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# taz.de -- Phosphatgewinnung in Togo: Die gelbe Gefahr
> Das afrikanische Land verdient kräftig an der Förderung von Phosphat. Die
> Schäden für Mensch und Umwelt sind jedoch enorm.
Bild: Die Phosphatgewinnung verseucht in Togo das Meereswasser bis zu den Küst…
Kpémé/Brüssel taz | Wenn der Himmel verhangen ist, sieht es aus wie Sand,
den die Brandung aufspült. Aber wenn die Sonne die Wolken über der Küste
von Kpémé durchbricht, dann kippt der Farbton des Meeres in ein unnatürlich
leuchtendes Senfgelb. Hier, eine Stunde östlich von Togos Hauptstadt Lomé,
liegt die Société Nouvelle des Phosphates du Togo (SNPT), eine der größten
Phosphatfabriken Afrikas. Ringsherum stehen an diesem Morgen Landarbeiter
in grünen Feldern. Das Fabrikgelände umgibt eine hohe Mauer, über die
verfallene Hallendächer ragen.
Hinein führt eine Bahnlinie, alle 50 Minuten rollt ein Zug mit 900 Tonnen
orangefarbenem Erz in das Fabrikgelände, insgesamt 25.000 Tonnen jeden Tag.
Seit Jahrzehnten fräsen Bagger den Stoff aus zwei Tagebauen im
Landesinneren. Hinaus ins Meer führt ein mehr als einen Kilometer langer
Damm. Jeden Tag schiebt ein Förderband darüber rund 4.000 Tonnen
Kalziumphosphatmischung aus der Fabrik. Am Ende rieselt es in die Bäuche
großer Schüttgutfrachter, die es nach Uruguay, Indien oder auf die
Philippinen bringen, wo es zu Dünger oder Reinigungsmittel
weiterverarbeitet wird.
Firmensprecher Koffi Pannou versucht es zu erklären. Im Innern der
Fabrikmauern hat er eine Art Showroom aufgebaut: Ein Modell der Fabrik,
Karten der beiden Tagebaue, zwei Reihen Kinosessel für Gäste, denen er ein
Werbevideo vorführt. Die Kennziffern der Produktion rattert er herunter,
wohl Tausende Male hat Pannou sie schon referiert, im nächsten Jahr geht er
in Rente. Wegziehen will er dann nicht: „Mein Haus steht hier ganz in der
Nähe.“
„Unser Phosphat hat die beste Qualität weltweit“, sagt er. Die Mine ist ein
wichtiger Wirtschaftsfaktor für das Land. Rund eine Million Tonnen Phosphat
exportiert Togo im Jahr, bald soll es wieder das Dreifache sein, der
Weltmarktpreis schwankt stark, aber in guten Zeiten seien umgerechnet bis
zu 350 Euro die Tonne drin, sagt Pannou.
Das gelbgraue Pulver, das die Fabrik verlässt, ist gereinigtes
Kalziumphosphat. Das Erz, das hineingeht, ist eine Mischung aus Erde und
dem Mineral Apatit, das auch Eisen und Chlorid enthält. Es wird in der
Fabrik gewaschen, getrocknet, auf 800 Grad erhitzt, und mit großen Magneten
wird das Eisenoxid herausgelöst.
