# taz.de -- Übergriff auf Flüchtlingskind vermutet: Bedrängt bis zur Atemnot | |
> Security-Mitarbeiter in einer Hamburger Flüchtlingsunterkunft sollen | |
> einen Zehnjährigen misshandelt haben. Der Betreiber bestreitet das. | |
Bild: So geht das aber nicht: In den Hamburger Erstaufnahmen dürfen Kinder lä… | |
HAMBURG taz | Einige Päckchen Nuss-Nougat-Creme, darum geht es: In einer | |
Hamburger Erstaufnahme sollen Sicherheitsmitarbeiter einen jungen | |
Flüchtling misshandelt haben, weil dieser ein paar Nutella-Portiönchen | |
abgezwackt haben soll. Betrieben wird die Einrichtung am | |
Albert-Einstein-Ring im Stadtteil Bahrenfeld vom Deutschen Roten Kreuz | |
(DRK). „Als die Vorwürfe bekannt wurden, haben wir sofort die Polizei | |
eingeschaltet, um aufzuklären“, sagt DRK-Sprecher Rainer Barthel. „Die | |
Anschuldigungen haben sich als haltlos herausgestellt.“ | |
Wie das begonnen haben soll, was Barthel als „angebliche Eskalation“ | |
bezeichnet, darüber herrscht noch weitgehend Einigkeit: Am 9. Dezember | |
vergangenen Jahres sei der damals Zehnjährige von Mitarbeitern der | |
Security-Firma SOG dabei „erwischt worden, wie er eine Vielzahl von | |
Nutella-Paketen unter sein T- Shirt gesteckt hat“, erklärt Barthel. „Darauf | |
wurde er von der Security angesprochen, dann soll die Situation eskaliert | |
sein.“ Der Vorwurf: Die Wachleute sollen den Jungen so kräftig gegen die | |
Wand gedrückt haben, dass er einen Krampfanfall erlitten habe und im | |
Krankenhaus habe behandelt werden müssen. | |
So gibt der Bericht des behandelnden Arztes die Schilderung der Mutter des | |
Kindes wieder: Ihr Sohn sei „vom Security-Personal an die Wand gedrückt | |
worden. Er habe dann schwer Luft bekommen und sei blass gewesen. Er ist | |
dann kurzzeitig zusammengesunken.“ Damit nicht genug: Noch gut eine Wochen | |
später diagnostizierte eine Kinder- und Jugendärztin bei dem Zehnjährigen | |
gleich mehrere zeitweilig auftretetende psychische Störungen. | |
„Zunehmend sozialer Rückzug“, notiert die behandelnde Ärztin in diesem | |
Bericht, „häufiges Weinen, Angst, nächtliches Erwachen aus Angstträumen mit | |
Schreien und Weinen.“ Sie überweist den Jungen in die Trauma-Ambulanz des | |
Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), notiert aber auf dem Bericht | |
auch, was sie als Ursache für diesen Befund annimmt: „Vorgängig | |
körperlicher Übergriff durch Security in der Einrichtung.“ | |
## Kuriose Akten-Abweichung | |
In den Krankenakten des Jungen findet sich eine ärztliche Mitteilung, | |
verfasst nur einen Tag später von einer Allgemeinmedizinerin, die in der | |
Bahrenfelder Erstaufnahme die Sprechstunde abhält. Fast wortgleich | |
diagnostiziert sie die Störungen, auch die Überweisung gleicht wortwörtlich | |
der erwähnten Erstdiagnose. Doch die beiden so ähnlichen ärztlichen | |
Mitteilungen unterscheiden sich in einem Punkt gravierend: Der Hinweis auf | |
einen möglichen Security-Übergriff fehlt – und verschwindet damit bis auf | |
Weiteres aus den Krankenakten. | |
Wer das veranlasst hat, das kann auch das DRK nicht klären. „Die Polizei | |
hat die Vorwürfe gegen die Security-Mitarbeiter untersucht“, sagt Sprecher | |
Barthel – „sie haben sich auch nach Auswertung von Videodokumenten als | |
absolut haltlos erwiesen.“ Nicht ganz so entschieden formuliert es | |
Polizeisprecherin Heike Uhde: „Es gab in dieser Angelegenheit einen | |
Polizeieinsatz, aus dem aber kein Strafverfahren gefolgt ist.“ | |
Barthel zufolge ist es den Menschen in der Erstaufnahme nicht gestattet, | |
Essen mit in die Privaträume zu nehmen: „aus hygienischen Gründen“ – das | |
könnte immerhin eine Art Grundlage sein für das behauptete Benehmen der | |
Sicherheitsleute. Nun gibt es in den meisten Unterkünften zwar drei | |
reguläre Mahlzeiten am Tag, aber dazwischen eben nichts. Für Kinder zu | |
wenig, sagen Ärzte: Die Pausen seien zu lang. In der Folge „hamstern“ | |
Flüchtlingskinder schon mal bei der Essensausgabe – und geraten so in den | |
Blick der Security. „Dabei soll es nicht nur bei der Durchsuchung nach | |
Nahrungsmitteln geblieben sein“, schreibt die Bürgerschaftsabgeordnete Dora | |
Heyenn (parteilos) in einer Anfrage an den Senat, die sie am Dienstag auf | |
den Weg brachte. „Auch nach Waffen soll bei den Kindern gesucht worden | |
sein.“ | |
Gegenüber der taz berichteten MitarbeiterInnen verschiedener Hamburger | |
Flüchtlingsunterkünfte, dass in diesen Einrichtungen auch Kinder „relativ | |
anlasslos“ durchsucht würden. Für die beiden vom Hamburger DRK betriebenen | |
Einrichtungen in Bahrenfeld schließt Sprecher Barthel jedoch aus, „dass es | |
routinemäßige Kontrollen von Kindern oder gar Leibesvisitationen“ gebe. | |
Lediglich im Eingangsbereich der Anlage würden die Flüchtlinge „von | |
Metalldetektoren“ gescannt, so wie etwa wie bei der Passagierkontrolle | |
eines Flughafens. „Solche Kontrollen sind notwendig“, sagt der Sprecher, | |
„da wir schon oft Hieb- und Stichwaffen entdeckt haben.“ | |
26 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
Marco Carini | |
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