# taz.de -- Kommentar SPD vor der Europawahl: Macht geht vor Debatte | |
> Die SPD hätte angesichts der rechten Regression der Union gute | |
> Voraussetzungen bei der Europawahl. Allerdings nur auf den ersten Blick. | |
Bild: Das Reflexive liegt Katarina Barley – sie müsste es nur bei den EU-Wah… | |
Die SPD [1][vor der Europawahl] erscheint wie ein Vexierbild. Schaut man | |
geradeaus sieht man: eine Spitzenkandidatin, die unangestrengt das | |
Europäische verkörpert. Katharina Barley kann das Reflexive besser als | |
Bierzelt und Parteiprosa – und passt damit in die Zeit. Der Aufstieg der | |
Rechtspopulisten beschert der SPD ein dankbares Feindbild und | |
sinnstiftendes Selbstbewusstsein. Und die zentralen Forderungen – | |
europaweite, regional angepasste Mindestlöhne und Besteuerung von | |
Digitalkonzernen – sind einleuchtend. Die EU darf nicht bloß der deutschen | |
Exportindustrie und gut Ausgebildeten nutzen. | |
Zudem ist in Berlin die Post-Merkel-Zeit angebrochen. Kramp-Karrenbauer ist | |
europapolitisch, freundlich gesagt, ohne Ehrgeiz. Der neue Junge-Union-Chef | |
wirkt wie ein Zeitreisender, den es aus den 70er Jahren nach 2019 | |
verschlagen hat. Auf der Folie der rechten Regression der Union wirkt die | |
SPD strahlend. | |
Wenn man dieses Bild etwas kippt, sieht die Sache anders aus. Ist [2][der | |
Linksschwenk der SPD] dauerhaft ist oder nur ein aus Not geborenes | |
rhetorisches Manöver? Andrea Nahles umjubelte Ankündigung, die SPD werde | |
bei der Grundrente keinen Kompromiss mit der Union eingehen, schürt die | |
Zweifel eher. Denn genau das wird die SPD schon bald tun – es sei denn sie | |
jagt die Große Koalition in die Luft. Und das will niemand in der | |
Parteispitze. Auch Udo Bullmanns Versprechen, nach der Europawahl nicht wie | |
üblich im Hinterzimmer eine Große Koalition mit der EVP auszudealen, (falls | |
es dazu noch reicht) kann man glauben – oder auch nicht. | |
Zweifel schürt auch die gespenstisch geräuschlose Art wie der Parteikonvent | |
Olaf Scholz kalte, skeptische Realpolitik in Sachen Digitalsteuer und die | |
hochfliegenden Ziele der Partei in Formelkompromissen verbuddelte. Es gab | |
darüber noch nicht mal eine Debatte. Der Konvent war eine halbe Stunde | |
früher als geplant zu Ende. | |
Stimmt schon: Eine scharfe Kontroverse mit dem Finanzminister über die | |
Digitalsteuer wäre als Wahlkampfauftakt suboptimal gewesen. Aber das ist | |
die Logik einer Regierungspartei: Macht geht vor Debatte. Skeptische | |
Ex-SPD-WählerInnen gewinnt man so kaum zurück. | |
24 Mar 2019 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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