| # taz.de -- Machtkampf im Sudan: 30 Jahre Macht und Leid | |
| > Seit 1989 herrschte Diktator Omar Hassan al-Bashir über den Sudan. Der | |
| > Region brachte er eine Hungersnot und Millionen Tote. | |
| Bild: Vom Militär weggeputscht: der sudanesische Ex-Präsident Omar al-Bashir | |
| Kein lebender Herrscher der Welt hat so viele Menschenleben auf dem | |
| Gewissen wie Omar Hassan al-Bashir: Die zwei Millionen Toten des | |
| Südsudan-Befreiungskrieges, der 2005 nach über zwanzig Jahren Gemetzel und | |
| Hungersnöten mit der Einleitung der Unabhängigkeit dieses Landesteils zu | |
| Ende ging; die mindestens 300.000 Toten des Völkermordes in Darfur, wo | |
| regimetreue Milizen ab 2003 über Jahre hinaus systematisch missliebige | |
| Ethnien verjagten und umbrachten. Bashir war und ist der einzige Staatschef | |
| der Welt, den der Internationale Strafgerichtshof mit Haftbefehl sucht. | |
| Seine dreißig Jahre an der Macht sind [1][dreißig Jahre Leid für sein | |
| Land]. | |
| Als Soldat der ägyptischen Armee begann der 1944 nördlich von Khartum | |
| geborene Bashir seine Karriere, die ihn unter anderem 1973 an die Front | |
| gegen Israel beim Yom-Kippur-Krieg führte. Nachdem er im Südsudan | |
| Kampferfahrung als Fallschirmspringer gesammelt hatte, hievte er sich am | |
| 30. Juni 1989 in Khartum an die Macht, als das Militär im Bündnis mit | |
| Sudans Islamisten die demokratisch gewählte Regierung von Sadiq al-Mahdi | |
| stürzte. | |
| Diese „Rettungsrevolution“ sollte nach dem Wunsch ihrer Urheber das einst | |
| ägyptische „Land der Schwarzen“ – die arabische Bedeutung des Landesname… | |
| Sudan – zurück auf den rechten Weg führen. Als ein Land der Araber und der | |
| Muslime, das die islamisch-arabische Zivilisation den Nil hinaufträgt und | |
| den nichtarabischen schwarzen Völkern den ihnen gebührenden minderwertigen | |
| Platz zuweist. Was früher der Sklavenhandel nach Süden und die Unterjochung | |
| einheimischer Fürstentümer wie in Darfur bewerkstelligte, war unter Bashir | |
| und seiner Clique von Generälen die Aufgabe des Militärs, islamischer | |
| Massenorganisationen und ihrer Milizen und eines rassistischen | |
| Staatsapparats, für den Menschenleben nicht zählen. | |
| ## Protestbewegung kostet ihn das Amt | |
| Gemessen an diesem Anspruch ist Bashir gescheitert. Er verlor den Südsudan, | |
| der sich die Freiheit erkämpfte und 2011 unter Führung seiner | |
| Befreiungsorganisation SPLA (Sudan Peoples Liberation Army) die | |
| Unabhängigkeit errang. Er verlor die Islamisten, die unter Hassan al-Turabi | |
| seinen Putsch mitorganisiert hatten und später mit ihm brachen, ohne ihm je | |
| wirklich gefährlich werden zu können. Er wurde zum internationalen Paria, | |
| als der Internationale Strafgerichtshof 2009 gegen ihn Haftbefehl wegen | |
| Völkermordes in Darfur erließ. Und jetzt, nach vier Monaten Dauerprotest | |
| und Volksaufstand, rührt kein ausländischer Verbündeter einen Finger, um | |
| ihn zu schützen. | |
| Doch Bashir hat sich erstaunlich gut gehalten, gemessen an manchen | |
| Erwartungen. Nach der Sezession Südsudans blieb der Restsudan geeint: dafür | |
| sorgte der Terror in Darfur, der verhinderte, dass bewaffnete Aufständische | |
| in verschiedenen Landesteilen zusammenfanden. Südsudan hingegen ist im | |
| Dauerkrieg versunken. Der Bruch mit den Islamisten nützte Bashir, indem er | |
| ihn international als Kämpfer gegen den Terror hoffähig machte; sein | |
| Sicherheits- und Geheimdienstapparat ist ein verlässlicher Partner des | |
| Westens wie auch des Ostens und der arabischen Welt. Der Den Haager | |
| Haftbefehl war für ihn zugleich die ideale Bühne, um sich und sein Land als | |
| Opfer eines internationalen Komplotts darzustellen und vor allem in Afrika | |
| als unbeugsamer antiwestlicher Patriot aufzutreten. Die Protestbewegung | |
| gegen ihn hat ihn jetzt zwar das Amt gekostet, aber zugleich zeigt sie, | |
| dass die Macht im Sudan weiter aus den Gewehrläufen kommt und die Armee | |
| entscheidet, wer regiert. Bashirs Erbe ist vorerst intakt. | |
| Wie eine wahre Demokratisierung Sudans aussehen könnte, ist nach Bashir | |
| genauso unklar wie davor. Das Selbstverständnis des sudanesischen Staates | |
| als ein gegen die eigene Bevölkerung gerichtetes Eroberungsinstrument | |
| gehört insgesamt auf den Prüfstand, aber alle mächtigen politischen und | |
| ökonomischen Akteure im Land würden dann die eigene Überlebensgrundlage | |
| verlieren. Klar ist nur, dass dieser Staat so nie zur Ruhe finden wird. | |
| Bashir ist nun schon der dritte sudanesische Präsident, der per Putsch an | |
| die Macht kam und sie per Putsch wieder verliert. Es besteht wenig Grund | |
| zur Annahme, dass dieser Zyklus jetzt unterbrochen wäre. | |
| 12 Apr 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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