# taz.de -- Die Wahrheit: Mission Kimpossible | |
> Was will Nordkorea nach dem gescheiterten Gipfel zwischen Donald Trump | |
> und Kim Jong Un? Ein Insider wartet mit Enthüllungen auf. | |
Atomwaffen! Dass ich nicht lache! Das wäre ja so, als hätte die DDR Autos | |
gebaut. Also richtige Autos!“ Heinz Kleppinger, Ex-Stasi-Offizier, klopft | |
sich auf die drahtigen Schenkel. „Das einzige Drohpotenzial, das Nordkorea | |
hat: Sie wissen, wie man eine Milliarde Chinesen dazu kriegt, alle | |
gleichzeitig in die Luft zu springen und damit die Erde aus der Umlaufbahn | |
zu katapultieren.“ | |
Wir sitzen hier in Strausberg, östlich von Berlin, einem typischen | |
ostdeutschen Rentner in seiner Datscha gegenüber. Typisch? Nein! Denn Heinz | |
Kleppinger, Jahrgang 1945, gilt seit seiner Zeit als Oberst in der | |
Hauptverwaltung Aufklärung als bester Kenner Nordkoreas. An ihn wurden wir | |
verwiesen, weil die Welt und damit wir völlig ratlos sind. Vorige Woche | |
scheiterte der Gipfel zwischen den USA und Nordkorea. Erst verstanden sich | |
Donald Trump und Kim Jong Un blendend, dann herrschte plötzlich Eiszeit | |
zwischen dem Hefekloß und der Vanillebombe. Trumps Vorgehen ist sowieso | |
völlig enigmatisch, Erklärungen nützen rein gar nichts. Aber was will Kim, | |
wie geht es weiter mit den Nordkoreanern? | |
Und hier kommt Heinz Kleppinger ins Spiel. Der jetzt den Kopf schüttelt | |
über die herrschende Interpretation des Konflikts. In Wahrheit wolle der | |
führende Führer Kim Jong Un sein Land seit Langem öffnen – und der Westen | |
verhindere das mit allen Mitteln. Dabei scheue man nicht mal vor recht | |
plumper Bestechung zurück: Krimsekt satt, die Global Bahncard 100 und dazu | |
ein vierteiliges Topf- und Pfannenset. Der Gipfel mit Trump alias „Agent | |
Orange“, wie der US-Präsident in Vietnam liebevoll genannt wird, sei auch | |
nicht gescheitert – das sei alles Teil der Komödie, die der Welt seit | |
Jahren vorgespielt werde. Alles laufe planmäßig, fügt Kleppinger | |
geheimnisvoll hinzu. | |
Wir haken investigativ nach: „Hä?“ Kleppinger beugt sich konspirativ über | |
den blank geputzten Sprelacart-Tisch: „Seit Kim Jong Un in der Schweiz zur | |
Schule ging, ist er ein U-Boot der Demokratie. Ihn widern die Diktatur, die | |
Armut und die Gleichförmigkeit an. Und vor allem geht ihm die dauernde | |
Singerei seiner Landsleute auf den Sack. Alles nur wegen seines Großvaters. | |
Nur weil der Kim Il Sung hieß!“ | |
## Atomtests als versteckte Hilferufe | |
Ebenso nervten ihn die Klamotten. Und dass es keine Rösti gibt. Aber gegen | |
die alte Machtclique konnte Kim sich nie durchsetzen, so unser Informant. | |
Er sei „ein Gefangener im eigenen Land“. Wenn er nur wollte, könnte die | |
demokratische Weltgemeinschaft Kim helfen. Dessen angebliche Atomtests | |
waren versteckte Hilferufe an den Westen: Marschiert endlich hier ein und | |
befreit uns. Und der Westen verstand das Signal auch, war aber höchst | |
alarmiert. Einmarschieren, schön und gut – aber befreien? Nein! Denn | |
Nordkorea wird als Diktaturlabor gebraucht. | |
„Die Zukunft der Welt heißt Mangel und Verzicht“, analysiert der Altoberst | |
messerscharf und mit schneidenden Handbewegungen – und das synthetische | |
