag können Geflüchtete
sich damit eine Perspektive aufbauen. Bis zum 31. August hatten 3.076
BremerInnen diesen Schutz vor Abschiebung erhalten, der stärker als eine
immer wieder befristete Duldung ist.
Laut Innenbehörde können gesundheitliche Gründe für den Status sorgen, aber
auch ein Ausbildungsplatz oder eine Einstiegsqualifizierung. Behrends
glaubt, dass Bremen den Spielraum auch hier besser ausschöpfen könnte.
Lamin hofft sehr darauf: „Ohne Bleibeerlaubnis weißt du nicht, wohin du
gehörst“, sagt er.
Die Demo beginnt am Samstag, 19. Oktober, ab 14:30 Uhr am
Anti-Kolonialdenkmal (Elefant) und führt von dort aus über Bahnhof und
Domshof bis zum Ziegenmarkt.
18 Oct 2019
## LINKS
[1] /Leerstand-in-Bremen/!5235951
[2] http://togetherwearebremen.org/
[3] /Regierung-will-Fluechtlinge-kasernieren/!5499446
[4] /Wachpersonal-in-Gefluechtetenunterkunft/!5595464
[5] https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/gesellschaft/fluechtlingscontainer…
[6] https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbviii/42f.html
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Ankerzentren
Minderjährige Geflüchtete
Schwerpunkt Flucht
Unterbringung von Geflüchteten
Geruch
R2G Bremen
R2G Bremen
Minderjährige Geflüchtete
Demo
Polizei Bremen
Jugendamt
Schwerpunkt Rassismus
Security
Unterbringung von Geflüchteten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Geruchsbelästigung zählt nicht für alle: Stunk ums Rote Dorf
Wegen des Gestanks einer Entkoffeinierungsanlage darf eine Brache in Bremen
kein Wohngebiet werden. Ein Wohnheim für Geflüchtete wird aber geprüft.
Geflüchtete in der Corona-Krise: Grüne loben Lagerhaltung
Die umstrittene Massenunterkunft für Geflüchtete in Bremen ist für die
Grünen alternativlos. „In Zukunft“ soll aber ein Mindestabstand möglich
werden.
Bremens Polizei geht gegen Demo vor: Konsequent – gegen Geflüchtete
Als 50 Geflüchtete gegen ihre Massenunterkunft demonstrierten, wurden sie
wegen fehlenden Abstands angezeigt. Anderswo in Bremen ist man großzügiger.
Geflüchtete Jugendliche in Handschellen: Gewalt als Ultima Ratio
Die gewaltsame Umverteilung Minderjähriger aus Bremen war Thema in der
Sozialdeputation. Alles rechtens, sagt die Sozialsenatorin.
Umgang mit minderjährigen Geflüchteten: Protest gegen Innere Mission
Nachdem minderjährige Geflüchtete in Bremen in Handschellen umverteilt
wurden, wendet sich der Ärger gegen den Träger der Flüchtlingsunterkunft.
Kindeswohlgefährdung in Bremen: Handschellen für Teenager
Die Bremer Polizei soll unbegleitete Minderjährige aus einer
Erstaufnahmeeinrichtung in andere Bundesländer „verteilt“ haben – in
Handschellen.
Junger Geflüchteter wird nicht betreut: Wer sich beklagt, wird nicht beraten
Ein junger Flüchtling wurde in Bremen aus dem Jugendhilfesystem geworfen.
Zuvor hatte er sich über schlechte Betreuung beschwert.
Treffen der Flüchtlingsräte: Für einen Kurswechsel
In Dresden sind die Flüchtlingsräte der Bundesländer zusammengekommen. Sie
zeichneten ein düsteres Bild von Deutschlands Asylpolitik.
Wachpersonal in Geflüchtetenunterkunft: Hausverbot für Securitys
Bewohner der Erstaufnahme für Geflüchtete in Bremen-Vegesack berichten von
rassistischem Wachpersonal. Sozialbehörde: „ernstzunehmende Hinweise“.
Geflüchteter über seine Unterbringung: „Als wollten sie dich kaputt machen�…
Die Bewohner der Flüchtlingsunterkunft in der Bremer
Gottlieb-Daimler-Straße demonstrieren für eine menschenwürdige
Unterbringung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.