„Allein mit Süßwasser könnten wir nicht waschen“, sagt Pannou. „Wir
bräuchten zu viel davon.“ Also wird zuerst mit Salzwasser gespült, das
danach wieder ins Meer geleitet wird. „Deswegen ist es hier so golden“,
sagt Pannou. Es enthalte „Phosphatfeinstoffe in kleinen Mengen“. Ist das
ein Umweltproblem, gefährlich für die Anwohner oder die Arbeiter? „Wir
färben das Wasser“ sagt er. „Gut ist das nicht, aber hier sagen wir: Wer
Omeletts will, muss Eier zerschlagen.“ Das Wasser wird nur gefärbt? „Wir
leiten keine chemischen Mittel ein. Täten wir das, würden ja die Fische
sterben. Aber es gibt hier viele Fische und alle hier essen sie.“
Satchibou Issaou arbeitet seit 1996 in der Fabrik, seit einigen Jahren ist
er Betriebsratsvorsitzender. Während Pannou seinen Vortrag über die Fabrik
hält, ist er mit im Raum. „Komm mit“, sagt Issaou am Ende. „Ich erzähl …
auch noch was. Aber nicht hier.“ Rund einen Kilometer weiter, am südlichen
Ende des Betriebsgeländes, gibt es eine Art Terrasse neben den Wohnblocks
für die Fabrikarbeiter. 1.300 Menschen beschäftigt die Phosphatgesellschaft
direkt, dazu kommen laut Pannou etwa 700 Leiharbeiter.
„Wir dürfen keine Demos machen, aber wir dürfen streiken“, sagt Issaou.
43.000 CFA-Francs (65 Euro) verdiene ein einfacher Arbeiter im Monat, mit
Zuschlägen kommt er am Ende umgerechnet auf etwa 100. Die Beschäftigten
fordern das Doppelte. Immer wieder hat Issaou Streiks angeführt, den
letzten vor einigen Monaten. Vor allem aber gehe es ihnen um die
Sicherheit. „Die elementarsten Regeln werden hier nicht eingehalten“, sagt
er. „Arbeitsschutz und Sicherheit spielen hier keine Rolle.“ 12 bis 15
schwere Unfälle gebe es im Jahr in den Minen und der Fabrik. Zuletzt kam im
Juni 2018 der Arbeiter Kossi Marcelin Kpevon ums Leben.
## Die Schäden beschränken sich nicht nur auf die Anwohner
„Und natürlich ist die Fabrik ein Umweltproblem“, sagt er. Zuletzt hätten
Ärzte 2012 die Beschäftigten untersucht. Das Ergebnis: „Alle hatten
Augenprobleme, wegen des Phosphatstaubs“, sagt Issaou. „Wir haben eine
Untersuchung vom Gesundheitsministerium angefordert.“ Doch die habe es
bislang nicht gegeben. Schließlich sei die Mine in Staatsbesitz.
Wissenschaftler von der Universität in Lomé hätten vor Kurzem die Bewohner
von Kpémé untersucht. „Die Mehrheit der Menschen hatte Probleme mit den
Augen und den Zähnen.“ Für Issaou ist klar, dass dies eine Folge der
Phosphatemissionen ist.
Die mutmaßlichen Schäden sind nicht auf die Anwohner beschränkt. Schon im
Jahr 2007 stellte ein UN-Bericht fest, dass sich im Meer ein 500 Meter
gelbgefärbter Wasserteppich je nach Stärke der Strömung bis zu 250
Kilometer nach Osten ausdehne, an der Küste Benins entlang bis vor die
Küste Nigerias. Die Fische und Meerestiere hätten höhere Cadmium- und
Bleiwerte als von der WHO erlaubt.
Das Fischereiforschungszentrum von Grand Popo in Benin hat schon vor
mehreren Jahren im Meereswasser einen Phosphatgehalt von 2,28 Milligramm
pro Liter festgestellt – der erlaubte Grenzwert, dessen Überschreitung zur
Überdüngung des Wassers und damit zur Algenausbreitung und Erstickung des
maritimen Ökosystems führt, liege bei 0,03. Die Fischer müssten sechs
Kilometer aufs Meer hinausfahren, um überhaupt noch einen nennenswerten
Fang zu bekommen.
