Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Fotografie-Ausstellung in Berlin: Ein Urknall namens FiFo
> „Bauhaus und die Fotografie“ ist das Thema einer Ausstellung. Es geht
> mehr um Fotografiegeschichte als um Bauhaus-Historie.
Bild: T. Lux Feininger, Bauhausbühne Dessau: Lichtspiel von Oskar Schlemmer mi…
Wenn Sie sich für eine der beiden Ausstellungen entscheidenden müssten,
weil Sie wenig Zeit haben: Würden Sie in „FiFo und die Folgen“ gehen? Oder
doch lieber in „Bauhaus und die Fotografie“?
Selbstverständlich besuchten Sie die Ausstellung mit dem [1][Bauhaus]. Denn
[2][das wird gerade 100 Jahre alt], war eh unheimlich wichtig und ist bis
heute schick und angesagt geblieben – vor allem aber: Sie kennen es. Von
einer „FiFo“ dagegen haben Sie vermutlich noch nie gehört.
Es sei denn, Sie besäßen fundiertes Fachwissen in der Geschichte der
Fotografie. Dann wüssten Sie, dass die im Jahr 1929 in Stuttgart
stattgefundene Ausstellung „Film und Foto“, abgekürzt FiFo, entscheidend
dafür verantwortlich war, die Fotografie als ernstzunehmend Kunstform zu
etablieren, und sich als prägend für die künstlerische Avantgarde der
folgenden Jahrzehnte erwies.
Klingt spannend? Aber doch lieber Bauhaus? Zum Glück müssen Sie sich nicht
entscheiden, denn es gibt nur eine Ausstellung. Sie heißt „Bauhaus und die
Fotografie. Zum Neuen Sehen in der Gegenwartskunst“ und ist im Museum für
Fotografie in Berlin zu sehen, müsste allerdings eher „FiFo und die Folgen“
heißen. Denn tatsächlich spielte die Fotografie im Bauhaus gar keine große,
sondern eine eher marginale, untergeordnete, dienende Rolle.
## Werbung für die eigenen Designprodukte
Auch Kris Scholz, Kokurator der Ausstellung, die vom NRW-Forum Düsseldorf
übernommen wurde, gibt zu, dass „im Bauhaus kein einheitlicher
fotografischer Stil“ erkennbar sei und „die Fotografie dort vor allem der
Werbung für die eigenen Designprodukte“ diente. Fotografie war zwar
Lehrfach in Dessau, aber erst zehn Jahre nach der Gründung des Bauhauses –
und wurde nie eigenständig, sondern blieb der Reklamewerkstatt zugeordnet.
Das Medium blieb im Bauhaus weitgehend Mittel der Dokumentation, auch wenn
sich László Moholy-Nagy und Erich Consemüller mühten, der Fotografie einen
eigenständigen Platz in der Bauhaus-Ästhetik zuzuweisen.
Moholy-Nagy war es denn auch, der 1929 die FiFo, die wohl historisch
bedeutsamste Fotoausstellung auf deutschem Boden, kokuratierte. Da lehrte
der Ungar aber schon nicht mehr in Dessau. Die Ausstellung, die nach
Stuttgart noch in Berlin und Zürich zu sehen war, fand denn auch nicht
unter Federführung des Bauhauses, sondern dem des Werkbundes statt, der dem
Bauhaus in beständigen programmatischen Kabbeleien verbunden war.
## Mit VR 90 Jahre zurück
Gleich zu Beginn der Ausstellung im Berliner Museum der Fotografie kann man
im wahrsten Sinne des Wortes eintauchen in die FiFo vor 90 Jahren. Da
liegen – tauchermaskengleich – zwei VR-Brillen aus, mit denen vor Augen man
den ersten Raum der historischen Ausstellung durchschreiten kann, der, von
Moholy-Nagy zusammengestellt, die „Geschichte der Fotografie“ darstellen
sollte.
Ganz nah kann man nun heranrücken an die virtuellen Wände, an denen
historische Fotografien und Pflanzenstudien, medizinische Aufnahmen oder
Röntgenbilder hängen.
Die restlichen zwölf Räume der historischen FiFo werden in der Berliner
Schau nicht rekonstruiert. Stattdessen hat Christine Kühn von der
Kunstbibliothek einen Teil der damals gehängten 1.200 Bilder ausgewählt und
an verschiedenen Wänden thematisch geordnet.
„Wir haben das assoziative Spiel von Moholy-Nagy aufgenommen“, erklärte
Kühn bei der eröffnenden Pressekonferenz, wie sie die sinnlichen Muscheln
und Korallen von Aenne Mosbacher, Bewegungsstudien von Hans Robertson oder
Charlotte Rudolphs Fotos der Tänzerin Gret Palucca hat – und nach
Themengebieten wie „Geometrisierung der Welt“, „Neue Sachlichkeit“ oder
„Licht – Raum – Zeit“ gegliedert hat.
Moholy-Nagys berühmtes Porträt einer nach oben aus dem Bild blickenden
Ellen Frank hängt nun unter dem Titel „Studiopose – Nahsicht – Fragment�…
neben dem Konterfei eines von Hedda Walter fotografierten Gorillas.
