| # taz.de -- 1. Mai in Berlin: „Wir werden alles anzünden“ | |
| > Vom Bratwurstessen bis zum Flaschenwurf: Der 1. Mai ist der Tag der | |
| > politischen Rituale. Doch in diesem Jahr soll einiges anders werden. | |
| Bild: Am 1. Mai 2018 zog die revolutionäre 1. Mai Demo noch durch Kreuzberg | |
| Berlin taz | Alles neu macht der Mai: In Berlin stimmt das zumindest für | |
| den ersten Tag dieses Monats eigentlich nicht. Was den „Tag der Arbeit“ | |
| angeht, gab es in den letzten Jahren wenige Neuigkeiten zu berichten, die | |
| meisten politischen Veranstaltungen hatten eher den Charakter ewig gleicher | |
| Rituale. | |
| In diesem Jahr soll aber tatsächlich einiges anders werden. Zumindest eint | |
| diese Hoffnung die Veranstalter der sonst so gegensätzlichen Happenings | |
| Myfest und 18-Uhr-Demonstration. Denn das Myfest wurde in den letzten | |
| Jahren nicht nur Opfer seines eigenen Erfolgs, sondern verschluckte | |
| spätestens im letzten Jahr auch noch die 18-Uhr-Demo: Sosehr deren | |
| Teilnehmer auch um rebellische Posen bemüht waren, dienten sie letztendlich | |
| doch vor allem als Fotomotiv für die feiernden Myfest-Besucher. | |
| Das, könnte man meinen, müsste den Myfest-Veranstaltern gerade recht sein, | |
| immerhin wurde das Straßenfest einst zur „Befriedung“ des Arbeiterkampftags | |
| ersonnen. Die Tatsache, dass die 18-Uhr-Demonstration über die letzten | |
| Jahre immer stärker vom Feiergetümmel tot umarmt wurde, könnte also als | |
| Kulmination einer Entwicklung gesehen werden, die von Anfang an genauso | |
| beabsichtigt war. | |
| Allerdings sieht man sich auch aufseiten des Myfests mittlerweile übers | |
| Ziel hinausgeschossen. Die Kritik auch derjenigen Anwohner, die das Fest in | |
| den Anfangsjahren seit Gründung 2003 gern mittrugen, wurde über die letzten | |
| Jahre immer lauter, spätestens seit einer Anwohnerbefragung im letzten Jahr | |
| hat der Bezirk das schwarz auf weiß: 38 Prozent der Befragten sprachen sich | |
| dafür aus, das Myfest ganz abzuschaffen. | |
| Eine Mehrheit ist das aber noch nicht, und so wird es das Myfest auch in | |
| diesem Jahr wieder geben – allerdings „kleiner und politischer“, so | |
| verspricht es der Bezirk. Selbst eine etwas skurril anmutende Vorgabe für | |
| das Bühnenprogramm gibt es: „Mindestens zwei Stunden politische | |
| Wortbeiträge“ soll es auf jeder der Myfestbühnen geben. | |
| Komplett durchgefallen ist die 2018 erstmals realisierte Idee des Bezirks, | |
| den Görlitzer Park als „MaiGörli“ zu einer offiziellen Feierzone zu mache… | |
| Die durchkommerzialisierte Party stieß bei einer Mehrheit der Anwohner auf | |
| Ablehnung, in diesem Jahr soll der Park nun zur „partyfreien | |
| Entspannungszone“ werden. | |
| Ob die geplanten Veränderungen beim Myfest am Ende auch wirklich auf der | |
| Straße spürbar werden, wird sich zeigen. Mit Sicherheit anders wird die | |
| 18-Uhr-Demonstration, die in diesem Jahr durch den Friedrichshainer | |
| Nordkiez ziehen will. Das kann man durchaus als Eingeständnis | |
| interpretieren, mit der in den letzten Jahren versuchten Repolitisierung | |
| des Kreuzberger Ballermanns gescheitert zu sein. Selbst die provokante | |
| Nichtanmeldung der Demo sorgte für weniger politischen Trubel als erhofft. | |
| Da die Route auch durch die Rigaer Straße führen soll, wird in den | |
| Boulevardmedien bereits ängstlich mit den Hufen gescharrt. Dieses Ziel ist | |
| durch die Verlegung also bereits erreicht. „Schreib ‚Wir werden alles | |
| anzünden, was nicht niet- und nagelfest ist‘ in die Überschrift“, sagt ei… | |
| Vertreterin der Radikalen Linken Berlin in einem kürzlich im linksradikalen | |
| Lower Class Magazin erschienenen Interview, „dann lesen das dreimal so | |
| viele Leute, wie wenn du ‚Wir wollen Kiezkommunen aufbauen und die Menschen | |
| gegen Verdrängung organisieren‘ schreibst.“ Da hat sie recht. | |
| Fast neu ist der nachmittägliche Protestausflug in den Grunewald, der in | |
| diesem Jahr zum zweiten Mal stattfindet. Nachdem die überraschend große | |
| Demonstration im letzten Jahr mit etwa 3.000 Teilnehmern für Furore gesorgt | |
| hatte, weil es in ihrem Rahmen auch zu Sachbeschädigungen gekommen war – | |
| von „organisiertem Vandalismus“ sprach etwa die FDP –, wollen es die | |
| Veranstalter rund um die Hedonistische Internationale in diesem Jahr nun in | |
| guter Myfest-Manier mit der Strategie „Befriedung durch Straßenfest“ | |
| versuchen: „Für kriminelle Krawallos mit Konfetti, Stickern und | |
| ohrenbetäubendem Technogewummer ist in einer demokratischen Gesellschaft | |
| kein Platz!“, heißt es im [1][Aufruf zum „Bürgerfest MyGruni.“] | |
| Damit reicht es dann aber auch mit den Neuerungen für diesen 1. Mai: Für | |
| die Walpurgisnachtdemo und die Gewerkschaftsdemonstration sind keine großen | |
| Änderungen bekannt, allerdings haben diese Veranstaltungen schon über die | |
| letzten Jahre einiges von ihrem ritualisierten Charakter abgelegt. | |
| Für die komplette politische Erstarrung sind hingegen auch in diesem Jahr | |
| wieder die Maoisten vom Jugendwiderstand mit ihrer 13-Uhr-Demonstration | |
| zuständig. Relevanz werden sie damit wohl wieder nicht erreichen. | |
| 27 Apr 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Malene Gürgen | |
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