Eine Sanierung der Fabrik wäre möglich – wird aber von Togos Behörden
abgeblockt. Zwar schaltete im Auftrag von Togos Umwelt der Geologe Kissao
Gnandi, der an der Universität Erlangen den Doktortitel erworben hat, die
rheinland-pfälzische Abwassertechnikfirma AWAS ein, die im Mai 2018 die
Fabrik in Togo besuchte, Proben entnahm und Gespräche auf Regierungsebene
führte. Der Afrikabeauftragte von AWAS, Christof Hoyler, begleitete
Firmenchef Heinz Ihne zu Verantwortlichen der SNPT, der Ministerien für
Umwelt und Bergbau sowie zur Präsidentschaft. Im August unterbreiteten sie
Togos neuem Umweltminister David Oladokoun Wonou einen Vorschlag für eine
Wasseraufbereitungsanlage, mit einem Pilotprojekt von 465.000 Euro und
einer späteren industriellen Anlage im Wert von 10 Millionen. Um diese
Investitionen zu finanzieren, brauchte AWAS aber eine Beteiligung des
togoischen Staates – und die gab es nicht.
Wenn Togo nicht offiziell hinter dem Projekt steht, kann es nicht umgesetzt
werden. Auf taz-Anfrage teilt SNPT-Vorstandschef Ignace Anani Clomegah mit,
das AWAS-Projekt sei unzureichend, denn nach der Aufbereitung des Wassers
müssten die aus dem Wasser extrahierten Verunreinigungen ja noch entsorgt
werden, und dafür liege kein Konzept vor: „Solange dafür keine Lösung
gefunden wird, bleibt das Problem der Umweltverschmutzung bestehen, da die
aus der Wasseraufbereitung gewonnen Abfälle weiterhin ins Meer geleitet
werden.“ Das ist auch, nebenbei, ein Eingeständnis.
Phosphat ist in Togo mehr als nur einer der wichtigsten Wirtschaftszweige.
Der Beginn des Phosphaterzabbaus in Togo fällt etwa mit der Unabhängigkeit
des Landes 1960 zusammen; unter dem langjährigen Diktator Gnassingbé
Eyadéma, Vater des seit 2005 regierenden heutigen Präsidenten Faure
Gnassingbé, wurde der Sektor im Jahr 1974 verstaatlicht und zur
strategischen Familienaffäre gemacht. Mba Kabassema, der frühere Leiter der
staatlichen Phosphatfirma OTP (Office Togolais de Phosphate), Vorläufer der
SNPT, enthüllte in einem Buch, dass damals ein Drittel der Einnahmen aus
dem Phosphat direkt an den Präsidenten und seinen marokkanischen
Wirtschaftsberater Maurice Assor gingen.
Viel scheint sich daran nicht geändert zu haben. Nach Angaben des im
benachbarten Ghana entstandenen Rechercheverbands [1][„African
Investigative Publishing Collective“] hat Präsident Gnassingbé die
faktische Leitung der SNPT zwei Geschäftsleuten mit doppelter
marokkanischer und israelischer Staatsbürgerschaft übertragen: Raphael
Edery und sein Sohn Liron. Sie tauchten nicht im offiziellen Organigramm
der Firma auf, seien aber die faktischen Entscheider und verkauften 90
Prozent des togoischen Phosphats nach Indien, zu einem Vorzugspreis 10
Prozent unter dem Weltmarktpreis.
Der Käufer: die indische Kalyan-Gruppe, die Ashok Gupta gehört – einer der
Geschäftsleute der Gupta-Familie, deren Aktivitäten in Südafrika dort
massive Korruptionsaffären hervorgebracht haben. Kalyan investiert in Togo
nun zu Vorzugsbedingungen in Lieblingsprojekte des Präsidenten wie ein
neues Luxushotel, Palmölplantagen und Hühnerzucht. Es ist also nicht nur
das Wasser, das in Togo saniert werden müsste.
2 Apr 2019
## LINKS
[1] https://www.investigativecollective.com/
## AUTOREN
Christian Jakob
François Misser
## TAGS
Afrika
Togo
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Umweltverschmutzung
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