| # taz.de -- Security verunsichert: „Hol dir Kaffee im Irak“ | |
| > Flüchtlinge in der Hamburger Erstaufnahmeeinrichtung Albert-Einstein-Ring | |
| > fühlen sich vom bewaffneten Wachpersonal schikaniert. Der | |
| > Koordinierungsstab verlangt Aufklärung | |
| Bild: Nicht immer ganz klar, wer da wen schützt: Privater Sicherheitsdienst | |
| HAMBURG taz | Schikanöse Kontrollen und Provokationen: Mit | |
| Teleskopschlagstöcken, Handschellen und Pfefferspray bewaffnete | |
| Securityleute sollen mit stichsicheren Westen und Wachhunden auf dem | |
| Gelände patrouillieren – berichten BewohnerInnen der | |
| Erstaufnahmeeinrichtung (EA) für Geflüchtete am Albert-Einstein-Ring der | |
| taz. Sie fühlten sich „wie im Knast“. | |
| In keiner anderen Flüchtlingseinrichtung Hamburgs ist das Wachpersonal | |
| derart martialisch ausgerüstet wie in Bahrenfeld. Der Betreiber der | |
| Einrichtung, das Deutsche Rote Kreuz (DRK), weiß von der Bewaffnung. „Wir | |
| haben eben einen anderen Begriff von Sicherheit“, sagt DRK-Landeschef Georg | |
| Kamp, „Unsere Philosophie hat sich bewährt.“ | |
| Es musste im vergangenen Herbst alles sehr schnell gehen, als dem DRK per | |
| Handschlag die Trägerschaft für die Unterkunft mit 700 Plätzen in einem | |
| mehrgeschossigen Bürogebäude am Albert-Einstein-Ring 1–3 übertragen wurde. | |
| Das DRK heuerte den Sicherheits- und Ordnungsdienst Bergedorf (SOD) an, | |
| eine kleine Securityfirma, die Bewachung der Einrichtung zu übernehmen. Der | |
| SOD engagierte dann wiederum Subunternehmen. „Die Betreiber dürfen sich | |
| selbst das Wachpersonal aussuchen“, bestätigt die Sprecherin des | |
| Koordinierungsstabes Flüchtlinge (ZKF), Christiane Kuhrt. | |
| ## Waffen eigentlich verboten | |
| Sie müssten jedoch die Vorgaben der Stadt einhalten: „Bewaffnung wie | |
| Schlagstöcke und Handschellen sind verboten“, sagt Kuhrt. Lediglich das | |
| Tragen von Pfefferspray zur Eigenverteidigung, das jeder Mensch im Laden | |
| kaufen könne, sei erlaubt, ergänzt sie. Solche Standards wolle die Stadt | |
| künftig in schriftlichen Verträgen mit den Unterkünften festschreiben. | |
| In der Einrichtung am Albert-Einstein-Ring waren zuletzt tagsüber bis zu 22 | |
| Securityleute eingesetzt – die Zahl der untergebrachten Geflüchteten ist | |
| auf 170 gesunken. Die Bemessung des Securitypersonals richte sich aber | |
| nicht allein nach der Anzahl der BewohnerInnen, sondern auch nach den | |
| räumlichen Gegebenheiten unter Berücksichtigung des Brandschutzes, | |
| erläutert DRK-Sprecher Rainer Barthel. | |
| In der Unterkunft lebten die Flüchtlinge auf mehrere Stockwerke verteilt. | |
| Jede Etage werde durch Wachpersonal überwacht. Hinzu komme der Eingangs- | |
| und Außenbereich, sagt Barthel. Seit dem 1. September seien tagsüber 15 | |
| Mitarbeiter und nachts 12 Securityleute eingesetzt | |
| Viele BewohnerInnen fühlen sich diskriminiert und schikaniert, sagen sie. | |
| Zum Beispiel, wenn ein Wachmann nachts am Eingang provokant Tee trinke und | |
| dies den Flüchtlingen verwehrt werde. Die Flüchtlinge würden teilweise | |
| lange an der Pforte aufgehalten, „mit der Taschenlampe in die Augen | |
| geblendet und extrem lange durchsucht“, berichtet ein Bewohner. Einem | |
| Geflüchtetem, der nach Kaffee fragte, sei gesagt worden, „geh doch in den | |
| Irak und hol Kaffee“. | |
| ## Nachts mit Hunden durch die Unterkunft | |
| Zudem seien Securityleute nachts mit Hunden durch die Unterkunft gegangen, | |
| hätten den schlafenden BewohnerInnen mit Taschenlampen ins Gesicht | |
| geleuchtet – auch bei muslimischen Frauen, die ihr Kopftuch abgelegt | |
| hatten. | |
| Ein Mitarbeiter der Unterkunft berichtet zudem von einer Situation, in der | |
| ein Securitymann einem Flüchtling seinen Schlagstock zwischen die Beine | |
| gehalten und „Penis, Penis, Penis“ gesagt habe, was den Araber aggressiv | |
| gemacht habe. | |
| Der SOD hat der taz gestern keine Stellungnahme gegeben. Zum Vorwurf der | |
| Körperkontrollen hat sich der SOD jedoch gegenüber dem Hamburger Abendblatt | |
| schriftlich geäußert: „Es erfolgten Nachschauen. Diese waren begründet, um | |
| das Verbringen gefährlicher oder verbotener Gegenstände zu verhindern und | |
| den Brandschutz aufrechtzuerhalten.“ Angeblich seien Messer und Scheren | |
| gefunden worden. | |
| ## Keine Gefangenen | |
| Doch Körperkontrollen sind unzulässig, erklärt ZKF-Sprecherin Kuhrt. Die | |
| Wachdienste sollen die Flüchtlinge nicht einschüchtern. „Die Bewohner sind | |
| weder Gefangene noch stehen sie unter Generalverdacht“, sagt Kuhrt. „Es ist | |
| uns wichtig, dass solchen Verdächtigungen vollends nachgegangen wird.“ | |
| DRK-Chef Georg Kamp geht bereits dezent auf Distanz: So seien | |
| Körperkontrollen genauso unzulässig, wie der Hundeeinsatz in der | |
| Unterkunft. „Der Hund gilt in muslimischen Ländern als unrein, das ist eine | |
| Frage der Kultursensibilität“, sagt Kamp. | |
| Zudem habe der SOD in mindestens einem Fall den Vorwurf einer sexuellen | |
| Belästigung durch einen Securitymann – der vom SOD mittlerweile entlassen | |
| worden ist – nicht an das DRK gemeldet. „Wir werden Gespräche führen, alle | |
| Anschuldigungen sehr genau prüfen und den Verantwortlichen die Gelbe Karte | |
| zeigen“, sagt Kamp. | |
| ## Verfassungsschutz hat „Bedenken“ | |
| Überhaupt mussten drei Securityleute des SOD und zehn von Subunternehmen | |
| ihre Tätigkeit in der Unterkunft bereits einstellen, weil bei einer | |
| Sicherheitsüberprüfung der Verfassungsschutz und das Landeskriminalamt | |
| „Bedenken“ angemeldet hatten. | |
| Die EA Albert-Einstein-Ring wird demnächst zur einer Folgeeinrichtung | |
| umgewandelt.„Da der Vertrag noch bis Ende kommenden Jahres läuft, wird das | |
| DRK die Unterkunft bis dahin betreiben“, sagt Kuhrt „Nach Ablauf des | |
| Vertrags wird der Betrieb dann ordnungsgemäß ausgeschrieben.“ | |
| 11 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
| Kai von Appen | |
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