Material seines Anzugs macht jede Bewegung anstandslos, wenn auch nicht | |
geräuschlos mit. „Das geht nicht mit Demokratie.“ | |
Wehmütig sinnierend blickt er zur Decke. „Wir in der DDR hatten das ja auch | |
begriffen – aber die blöden Bürger eben nicht.“ Kleppinger seufzt. Verweht | |
und vergangen. Aber dann verscheucht der zähe Altinternationale | |
entschlossen die sozialistischen Gespinste und erwartet konzentriert unsere | |
nächste Frage. | |
Nordkorea als Modell für den Westen? Kleppinger breitet die Arme aus wie | |
zum Doppel-Sonnengruß für den führenden Führer: „Schauen Sie doch selbst! | |
Die Nordkoreaner sind immer fröhlich. Deswegen ja auch der Name ihrer | |
Ideologie: Juche. Es ist eine zukunftsweisende Mangel- und | |
Nachhaltigkeitsreligion. Die Leute sind dankbar für das, was ihnen | |
vorenthalten wird. Sie haben wenig zu essen, also keine | |
Zivilisationskrankheiten. Inzwischen gibt es in Pjöngjang sogar ein | |
Fast-kein-food-Restaurant. Da geht es echt schnell. Und gegen Aufpreis | |
bekommt man nix jetzt auch im Drive-dran-vorbei-in. A propos: Wo kein | |
Verkehr, da auch keine Verkehrstoten.“ | |
Aber woher weiß Kleppinger, der eigentlich schon länger aus dem Geschäft | |
sein müsste, das alles? Wieso kennt er sich so gut aus? Nun, er ist seit | |
1956 eng befreundet mit Geheimdienstchef Kim Ono – dessen Tochter Yoko die | |
erfolgreichste Zersetzungs-Agentin aller Zeiten ist. Und er hat selbst | |
handfeste wirtschaftliche Interessen. Denn die geheime Einigung mit den USA | |
sieht so aus: Nordkorea wird für Investoren geöffnet, bleibt aber Diktatur. | |
Um das zu gewährleisten, werden die traditionell guten Verbindungen nach | |
Ostdeutschland genutzt. | |
## Hinrichtungen für Touristen | |
Kleppinger hat bereits einen Vorvertrag unterzeichnet. Sein Unternehmen | |
„Terror Travel Tours“ hat den Zuschlag für die Umgestaltung des gesamten | |
Landes in einen „Diktaturassic Park“ bekommen. In dem können wohlhabende | |
Reisende – vom sicheren exterritorialen und vollklimatisierten | |
Vollkomfort-Bus aus – Unterdrückung unter Realbedingungen erleben. | |
Zwangsarbeitsgehege, Hinrichtungs-Hotspots und Verherrlichungs-Anlagen für | |
den Prädikatsdiktator „Tyrannosauron“ inklusive. Viele Einnahmen verspricht | |
Kleppinger sich auch vom Merchandising: Landestypische Fertigfrisuren, | |
Anzüge aus Billig-Drillich oder moderne Karaoke-Maschinen, also | |
Kassettendecks von Telefunkim. | |
Was aber soll aus dem kuriosen Kim und seinem Clan werden? Der bekennende | |
Narzisst lebt ja nach dem Motto: S-Klasse statt Essstäbchen. Und er wohnt | |
im höchsten Bungalow der Welt. Um seine Zustimmung zum Erhalt der Diktatur | |
zu erreichen, haben die USA ein geheimes Zugeständnis nach dem anderen | |
gemacht. So werden längst in alle Smartphones Kim-Karten eingebaut. Sein | |
Leben wurde als Comic („Kim & Struppi“) und als Musical („Jongelbuch“) | |
verherrlicht. Und sein Wikipedia-Eintrag wird von allerhöchster Stelle vor | |
Veränderungen beschützt. | |
Kim Jong Un tut das, was er der Juche-Ideologie gemäß am besten kann: Kim | |
Jong Unsinn. So verfasste er gerade das Diätkochbuch „Ich bin zwei Öltanks�… | |
und schrieb den Hit „Forever Jong“. Außerdem erfindet er momentan den | |
