# taz.de -- Kommentar Trumps Nahost-Politik: Schweigen zum Golan | |
> Der US-Präsident hat entgegen internationalem Recht Israels Souveränität | |
> über den Golan anerkannt. Warum die Reaktionen so verhalten ausfallen. | |
Bild: Klares Statement auf den Golan-Höhen | |
Obwohl die neuere Geschichte des Nahen Ostens chaotisch und turbulent ist, | |
gab es darin immer einige feste Größen. Eine davon war, dass die | |
israelischen Besetzung der syrischen Golanhöhen 1967 und deren Annektierung | |
1981 international nicht anerkannt wird, weil sie bindende UN-Resolutionen | |
bricht und internationalem Recht widerspricht. Doch das sind Größen, um die | |
sich US-Präsident Donald Trump wenig scherte, als er vor wenigen Tagen | |
offiziell die [1][israelische Souveränität über den Golan anerkannte]. | |
Hätte irgendein US-Präsident in den Jahrzehnten vor Trump die Golanhöhen | |
für israelisch erklärt, wäre der Aufschrei nicht nur in der arabischen Welt | |
groß gewesen. Die internationalen Medien hätten wochenlang über nichts | |
anderes geredet. Doch heute erstrecken sich die Reaktionen auf wenig | |
dramatische Routine. | |
Bei einem [2][Treffen des UN-Sicherheitsrats] ist die US-Position | |
erwartungsgemäß isoliert geblieben. Und auch die 28 Mitglieder der EU | |
erklärten gemeinsam, dass sich an der EU-Position nichts geändert habe und | |
die Europäer eine israelische Souveränität über den Golan nicht anerkennen | |
würden. Die Verurteilung der Arabischen Liga ist ein Selbstläufer. Kurzum: | |
Die alten Positionen in Sachen Golanhöhen werden trotz des Ausscherens | |
Washingtons weltweit bestätigt. Ansonsten geht man wieder zu anderen | |
Tagesordnungen über. | |
Aber warum ist die Reaktion auf Trumps Frontalangriff auf eine bisher als | |
fest geglaubte Größe der Nahostdiplomatie so verhalten? Zum einen lässt | |
sich das sicher mit der Schwäche der arabischen Staaten erklären. Ein | |
Flächenbrand, wie er so oft in der Region befürchtet wurde, wird | |
ausbleiben, weil die Arabische Welt eine einzige politische Ruine ist. Und | |
einigen Golfstaaten mag eine israelische Souveränität über den Golan | |
insgeheim sogar lieber sein, solange das syrische Regime unter iranischem | |
Einfluss steht. | |
## Wasser auf den Mühlen der Radikalen | |
Die in den letzten Jahren zwischen Israel und einigen Golfstaaten | |
gepflegten Kontakte der Sicherheitsbehörden in Sachen Iran dürften | |
unangetastet bleiben. Wasser ist das Ganze nur auf den Mühlen der | |
Radikalen. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah schlug erwartungsgemäß in diese | |
Kerbe. Internationale Organisationen und internationales Recht könnten die | |
Rechte der Völker nicht wiederherstellen, das könne nur Widerstand, | |
erklärte er. Doch viel mehr diplomatische Verurteilung hat Trump nicht zu | |
befürchten. | |
Weniger offensichtlich ist der zweite Grund, warum Trumps Proklamation | |
keine hohen Wellen schlägt: Die USA werden in der Nahostregion immer | |
weniger ernst genommen. Eine Entwicklung, die nicht erst mit Trump begann. | |
Sie nahm mit dem gescheiterten George-W.-Bush-Projekt, die Region mit Hilfe | |
des Irakkriegs neu zu ordnen, ihren Anfang und reicht bis hin zum | |
Bürgerkrieg in Syrien, wo Washington das Feld Moskau und Teheran überlassen | |
hat. Der US-Einfluss befindet sich auf einem wenig geordneten Rückzug. | |
Auch mit Blick auf den israelisch-arabischen Konflikt hat sich die Rolle | |
der USA über die Jahrzehnte verändert. Bei der israelischen Besetzung der | |
Golanhöhen und bei dessen Annektierung herrschte noch Kalter Krieg. Der | |
Nahe Osten war klar aufgeteilt. Die Sowjetunion stellte sich hinter die | |
arabischen Positionen, die USA hinter die israelische. Mit dem Ende des | |
Kalten Kriegs blieb nur noch die Weltmacht USA übrig, und die versuchte | |
sich im Nahostkonflikt als „ehrlicher Makler“, ob beim Osloer | |
Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern oder bei der bei | |
Verhandlungen zwischen Israel und Syrien. | |
Richtig gelungen ist den USA die Vermittlerrolle aber nie, denn die | |
amerikanische Parteilichkeit für Israel ließ sich kaum verdecken. Mit Trump | |
hat die größte Weltmacht nun hochoffiziell für Israel und die | |
Netanjahu-Regierung Partei ergriffen, sei es durch den kontroversen Umzug | |
der Botschaft nach Jerusalem oder die Schließung der palästinensischen | |
Vertretung in Washington, die Streichung der US-Gelder für das UN-Hilfswerk | |