Über die Fotografien im ersten Raum der FiFo hatte Moholy-Nagy damals in
großen Lettern „Wohin geht die fotografische Entwicklung?“ an die Wand
schreiben lassen. Diese Frage stellten sich auch die Kuratoren von „Bauhaus
und die Fotografie“. Sie sehen die FiFo als Urknall der experimentellen
Fotografie und wollen zeigen, was die heute noch leisten kann.
Zu dem Zweck konfrontieren sie die historische Rekonstruktion der FiFo mit
den Werken von zwölf zeitgenössischen Fotokünstlern, darunter so prominente
Namen wie Wolfgang Tillmans, aber auch vergleichsweise unbekannte wie Doug
Fogelson aus Chicago.
## Prädikat sehenswert
Was auffällt: Seit 1929 hat bei der Avantgarde nicht nur die Farbe Einzug
gehalten, sondern offensichtlich auch der Drang zum übergroßen Format.
Während die Abzüge der historischen Ausstellung zum allergrößten Teil noch
prima in eine Fotomappe passen würden, stößt manches der modernen Werke
fast an die Decke der Ausstellungshalle – so wie die vier mächtigen
Tintenstrahldrucke von Kris Scholz, von denen die dunkle Farbe abblättert
und abplatzt. Das ist dunkel, ziemlich aggressiv und bedrohlich. Ob man
sich als Kokurator unbedingt selbst aufhängen sollte, ist wieder eine
andere Frage.
Am interessantesten sind denn auch die neuen Blickwinkel, wenn sie das
Format nicht nur ausweiten, sondern tatsächlich sprengen. So wie Antje
Hanebeck, deren – zugegeben auch ziemlich große – Bilder auf den ersten
Blick wie allzu grobkörnige Architekturfotos wirken, sich dann aber als
zwischen abstrakt und märchenhaft oszillierende Stadtlandschaften
entpuppen.
Oder Stefanie Seufert, die belichtetes Fotopapier zu bunt schillernden
Türmen schichtet und faltet, die trotz aller dreidimensionalen
Standfestigkeit leicht und geradezu unwirklich wirken.
Was das mit dem Bauhaus zu tun hat? Irgendwie alles, weil das Bauhaus
vermeintlich einen gewaltigen Einfluss auf jede Avantgarde genommen hat.
Aber eben deshalb auch: nicht viel. Unbedingt sehenswert ist die
Ausstellung aber trotzdem, auch wenn sie das, was ihr Titel verspricht,
nicht wirklich einlöst.
28 Apr 2019
## LINKS
[1] /Bauhaus/!t5021156
[2] /Essay-zum-100-Bauhaus-Jubilaeum/!5589177
## AUTOREN
Thomas Winkler
## TAGS
Bauhaus Jubiläum 2019
Bauhaus
Fotografie
Hamburg
Kunst
Fotografie
Kunstausstellung
zeitgenössische Fotografie
Bauhaus Jubiläum 2019
Bauhaus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Fotografien aus New York und Hamburg: Mehr als die Wirklichkeit
Echtes Interesse am Motiv: Eine Braunschweiger Ausstellung präsentiert den
Fotografen, Fotografie-Lehrer und Architekten Andreas Feininger.
Ausstellung Lyonel Feininger in Berlin: Mit Volldampf gezeichnet
Berlin ist ein Witzblatt, Berlin ist ein stiller Hinterhof. Lyonel
Feininger hatte ein Auge für beides. Eine Ausstellung im Prenzlauer Berg.
Wiederentdeckte Fotografin: Die Dunkelkammer am Damenzimmer
Ein aktueller Bildband würdigt die 1933 früh verstorbene Fotografin Aenne
Biermann. Deren Werk entzweite seinerzeit die Museumsleiter im Norden.
Kritische Bauhaus-Ausstellung: Die Puppe bricht das Schweigen
Die Ausstellung „Weissenhof City“ in Stuttgart handelt von Wohnraum,
Nationalismus – und davon, wie politisch neutral Kunst sein kann.
Fotoausstellung in der Urania: Zwischen Himmel und Erde
„Life in Cities“: Was als Retrospektive begann, ist durch den plötzlichen
Tod des Fotografen Michael Wolf zum künstlerischen Nachruf geworden.
Essay zum 100. Bauhaus-Jubiläum: Bau der Zukunft
Neue Produktionsmittel, alte Eigentumsverhältnisse? Über das
sozioökonomische Reflexionsdefizit des Bauhauses und dessen Aktualität.
Kunstpädagogik und Bauhaus: Der Bauhäusler
Die Ausstellung „Alfred Ehrhardt – Malerei, Zeichnung, Grafik“ ist der
Beitrag der gleichnamigen Stiftung zum Bauhaus-Jubiläum.
Diskussion im Jubiläumsjahr: Wie politisch ist das Bauhaus?
Auf einer Podiumsdiskussion in Berlin wird die Annäherung an den
politischen Kern des Bauhauses versucht. Das gelingt nur in Teilen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.