# taz.de -- Neues Ankunftszentrum für Flüchtlinge: Hangar hat ausgedient | |
> Ab 29. April 2019 werden neu ankommende Flüchtlinge auf Klinikgelände in | |
> Reinickendorf untergebracht. Doch die grundsätzliche Kritik bleibt. | |
Bild: Solche Bilder gibt es dann künftig nicht mehr aus den Hangars im ehemali… | |
Flüchtlinge, die neu nach Berlin kommen und hier Asyl beantragen wollen, | |
müssen sich ab kommenden Montag in Haus 2 auf dem Gelände der früheren | |
Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Reinickendorf melden. Dies teilte das | |
zuständige Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) kurz vor Ostern | |
mit. Das umstrittene Ankunftszentrum in einem Hangar des ehemaligen | |
Flughafen Tempelhof hat dann endgültig ausgedient. | |
Künftig werden Geflüchtete für die ersten Tage in zwei Gebäuden auf dem | |
früheren Klinikgelände untergebracht. Hier findet auch die medizinische | |
Erstuntersuchung statt. Derzeit wird noch ein Neubau errichtet, der Ende | |
des Jahres fertig sein soll. Dann sollen auch Registrierung und | |
polizeiliche Überprüfung der Flüchtlinge in Reinickendorf stattfinden. | |
Bislang geschieht dies im zweiten Ankunftszentrum Bundesallee | |
(Wilmersdorf), wo neben Jobcenter und Ausländerbehörde auch das Bundesamt | |
für Flüchtlinge und Migration (Bamf) sitzt, das die Asylverfahren | |
durchführt. Ob langfristig geplant ist, dass auch das Bamf in das neue | |
Ankunftszentrum umzieht, ist laut einer LAF-Sprecherin noch nicht | |
entschieden. | |
Nach dem Abschluss der Registrierungsphase inklusive medizinischer | |
Erstuntersuchung, die laut LAF zwischen 3 und 5 Tage dauert, werden | |
Geflüchtete entweder auf andere Bundesländer verteilt oder in eine Berliner | |
Erstaufnahmeeinrichtung verwiesen – und von dort nach einigen Wochen | |
wiederum in eine Gemeinschaftsunterkunft. Wichtigster Unterschied: In | |
letzteren Heimen können die Menschen selber kochen – für viele ein Stück | |
Freiheit und Selbstbestimmung. | |
Der Hangar war im Herbst 2016 als Ankunftszentrum eröffnet und seither | |
scharf kritisiert worden, da die Menschen in der Flugzeughalle in nach oben | |
offenen „Wohnwaben“ ohne Privatsphäre leben mussten. Sozialsenatorin Elke | |
Breitenbach (Linke) hatte wiederholt erklärt, die Einrichtung schließen zu | |
wollen. Seit Weihnachten wurden Neuankömmlinge bereits in die | |
Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne in Spandau zum Schlafen gebracht, im Hangar | |
fand nur noch die medizinische Untersuchung statt. | |
Die maximale Belegungszahl im neuen Ankunftszentrum beträgt 500 Personen. | |
Betreiberin ist wie schon im Hangar die Tamaja Berlin GmbH. In diesem Jahr | |
kamen bislang rund 1.700 Geflüchtete in Berlin ins Asylverfahren, | |
bundesweit waren es 33.000. Die drei Hauptherkunftsländer sind derzeit | |
Syrien, Nigeria und Irak. | |
Kommentar von Susanne Memarnia zum neuen Ankunftszentrum: | |
Die grundsätzliche Kritik bleibt | |
Dass der Hangar im ehemaligen Flughafen Tempelhof als Ankunftszentrum für | |
Flüchtlinge nun endgültig passé ist, ist durchaus zu begrüßen. Seit er vor | |
über zwei Jahren eröffnet wurde, weisen Flüchtlingsinitiativen darauf hin, | |
dass man Menschen in riesigen Flugzeughallen nicht würdig unterbringen | |
kann. Zwar musste dort seit Weihnachten nur noch im Ausnahmefall jemand | |
schlafen, aber auch das Ausweichquartier in der Kaserne in Spandau war | |
wegen des schlechten Gebäudezustands alles andere als optimal. | |
Die grundsätzliche Kritik an Ankunftszentren bleibt jedoch bestehen. Zum | |
einen: Was soll überhaupt das Verschieben der Flüchtlinge von einem Heim | |
ins nächste? Erst ein paar Tage Ankunftszentrum, dann ein paar Wochen | |
Erstaufnahmeeinrichtung (mit Vollverpflegung), dann in die | |
Gemeinschaftsunterkunft (mit Küchen zur Selbstversorgung). | |
Eigentlich hätte das Ankunftszentrum, das es erst seit September 2016 gibt, | |
die Erstaufnahmeeinrichtungen überflüssig gemacht. Denn der Gesetzgeber | |
sagt nur, „bis zu sechs Wochen“ müssen Asylbewerber „in der für ihre | |
Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung“ wohnen. Das heißt, sie könnten | |
schon nach ein paar Tagen direkt in eine Unterkunft umziehen, wo sie kochen | |
und sich wenigstens etwas freier fühlen könnten. | |
## Nahe am „Ankerzentrum“ | |
Kritisch zu hinterfragen bleibt auch ganz grundsätzlich die Idee eines | |
Zentrums, in dem alle Behörden und Organisationen versammelt sind, die für | |
Asylverfahren zuständig sind. Das mag praktisch sein, doch der Verdacht | |
liegt nahe, dass es auch darum geht, die Asylbewerber schön beisammen und | |
unter Kontrolle zu halten – Stichwort Seehofers „Ankerzentren“. Die will | |
der Senat eigentlich nicht, heißt es immer – und Ankunftszentren seien | |
keine Ankerzentren, da sie eben nicht für das ganze Verfahren gelten. | |
Aber: Immer mehr Asylverfahren dauern in der Tat nur noch wenige Tage. Das | |
Interview beim Bamf kommt inzwischen oft schon wenige Tage nach der | |
Registrierung – und manchmal auch kurz danach schon die prompte | |
Entscheidung. Gerade Berlin ist hinsichtlich dieser „Schnellverfahren“, die | |
man so nicht nennen will, bundesweiter Vorreiter. Zeit, sich einen Anwalt | |
zu suchen, sich vernünftig beraten zu lassen, vielleicht Atteste | |
beizuholen, die eine Traumatisierung bestätigen, haben Flüchtlinge in | |
diesen Schnellverfahren nicht. Flüchtlingsinitiativen fordern daher, die | |
Asylverfahren wieder zu entschleunigen. Verwaltungstechnisch mag Effizienz | |
höchstes Gut sein, menschenrechtlich gesehen ist ein gerechtes, gründliches | |
und objektives Verfahren wichtiger. | |
Die Menschen erst einmal ankommen lassen, ihnen Zeit geben, sich zu | |
sammeln, sich Rat und Hilfe zu holen, sie nach ein paar Wochen dem Bamf für | |
das Interview „zuführen“, und ihnen dann direkt eine gescheite Unterkunft | |
statt der Erstaufnahmeeinrichtung geben – so könnte Berlin leicht beweisen, | |
dass es wirklich gegen Ankerzentren ist und das Ankunftszentrum nicht die | |
erste Stufe auf dem Weg dorthin sein soll. | |
24 Apr 2019 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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