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# taz.de -- Korruptionsvorwurf in Berlin: Lageso-Referatsleiter festgenommen
> Ein Mitarbeiter des Lageso, der für die Unterbringung von Flüchtlingen
> zuständig war, und der Geschäftsführer einer Sicherheitsfirma wurden
> festgenommen.
Bild: Mitarbeiter des Lageso vor einer Warteschlange am Amt in Berlin-Moabit
Berlin taz | Die Berliner Staatsanwaltschaft hat am Donnerstag einen
48-jährigen Referatsleiter des für die Unterbringung von Flüchtlingen
zuständigen Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) sowie
Geschäftsführer eines Berliner Sicherheitsunternehmens festgenommen. Zudem
wurden vier Objekte in Berlin durchsucht, wobei diverse Unterlagen und
elektronische Datenträger sichergestellt wurden. Das teilte die
Generalstaatsanwaltschaft Berlin am späten Donnerstagnachmittag mit.
Dem Referatsleiter wird vorgeworfen, Schmiergelder genommen zu haben. „Das
Landesamt und die Senatsverwaltung unterstützen die ermittelnden Behörden
vollumfänglich in ihrer Arbeit, um zur rückhaltlosen Aufklärung der
Sachverhalte beizutragen“, erklärte eine Lageso-Sprecherin.
Der Referatsleiter steht im Verdacht, Aufträge für den Betrieb von
Flüchtlingsunterkünften nur vergeben zu haben, wenn dafür ein bestimmtes
Sicherheitsunternehmen zur Bewachung verpflichtet wurde. Dafür soll er von
diesem Unternehmen mehrfach Beträge zwischen 5.000 und 10.000 Euro bekommen
haben. Laut dem Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, wurden
bei der Durchsuchung am Donnerstag auch 51.000 Euro aus einem Tresor in der
Privatwohnung des Lageso-Mitarbeiters beschlagnahmt.
Auch bei der AWO seien Räume durchsucht worden, bestätigte der Vorsitzende
des AWO Kreisverbands Mitte, Manfred Nowak, der taz. Die Polizei habe sich
Akten angesehen. Die AWO hatte mit dem in Verdacht stehenden
Sicherheitsunternehmen zusammengearbeitet. „Da gab es aber natürlich ein
formelles Ausschreibungsverfahren“, sagte Nowak. „Wir würden uns auch vom
Lageso keine Zusammenarbeit mit einem Unternehmen vorschreiben lassen.“
Dass Schmiergelder geflossen seien, bestritt Nowak.
## Zusammenhang mit Allert-Affäre?
Ob die Festnahmen im Zusammenhang stehen mit Ermittlungen in der so
genannten Allert-Affäre, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft auf
Nachfrage nicht. Der Zeitraum, um den es gehe, betreffe bislang allein das
Jahr 2015. „Das war schon gewerbsmäßig, aber wie oft er das gemacht hat,
wissen wir nicht“, so Steltner zur taz. Möglicherweise würde sich durch die
beschlagnahmten Unterlagen aber weitere Erkenntnisse ergeben.
Nach Information der taz handelt es sich bei dem festgenommenen
Referatsleiter um Stefan T. T. war bis vorigen Sommer Referatsleiter der
Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL). Im Zuge der Neuorganisation der
Behörde wegen der Allert-Affäre wurde er versetzt und war dann zuständig
für die Heimaufsicht.
Der frühere Chef des Lageso, Franz Allert, war vor über einem Jahr in die
Schlagzeilen geraten wegen des Verdachts, sein Patenkind bei der Vergabe
von Aufträgen zum Betrieb von Flüchtlingsunterkünften bevorzugt zu haben.
Im Zuge der daraufhin angestrengten Untersuchungen, unter anderem durch
einen externen Wirtschaftsprüfer, kam heraus, dass es beim Lageso keine
festen Vergabekriterien für Flüchtlingsheime gibt und solche Aufträge
regelmäßig ohne Ausschreibung „freihändig“ vergeben werden.
Seit vorigem Sommer steht das Lageso zudem in der Kritik, weil es die
vielen neuen Flüchtlinge nicht angemessen versorgen kann. Über Monate
fehlten Unterkünfte, zudem mussten die Menschen oft wochenlang auf
Leistungen der Behörde, wie Taschengeld oder Krankenscheine, warten.
Wiederholt gab es Beschwerden von Flüchtlingen über Misshandlungen von
Sicherheitsleuten, sowohl in einzelnen Heimen, als auch beim Amt in Moabit
selbst. Vor einigen Wochen beschloss die Berliner Immobilien Management
(BIM), die über das Lageso-Gelände in der Turmstraße verfügt, den Auftrag
für die Security dort neu auszuschreiben. Bislang sind dort die Firma
Gegenbauer, sowie deren Tochterfirma Spysec, tätig.
## „Diese Art der Vergabe ist anfällig für Korruption“
Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im
Abgeordnetenhaus, Canan Bayram, sagte der taz, sie sei von der neuesten
Entwicklung mit den Festnahmen nicht überrascht. „Wir vermuten schon die
ganze Zeit, dass beim Lageso Mauscheleien Alltag sind.“ Ihre Fraktion werde
das Thema am Montag im Innenausschuss auf die Tagesordnung setzen.
Auch Fabio Reinhardt, flüchtlingspolitischer Sprecher der Piraten-Fraktion
im Abgeordnetenhaus, sieht die jetzigen Durchsuchungen in einem
strukturellen Zusammenhang mit der Allert-Affäre. „Es ist weiterhin völlig
unklar, nach welchen Kriterien und auf welcher Grundlage die Betreiber von
Notunterkünften vom Lageso ausgewählt werden“, kritisierte er.
Notunterkünfte würden zum Teil innerhalb von 48 Stunden belegt, zum Teil
seien Sicherheitsfirmen schon vor den Betreibern dort oder sogar selbst die
Betreiber. „Diese Art der Vergabe ist anfällig für Korruption“, sagte
Reinhardt, denn sie erzeuge Abhängigkeiten und viele Unklarheiten, meist
gäbe es anfangs keine Verträge zwischen Betreiber und Lageso. „Es gibt
inzwischen viele neue Betreiber, die wenig Erfahrung haben. Wenn das Lageso
da eine Firma empfiehlt, kann es da sicher Einfluss nehmen“, sagte er.
25 Feb 2016
## AUTOREN
Susanne Memarnia
Uta Schleiermacher
## TAGS
Unterbringung von Geflüchteten
Lageso
Franz Allert
Security
Schwerpunkt Korruption
Unterbringung von Geflüchteten
Flüchtlinge
Homophobie
Lageso
Mario Czaja
Flüchtlinge
Lageso
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