ersten faltbaren SUV. Der Durchbruch bei den Geheimverhandlungen aber wurde | |
erst durch die Zusage erreicht, dass Kim und seine Familie nach dem | |
Zusammenbruch Nordkoreas ausgeflogen und als neue Dynastie in Monaco | |
installiert werden. Kim heiratet die Schauspielerin Basinger, beide nehmen | |
seinen Familiennamen an, sodass die Frau an seiner Seite künftig Kim Kim | |
heißt. Als Startkapital dienen die Einnahmen, die seine geschiedene Frau | |
mit Kim-Ex-Geschäften generiert hat. | |
Heinz Kleppinger muss jetzt leider los – dringende Geschäfte. Er erhebt | |
sich und greift nach seiner bescheidenen Aktentasche aus Kunstleder. Fast | |
könnte man ihn mögen. Aber dann grinst er sardonisch: „Das Leben findet | |
immer einen Weg. Von der Freiheit hat das noch nie jemand behauptet.“ Und | |
wir bleiben mit einem Frösteln zurück, das ganz von innen kommt. Fast | |
könnte man meinen: von der anderen Seite der Erde. | |
9 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Oliver Domzalski | |
## TAGS | |
Nordkorea | |
Kim Jong Un | |
Stasi | |
Die Wahrheit | |
Die Wahrheit | |
Die Wahrheit | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Südkorea | |
Kim Jong Un | |
Nordkorea | |
Deutsche Bahn | |
Unglück | |
Friedrich Merz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Wahrheit: Wladi und die Pitbulls | |
Ein Spielplatz im Osten, live. Zwischen den Sandkästen läuft ein | |
durchgedrehter Hänfling brutal Amok. | |
Die Wahrheit: Logik-Lücke jetzt dicht | |
„Retroaktive Impfschäden“: Ein thüringischer Hinterwäldler hat ihn endli… | |
den neuen, ganz heißen Winterscheiß. | |
Die Wahrheit: „Wir sind Dunkeldeutschland!“ | |
Das Wahrheit-Interview: Eine Avantgarde der Querdenker feilt an der | |
nächsten großen Verweigerung: die Lichtleugner. | |
Trump und Kim treffen sich: „Wir mochten uns vom 1. Tag an“ | |
Als erster amtierender US-Präsident hat Trump nordkoreanischen Boden | |
betreten. Er reichte Kim Jong Un an der innerkoreanischen Grenze die Hand. | |
Diplomatie auf koreanischer Halbinsel: Kim Jong Un ist auf dem Rückzug | |
Nordkorea schließt das innerkoreanische Verbindungsbüro entlang der Grenze. | |
Die Entscheidung ist eine Mahnung an Washington. | |
Nordkoreanische Botschaft in Madrid: Überfall in Wildwestmanier | |
Im Februar stürmte ein zehnköpfiges Kommando Nordkoreas Botschaft in | |
Madrid. Vermutlich ging es um Informationen über den Ex-Botschafter. | |
Parlamentswahl in Nordkorea: Stimmabgabe ohne Wahl | |
Die Nordkoreaner wählen ihr Parlament. Das hat keine politischen | |
Auswirkungen – außer dass das Regime scheindemokratisch legitimiert wird. | |
Die Wahrheit: Reisende soll man dringend aufhalten | |
Die Deutsche Bahn lässt ihre Verspätungen und Ausfälle jetzt von einem | |
neuen Happiness-Manager zu Dienstleistungen hochjubeln. | |
Die Wahrheit: Der Letzte seiner Art | |
Das Artensterben geht weiter. Jetzt ist der Unglückswurm dran. Zu Besuch | |
bei seinem glücklosen Retter, der nicht nur leere Fässer zum Überlaufen | |
bringt. | |
Die Wahrheit: Blackrock ist das neue Orange | |
In einer unserer Erde fernen Galaxie wird ein düsterer Plan geschmiedet – | |
mit Friedrich Merz als Protagonist des Schreckens. |