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# taz.de -- Die Wahrheit: „Wir sind Dunkeldeutschland!“
> Das Wahrheit-Interview: Eine Avantgarde der Querdenker feilt an der
> nächsten großen Verweigerung: die Lichtleugner.
Bild: Vorbildlich beklebt: Drahtesel unbekannter Herkunft
Ein trüber Januarnachmittag irgendwo im Süden Baden-Württembergs. Der
Quervordenker, der sich selbst „Mr. Q.“ nennt, hat das gesamte Arsenal der
Konspiration aufgefahren: als Treffpunkt eine stillgelegte Tankstelle,
verbundene Augen im fahrenden Auto, alte Walkie-Talkies und Tarnnamen
(„Rudolf 1 an Steiner 2“). Der Interviewraum mit seinen Wänden in
verwaschenen Rottönen wirkt wie eine Wabe – rechte Winkel sind Mangelware.
Dafür gibt es eine Vitrine mit Mineralien, einen Tisch mit
jahreszeittypischen Utensilien wie Tannenzapfen, Walnüssen und getrockneten
Beeren und eine geschnitzte Garderobe mit vergessenen Wollmützen.
taz: Ist das hier Ihr Hauptquartier?
Mr. Q.: Viele halten uns Lichtleugner ja für verschroben und weltfremd. Das
kann uns nur helfen. Und die Esoteriker sind die perfekte Tarnung für uns.
Die sind so herrlich naiv und halten uns für Verbündete. Von unserem wahren
Kampf kriegen die gar nichts mit. Solange wir rechtzeitig Tee nachkaufen
und nicht rauchen, dürfen wir alles.
Welcher wahre Kampf? Der gegen die Coronamaßnahmen?
Ach was! Um Corona ging es doch nie. Und darüber sind wir inzwischen
gedanklich weit hinaus. Corona wird irgendwann Geschichte sein – dann
wollen wir doch unseren Kampf gegen das alles nicht einstellen. Wir als die
Quervordenker suchen längst nach dem nächsten Aufregerthema.
Was heißt das – gegen das alles?
Na, das System. Die Regierung. Alles, was uns einschränkt in unserer
Freiheit. Freiheit heißt für mich: Es soll passieren, was ich will und
womit ich mich wohlfühle. Unter dieser Bedingung bin ich Demokrat. Aber von
schafsköpfigen Mehrheiten lasse ich mir keine Vorschriften machen. Und von
einem winzigen Virus erst recht nicht.
Das klingt aber reichlich … narzisstisch.
Ja, das war ja klar. Das N-Wort wieder! Sobald wir eine eigene Meinung
haben, gelten wir als Hitler-Anhänger!
Nein, nein, nicht nazistisch. Narzisstisch! Extrem ichbezogen.
Ich … ähm … kenne den Unterschied nicht und verstehe nicht, was Sie meinen.
Also ist es eine jüdische Bill-Gates-Lüge. Ein Fake-Wort. Thema beendet.
Und wir wollten ja über Strategie reden.
Also bitte: Wie geht es nach Corona weiter, strategisch?
Wir diskutieren noch. Eine Kollegin schlug vor, dass wir uns als
Flutleugner profilieren. Erst mal ein reizvoller Gedanke. Einfach zu
behaupten, dass alle Häuser im Ahrtal noch stehen, die Aufräumarbeiten
behindern und so weiter – das schafft sicher maximale Aufmerksamkeit. Aber
erstens sind Überschwemmungen noch zu selten, und zweitens brauchen wir ja
staatliche Regeln, gegen die wir uns auflehnen können. Deshalb denken wir
in eine andere Richtung.
Darf ich raten? Verkehrsregeln?
Nicht schlecht! Aber nicht irgendwelche. Wir arbeiten ja mit hohem
persönlichem Einsatz. Deshalb werden wir ab sofort den Staat herausfordern
und nur noch ohne Helm Motorrad fahren. Das Narrativ dazu ist einfach:
Jeder kennt jemanden, der mal ohne Helm gefahren ist und keinen Unfall
hatte. Und an den Zwangshelmen verdienen plutokratische Konzerne. Außerdem
schirmen sie die Ohren gegen die Wahrheit ab. Und wahrscheinlich werden wir
durch die „Polsterung“ auch abgehört und ferngesteuert.
Aber … Sie schaden sich damit doch selbst am meisten?
Ja, Opfer müssen gebracht werden. Wie beim Impfwiderstand ja auch. So viele
Märtyrer auf den Intensivstationen … Aber ich war noch nicht fertig. Da
Kinder selten Motorrad fahren, beziehen wir sie anders mit ein: Wir
beleuchten ihre Fahrräder nicht mehr.
Sie bringen Kinder bewusst in Gefahr?
Ja, das ist leider nötig. Sie emotionalisieren nun mal am meisten. Die
große Schwäche der Impfverweigerung ist ja, dass Kinder zu selten schwer
erkranken und als Märtyrer weitgehend ausfallen. Also dürfen unsere Kleinen
ab jetzt nur noch ohne Licht zur Schule radeln. Und sie werden bewaffnet,
damit sie sich wehren können, wenn Polizisten oder andere Schikaneure sie
zur Rede stellen. Und damit sie Schulkameraden attackieren können, die
provozierend weiterhin mit Licht fahren.
Haben Sie kein schlechtes Gewissen dabei?
Doch, schon ein bisschen. Aber die Destabilisierung ist nun mal wichtiger.
Autofahrer, die Schulkinder anfahren, werden traumatisiert sein.
Rettungsdienste, Krankenhäuser und Polizei werden weiter überlastet. Und
das Gefühl, dass alles ins Rutschen kommt, wird weiter zunehmen. Das ist
jedes Opfer wert. Letztlich tun wir das für unsere Kinder.
Wenn die es denn erleben … Ein letztes Statement?
Ja. Jetzt hat euer alter Gauck endlich, was er wollte. Wir sind die
Lichtleugner. Wir sind Dunkeldeutschland!
Mr. Q., wir danken Ihnen für das Gespräch.
11 Jan 2022
## AUTOREN
Oliver Domzalski
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