| # taz.de -- Der Aufstieg und Fall von DuMont: Ein Verlag im letzten Akt | |
| > DuMont ist an der digitalen Zeitungswende gescheitert. Das | |
| > traditionsreiche Verlagshaus hat in den vergangenen Jahren nicht alles | |
| > falsch gemacht. | |
| Bild: Der Verleger Alfred Neven DuMont, 1977 in Stuttgart | |
| Wenn es um Alfred Neven DuMont ging, wurde die Wortwahl gern ein wenig | |
| üppiger – etwa als DuMont-Aufsichtsrat Hans-Werner Kilz den 2015 | |
| verstorbenen Verleger würdigte. Von der „monumentalen Lebensleistung“ eines | |
| Sprosses, der aus den „glanzvollen Verhältnissen einer alten Kölner | |
| Patrizierfamlie“ stammt, war die Rede. In der Domstadt herrschte stets ein | |
| gesundes Selbstbewusstsein. | |
| Entsprechend groß ist nun die Aufregung, dass das Medienhaus, das seinen | |
| Namen trägt, [1][Abschied nehmen will] von dem, was es einst groß machte, | |
| als es noch stolz „M. DuMont Schauberg – Expedition der Kölnischen Zeitung… | |
| hieß. Thomas Manns Buddenbrooks kommen einem in den Sinn, wobei es hier | |
| nicht nur „Verfall einer Familie“, sondern „Verfall eines Verlags“ hei�… | |
| müsste. | |
| Was ist passiert? Eigentlich nichts Ungewöhnliches, mitten in der digitalen | |
| Zeitenwende: Ein altehrwürdiger Verlag hat es versucht. Hat sich nach allen | |
| Regeln der Kunst, mit viel Trial und noch mehr Error mit der digitalen Welt | |
| zu arrangieren bemüht, neue Geschäftsfelder erspäht, konsolidiert und sich | |
| zum Medienhaus umgebaut – auf dem Papier zumindest. | |
| Und ist dabei von ebendiesem Papier und der gedruckten regionalen Zeitung | |
| doch weiter so abhängig geblieben, dass man nun den Schlussstrich zieht. | |
| Einen Schluss, den andere schon hinter sich haben: Springer ist längst aus | |
| diesem Markt ausgestiegen und hält auch nur noch aus übergeordneten Gründen | |
| an Bild und Welt fest. | |
| Doch als sich nach einigem Hin und Her Isabella Neven DuMont und Christian | |
| DuMont Schütte Mitte dieser Woche „in eigener Sache“ in ihren Blättern zu | |
| Wort melden, bekommen sie natürlich gleich wieder ihr Fett weg: Viel zu | |
| unkonkret und hinhaltend, gar konfus sei das alles im Namen der dem | |
| Aufsichtsrat vorsitzenden Familienstämme formuliert. Schließlich fänden | |
| sich ganze Passagen des dürren Briefleins, das komischerweise das Wort | |
| „Verkauf“ der Zeitungen gar nicht erst enthalte, schon in den Ansagen an | |
| die eigenen MitarbeiterInnen und in Pressestatements wieder. | |
| ## Von der Wirklichkeit überrollt | |
| Auf den zweiten Blick offenbart der Text aber die tiefe Ehrlichkeit eines | |
| Hauses ohne Verleger: „DuMont ist ein über Jahrhunderte hinweg | |
| erfolgreiches Unternehmen, weil es sich zu jeder Zeit der Wirklichkeit der | |
| Märkte gestellt hat. Die jeweiligen Bedingungen zu identifizieren und auf | |
| dieser Grundlage nachhaltige Geschäftsmodelle zu realisieren, ist die | |
| Verantwortung eines jeden Unternehmers“, heißt es da. Und nun sind die | |
| Wirklichkeiten der Märkte über das seit elf Generationen familiengeführte | |
| Haus hinweggerollt. | |
| Der letzte Verleger, Alfred Neven DuMont selbst, hat das alles schon | |
| geahnt. Und durch seine Entscheidungen bzw. Nichtentscheidungen in der | |
| letzten Dekade seines Lebens befördert. Dieser bürgerliche Fürst, dem alle | |
| zu Füßen lagen, hatte viel zu lange keine natürlichen Feinde mehr. Im | |
| Verlag versuchte seine Entourage die möglichen Gedankengänge des Alten zu | |
| erahnen, wenn der mal wieder auf seiner mallorquinischen Finca statt am | |
| Rhein weilte. | |
| Widerspruch hat DuMont zwar geduldet, aber nur in Maßen, und seine | |
| „despotischen Züge“ haben es sogar in Kilz’ Trauerrede geschafft: Sie | |
| würden ihm „nicht zu Unrecht nachgesagt, beschreiben aber nur die eine | |
| Seite seines Wesens“. Die andere, das war vor allem der „echte“ Verleger, | |
| über den sich die Berliner Zeitung so freute, als er sie 2009 im dritten | |
| Anlauf übernahm. „Alfred Neven DuMont hatte immer höhere Ziele als nur | |
| Rendite. […] Das Herzblut seiner Zeitungen war für ihn das geschriebene | |
| Wort. Das hat ihn zuletzt auch verleitet, notleidende Blätter zu kaufen, um | |
| sie zu erhalten“, fasste Kilz dieses Verlegercredo damals zusammen. | |
