Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- SPD-Parteikonvent in Berlin: Kein einfaches Manöver
> Die SPD will in Europa Steuergerechtigkeit gegen Facebook und Co
> erkämpfen. Schwierig, wenn der eigene Finanzminister auf die Bremse
> tritt.
Bild: Parteichefin Nahles hält eine krachende Rede, EU-Spitzenkandidatin Barle…
Berlin taz | „Die EU ist ein wahr gewordener Traum von Frieden, Freiheit
und Gerechtigkeit“, ruft Parteichefin Andrea Nahles. Knapp 210 Delegierte
feiern sie dafür im Berliner Congresscenter am Alexanderplatz. Die Stimmung
ist gut. Der Parteikonvent fixiert im Schnelldurchlauf und in nur vier
Stunden das Programm der SPD für die Europawahl.
Nahles skizziert nochmal die bekannte SPD-Erzählung: Für das Gute, für
Europa, gegen die Nationalisten, gegen Orban, Salvini und Gauland, die „das
Rad zurückdrehen wollen“. In der Sozialdemokratie fließe das „Herzblut“
(Nahles' Wort) für Europa. Die SPD ist Garant der Erfolgsgeschichte EU, ein
Bollwerk gegen die Rechten, so das Bild.
Der SPD-Hashtag heißt „Europa ist die Antwort“. Da schwingt etwas von
Glaubensbekenntnis mit, ein Hauch von Sakralisierung, von „Jesus ist die
Antwort“. Nahles ist gut in Form, ihre Rede eine schwungvolle Tour
d'horizon, um der Partei Mut zu machen. Sie erntet spontanen Applaus, als
sie Hubertus Heils Grundrente lobt und Söders Rentenmodell verdammt.
„Wir machen da keine Kompromisse“, ruft sie. An den Satz wird man sich
erinnern, wenn Heil das Grundrente-Gesetz vorstellt. Denn der Verzicht auf
eine Armutsprüfung, den die SPD will, steht nicht im Koalitionsvertrag. Und
die Union sperrt sich. Dass die SPD vorab jeden Kompromiss ausschließt, wie
Nahles es tut, ist daher eine kühne Ankündigung.
## Die Junge Union als Schmutz
Die SPD-Chefin erwähnt, dass im Congresscenter vor ein paar Tagen die Junge
Union getagt hat. [1][Die JU hatte einen neuen rechtsdrehenden Chef
gewählt] und plump gegen Jusos gefeuert. „Es ist gut gewischt worden“, ruft
Nahles. In dieser Metapher wird die JU Schmutz, der zu beseitigen war.
Stilsicherheit zählt noch immer nicht zu den Stärken der SPD-Chefin.
Nahles hält eine krachende Rede, Katarina Barley wählt eher die Tonalität
der Volkshochschule. Kühler, mit dosierten Wir-gegen-die Bildern. Barley,
Spitzenkandidatin der SPD für die EU-Wahl am 26. Mai, spricht die beiden
heiklen Punkte an: den Uploadfilter und Steuern. Beim Uploadfilter ist der
Konsens schnell gefunden: Die SPD will Uploadfilter verhindern und setzt,
um Urheberrechte zu schützen, auf Bezahlmodelle.
Kniffliger ist es bei den Steuern für Internetkonzerne. Die sind neben
einem regional angepassten Mindestlohn in der EU die hervorstechende
konkrete Idee für den Wahlkampf „Wer Milliardenerträge erwirtschaftet, muss
angemessen besteuert werden“, so heißt es im Leitantrag. Udo Bullmann, Chef
der sozialdemokratischen Fraktion im EP, warnt energisch „vor den vier den
apokalpytischen Reitern Facebook, Google, Apple, Amazon“.
## SPD will Internetkonzernsteuer
Doch Finanzminister Olaf Scholz hat bei der EU-Digitalsteuer auf die Bremse
getreten. Frankreich will eine Steuer für Internetkonzerne – [2][Scholz
blockte ab]. Auch weil er fürchtet, dass [3][Trump auf Besteuerungen] von
Facebook und Co. mit Steuern für deutsche Autos reagieren kann. Der
SPD-Kompromiss versucht dem vorsichtigen Scholz-Kurs zu folgen und trotzdem
Steuern für Internetkonzerne als glaubwürdiges Ziel der SPD für Europa zu
inszenieren. Ein heikler Spagat.
Die SPD will nun eine Internetkonzernsteuer in der OECD durchsetzen. Falls
das misslingt, will man bis Anfang 2021 die Digitalsteuer in der EU
durchsetzen. „Wir werden nicht zulassen, dass sich die (digitalen) Multis
der gerechten Besteuerung entziehen“, so der Beschluss. Allerdings nicht
jetzt, später. Vor allem NRW-Abgeordnete hatten versucht, möglichst
weitgehende Formulierungen für die Digitalsteuer durchzusetzen.
Den leicht veränderten Antrag des Parteivorstands zu „Interantionale
Steuergerechtigkeit und fairer Wettbewerb“ nimmt der Konvent an. Ohne
Gegenstimme. Und ohne Debatte.
23 Mar 2019
## LINKS
[1] /Deutschlandtag-der-Jungen-Union/!5580893
[2] /Digitalsteuer-steht-vor-dem-Aus/!5553076
[3] /Krach-um-Digitalsteuer/!5580338
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Digitalsteuer
Schwerpunkt Europawahl
SPD
Andrea Nahles
Katarina Barley
Digitalsteuer
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Urheberrecht
Schwerpunkt Europawahl
EU-Urheberrechtsreform
Schwerpunkt Urheberrecht
Große Koalition
## ARTIKEL ZUM THEMA
Besteuerung von Internetkonzernen: Europa notfalls im Alleingang
Frankreich und die USA haben sich auf eine Digitalsteuer geeinigt. Nun will
EU-Kommissarin Vestager eine Abgabe für Google & Co auf den Weg bringen.
Facebook und Co. sollen Abgaben zahlen: Frankreich stimmt für Digitalsteuer
Die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung votieren für eine
Steuer für Internetriesen. Diese soll sogar rückwirkend greifen.
Protest gegen Uploadfilter: 160.000 Bots auf deutschen Straßen
In rund 20 EU-Ländern haben Menschen für ein modernes Urheber*innenrecht
und gegen die geplante Reform der EU demonstriert.
Kommentar SPD vor der Europawahl: Macht geht vor Debatte
Die SPD hätte angesichts der rechten Regression der Union gute
Voraussetzungen bei der Europawahl. Allerdings nur auf den ersten Blick.
Livestream von der Demo in Köln: Protest gegen neues EU-Urheberrecht
Das Europaparlament will am Dienstag über die Reform des Urheberrechts
entscheiden. Kritiker fürchten Zensur – und machen in vielen Städten mobil.
Proteste gegen Uploadfilter: Demos vor Straßburger Entscheidung
Am Dienstag stimmt das EU-Parlament über das neue Urheberrecht fürs
Internet ab. Europaweit gehen Kritiker*innen dagegen auf die Straße.
Kommentar Ein Jahr Große Koalition: Diese verdammte Pflicht
Die Große Koalition ist keineswegs besser als ihr Ruf. Im Gegenteil, sie
wirkt erschöpft, pfeift auf dem letzten Loch – und muss doch weitermachen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.