für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) oder die jetzige Anerkennung der | |
Golanhöhen als israelisch. | |
Nun könnte man argumentieren, dass die weltweit unaufgeregte Reaktion auf | |
Letzteres nicht der Schwäche der USA in der Region entspringt, sondern dem | |
Gegenteil. Als Vorsteher der letzten verbliebenen Großmacht und im Duo mit | |
Netanjahu schafft Trump einfach unumkehrbare Fakten. Dazu müssten die | |
geschaffenen Fakten allerdings in einem großen Ganzen enden, sonst bleiben | |
sie symbolisch. | |
## Der große Wurf | |
Nun ist seit Jahren die Rede davon, dass Trumps Schwiegersohn, Jared | |
Kushner, einen großen Wurf zur Lösung des Nahostkonflikts vorbereitet. | |
Trump selbst hat das geheimnisvoll als „Jahrhundertdeal“ angekündigt. Wenig | |
ist über den Inhalt bekannt. Meist wird spekuliert, dass der | |
Immobilienentwickler Kushner den Palästinensern mit Geld ihre Rechte | |
abkaufen will und ein paar politisch brisante nahöstliche Immobilienstücke | |
hin und her tauschen möchte. Finanzieren sollen das die Golfstaaten. | |
Falls die wenigen Inhalte, über die gemutmaßt wird, irgendeine reale Basis | |
haben sollten, gleicht der Jahrhundertdeal wohl eher einer Totgeburt. | |
US-Außenminister Mike Pompeo antwortete bei einer Anhörung vor einem | |
Komitee des US-Kongresses auf die Frage, wann Kushner den endlich so weit | |
sei: „Ich glaube in weniger als zwanzig Jahren.“ Dem folgte ein nervöses | |
Lachen und ein „Genauer will ich mich nicht äußern“. | |
Die Wahrheit ist: Um eine Lösung im Nahostkonflikt zu finden, braucht es | |
einen ehrlichen Makler. Die USA können es nicht sein. Die Europäer sind zu | |
schwach und werden in der Region kaum ernst genommen. Aber wer könnte es | |
stattdessen sein? Wer könnte verhandeln mit Israels Rechten, die festen | |
Glaubens sind, aus einer Position der Stärke heraus, historische Fakten zu | |
schaffen? Oder mit einem Konglomerat aus arabischen Despoten, die keine | |
nachhaltigen Lösungen finden werden, weil sie selbst nicht nachhaltig sind? | |
1 Apr 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Souveraenitaet-Israels-ueber-die-Golanhoehen/!5582505 | |
[2] /Sicherheitsrat-gegen-US-Entscheidung/!5584036 | |
## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
## TAGS | |
Lesestück Meinung und Analyse | |
USA | |
Israel | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Donald Trump | |
Golanhöhen | |
Jared Kushner | |
Mike Pompeo | |
Schwerpunkt USA unter Trump | |
Benjamin Netanjahu | |
Gaza-Krieg | |
USA | |
Golanhöhen | |
Schwerpunkt USA unter Trump | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Debatte Israel-Palästina: Trumps Schwiegersohn auf Irrwegen | |
Jared Kushner sieht in der Wirtschaftsförderung die Lösung für den | |
Nahost-Konflikt. Die politischen Knackpunkte ignoriert er. | |
Mike Pompeo cancelt Deutschland-Besuch: Die große Verstimmung | |
Kurz vor der geplanten Ankunft von US-Außenminister Pompeo in Berlin sagen | |
die USA ab. Die Begründung: „Dringende Angelegenheiten“. | |
Kommentar Streit um die Golanhöhen: Wer will, darf dazugehören | |
Die Nutznießer der Annexion des Golan sind dessen syrischen Bewohner. Für | |
sie bedeutet das: Kein Krieg, Mindesteinkommen, Krankenversicherung. | |
Ankündigung von Benjamin Netanjahu: Teile des Westjordanlands annektieren | |
Er wolle die Souveränität Israels auch auf das Westjordanland ausweiten, | |
sagt Israels Regierungschef Netanjahu. Die PLO zeigte sich wenig | |
überrascht. | |
Israel öffnet Grenzübergänge nach Gaza: Vier Tote an Protest-Jahrestag | |
Israel öffnet die Übergänge zu Gaza trotz neuer Raketenangriffe. Hamas | |
hatte erstmals Ordner mit Warnwesten bei Demo eingesetzt. | |
Sicherheitsrat gegen US-Entscheidung: 14:1 im Golan-Streit | |
Mit breiter Mehrheit lehnt der UN-Sicherheitsrat die US-Anerkennung der | |
israelischen Annexion der Golanhöhen ab. Selbst Großbritannien verurteilt | |
den Schritt. | |
Kommentar Annektierte Golanhöhen: Trumps Geschenk an Netanjahu | |
Ohne jede Not erkennt der US-Präsident wenige Wochen vor der Wahl in Israel | |
die israelische Souveränität über die besetzten Golanhöhen an. | |
Souveränität Israels über die Golanhöhen: Trump für Anerkennung | |
Nach 52 Jahren sollten die USA eine Souveränität Israels über die | |
Golanhöhen anerkennen, fordert US-Präsident Trump. Umgehend kommt Kritik an | |
dem Wunsch. |