| ## Ein Wunsch nagte an ihm | |
| Wobei hier auch noch eine gehörige Portion Eitelkeit mit im Spiel war: | |
| DuMont war immer stark in der Domstadt, hatte aber selbst nach dem | |
| Ausverkauf der DDR-Presse nur die Mitteldeutsche Zeitung in Halle an der | |
| Saale abbekommen, weit entfernt vom Stammland am Rhein. | |
| Der Wunsch nach der großen, deutschlandweiten Bedeutung nagte an dem | |
| Patriarchen, der zu seinem 80. Geburtstags im Interview mit der Berliner | |
| Zeitung über den Einstieg ins Verlagswesen anno 1955 ungestraft sagen | |
| durfte: „Es war ein Glücksfall, dass mir mit 27 Jahren von meinem Vater […] | |
| der Kölner Stadtanzeiger anvertraut wurde. Ich kam aus Chicago zurück, | |
| hatte dort Journalismus studiert. Ich wusste alles besser und hatte auch | |
| recht. Ich setzte mich durch und modelte die Zeitung völlig um.“ | |
| Dabei hatte DuMont, der eigentlich eine Karriere als Schauspieler anstrebte | |
| und bis ins hohe Alter als Romancier dilettierte, damals eher unwillig und | |
| pflichtbewusst das familiäre Erbe angetreten. Erfolg hatte Alfred | |
| NevenDuMont dabei als Verleger zunächst. Die Konkurrenz vor der eigenen | |
| Haustür, die Kölnische Rundschau, wurde nach und nach in nicht immer | |
| liebevoller Umarmung übernommen, die Anteile am Bonner Generalanzeiger | |
| wurden aufgestockt. Mit der Boulevardzeitung Express gebührt DuMont das | |
| Verdienst, Bild auf regionaler Ebene etwas entgegengesetzt zu haben. Doch | |
| die Sehnsucht nach der Überregionalität und nach Berlin blieb. | |
| Dabei war er bei aller Impulsivität immer auch Realist: Als er aus Wut, | |
| beim Verkauf der Berliner Zeitung leer ausgegangen zu sein, 2005 überhastet | |
| die sieche Frankfurter Rundschau kaufte, war ihm schon klar, welche | |
| Belastung da auf sein letztlich mittelständisches Haus zukommen würde. Doch | |
| mindestens zwei Seelen wohnten in seiner Brust, und der „echte“ Verleger | |
| siegte am Ende immer über den knausrigen Kaufmann. Weshalb auch die – | |
| mittlerweile ebenfalls heruntergewirtschaftete – Berliner Zeitung 2009 doch | |
| noch zu DuMont kam. | |
| ## Vieles blieb auf halbem Weg stecken | |
| Natürlich lief in den [2][letzten Jahren nicht alles falsch.] Im Gegenteil: | |
| Der mittlerweile von externen Geschäftsführern geführte Verlag lag bei | |
| vielen Ideen, die heute Allgemeingut sind, mit vorn: Eine überregionale | |
| Zentralredaktion für mehrere Titel hatte DuMont mit seiner | |
| Redaktionsgemeinschaft schon 2010 gegründet. Kleiner Schönheitsfehler: Sie | |
| sollte von Anfang an auch für externe Kunden arbeiten, die wurden aber nie | |
| richtig gesucht. Auch andere innovative Ansätze wie die dezentrale | |
| Produktion der Blätter blieben auf halbem Wege stecken und/oder | |
| entwickelten sich zum Absurdum, wenn das Layout für bestimmte Teile der | |
| Frankfurter Rundschau in Köln gemacht wurde. | |
| Zu den wirtschaftlichen Zwängen und den von keinem regionalen Medienhaus | |
| bislang gemeisterten Herausforderungen der digitalen Welt kam bei DuMont | |
| noch die dynastische Krise: Die Familie – und damit ist nur der Stamm der | |
| Neven DuMonts gemeint, die angeheirateten DuMont-Schüttes spielen stets nur | |
| die zweite Geige – machte nicht mit. | |
| Sohn Konstantin, eigentlich zum Nachfolger auserkoren, ließ sich nicht vom | |
| strengen Vater ins Verlegerkorsett zwängen. Der 1969 geborene Freigeist | |
| stieg zwar schon mit Mitte 20 offiziell in den Verlag ein, konnte aber wie | |
| viele Nachgeborene die übergroßen Erwartungen des Vaters nicht erfüllen. | |
| Konstantin kämpfte für Freiraum, irrlichterte herum und wurde am Ende 2010 | |
| freigestellt. Der ältere Bruder Markus war 1995 früh verstorben. Allein | |
| Isabella, die Schwester, führt heute offiziell das Erbe weiter – aus | |
| Pflichtgefühl, wie jeder weiß. | |
| [3][Angesichts der aktuellen Entwicklungen] beschleicht einen das leise | |
| Gefühl, das alles könnte Alfred Neven DuMont mit seinem Hang zum Schauspiel | |
| sogar Spaß machen. Sozusagen als King Lear, als abwesender, tragischer | |
| Held, im letzten Akt dieser verlegerischen Familientragödie. | |
| 1 Mar 2019 | |
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| Steffen Grimberg | |
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