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# taz.de -- Grüne vor Europawahlkampf: Schwarz-grüne Misstöne
> Die Grünen ärgern sich über CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer, die Schengen
> kritisiert. Was heißt das für Bündnisse in Brüssel oder Berlin?
Bild: Die Spitzenkandidaten Ska Keller und Sven Giegold werben für starke Grü…
Berlin taz | Der Star der Grünen für die Europawahlkampagne ist klein und
flauschig, er fällt durch seinen rostroten Bürzel auf. Der
Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner hebt im Innenhof der Berliner
Parteizentrale vorsichtig eine weiße Tafel weg, dahinter wird das Plakat
zum Klimaschutz sichtbar. Darauf sind vier Vögel zu sehen, einer davon ist
der Gartenrotschwanz. „Klimaschutz kennt keine Grenzen“, lautet der dazu
passende Spruch.
Ökologie ist eines der Schwerpunktthemen, mit dem die Grünen bei der
Europawahl am 26. Mai punkten wollen. Dabei haben sie sich einiges
vorgenommen, das machten sie bei der Präsentation ihrer Kampagne am Montag
deutlich. Die Grünen wollen wachsen, die Umfragen machen Lust auf mehr –
oder, wie es die Spitzenkandidatin Ska Keller ausdrückte: „Wir erwarten,
dass wir unsere Fraktion vergrößern können im Europäischen Parlament.“
Dafür setzt die Ökopartei auf Personalisierung. Vier Großflächenplakate
sind auf Spitzenleute zugeschnitten. [1][Ska Keller, die auch
Grünen-Spitzenkandidatin in ganz Europa ist], wird mit dem Slogan „Kommt
der Mut, geht der Hass“ beworben. Ihr Co-Spitzenmann [2][Sven Giegold, ein
ausgewiesener Finanzmarktexperte im EU-Parlament], soll mit seinen
inhaltlichen Stärken punkten. „Europa ist ein Friedensprojekt. Kein
Steuersparmodell“, heißt es auf seinem Plakat. Zwei andere Großflächen
werben mit den Parteivorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock.
Die Grünen könnten mit einem guten Ergebnis entscheidende Player in Brüssel
werden. Für eine Große Koalition, also eine Zusammenarbeit der Europäischen
Volkspartei (EVP) mit den europäischen Sozialdemokraten (SPE), wird es,
anders als in den Jahren zuvor, wohl nicht reichen. Der konservative
Spitzenkandidat Manfred Weber wird ebenso wie sein sozialdemokratischer
Kontrahent Frans Timmermans mit den Grünen oder den Liberalen reden müssen,
um eine Mehrheit im EU-Parlament zu schmieden – und Kommissionspräsident zu
werden.
## Trennt sich die EVP von Orban?
Die Grünen halten sich bisher bedeckt, wen sie unterstützen würden. Aber
klar ist: Eine wichtige Rolle spielt, ob die EVP weiter Ungarns Staatschef
Viktor Orbán in ihren Reihen duldet. Die Konservativen wollen am Mittwoch
entscheiden, ob sie Orbáns rechtsnationale [3][Fidesz-Partei aus ihrer
Parteifamilie ausschließen.] Keller sagte mit Blick auf Weber und Orbán:
Wer in seiner Familie eine Partei dulde, die Rechtsstaatlichkeit und
Pressefreiheit aushebele und antisemitische Kampagnen fahre, der mache sich
„völlig unglaubwürdig“.
Überhaupt tun sich gerade zwischen Grünen und Konservativen Gräben auf. Die
CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer setzt Akzente, die den Grünen
nicht schmecken. So veröffentlichte sie vor gut einer Woche eine Antwort
auf die Reformvorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
Darin erteilte sie vielen Ideen eine Absage, die die Grünen sympathisch
finden. Sie lehnte einen EU-weiten Mindestlohn ab, einen Eurozonen-Haushalt
– ein Lieblingsprojekt des Franzosen – erwähnte sie erst gar nicht.
Der Sound Kramp-Karrenbauers irritierte die Grünen nachhaltig. So betonte
sie zum Beispiel die Bedeutung der Zusammenarbeit einzelner Regierungen,
statt auf die europäische Demokratie abzuheben. „Die Arbeit der
europäischen Institutionen kann keine moralische Überlegenheit gegenüber
der Zusammenarbeit der nationalen Regierungen beanspruchen“, schrieb
Kramp-Karrenbauer. Giegold bewertete das als „Traditionsbruch“. Deutschland
sei immer dafür eingetreten, dass die Regierungszusammenarbeit nach und
nach durch europäische Institutionen ersetzt werde. „Jetzt macht
Kramp-Karrenbauer eine Rolle rückwärts.“
## AKK forderte lückenlosen Grenzschutz
Auch in der Migrationspolitik setzte Kramp-Karrenbauer zuletzt auf
schärfere Töne, um zur AfD übergelaufene WählerInnen anzusprechen. [4][Sie
forderte in ihrer Reaktion auf Macron einen lückenlosen Grenzschutz.]
Bereits an den Außengrenzen des Schengen-Raums müsse geprüft werden, „ob
ein Asylanspruch, ein Flüchtlingsstatus oder ein anderer Einreisegrund
vorliegt.“
Bei einer Konferenz der Frankfurter Allgemeinen Zeitung legte sie am
Freitag nach. Die Frage, ob der Schengen-Raum als „Grundlage unseres
gemeinsamen Binnenmarktes“ gegen „nationale Versuchungen“ aufrechterhalten
werden könne, könne nur beantwortet werden, wenn Schengen auch beim Schutz
der Außengrenzen vollendet werde. „Die einzigen, die Schengen derzeit
perfekt nutzen, sind kriminelle Elemente und nicht die
Sicherheitsbehörden.“
Schengen ein Paradies für Verbrecher? Dieser Satz verstörte die Grünen
besonders, weil sie ihn als Abkehr vom Prinzip der offenen Grenzen in der
EU interpretierten, von dem zehntausende Pendler täglich profitieren.
Keller nannte Kramp-Karrenbauers Äußerung „unterirdisch“. Gefragt, ob die
Position der CDU-Chefin Schwarz-Grün erschwere, verwies
Bundesgeschäftsführer Kellner auf den Europäer Helmut Kohl. Es sei schon
eine „besondere Pointe“, dass die Grünen „die Errungenschaften von Schen…
und Kohl gegen Kramp-Karrenbauer verteidigen.“
18 Mar 2019
## LINKS
[1] /Gruenen-Parteitag-in-Leipzig/!5549568
[2] /Steuervermeidung-in-der-EU/!5567697
[3] /Ungarns-Fidesz-und-die-EVP/!5578048
[4] /Replik-auf-EU-Reformvorstoss/!5579199
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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