| # taz.de -- „Katapult“-Chefredakteur über Karten: „Da ist doch ein Penis… | |
| > Zum Magazin „Katapult“ ist ein Buch erschienen. Mit humorvollen Karten | |
| > lassen sich ernste Studien besser vermitteln, sagt Chefredakteur Benjamin | |
| > Fredrich. | |
| Bild: Was wird visualisiert? „Das Thema muss relevant sein“, meint Benjamin… | |
| taz: Herr Fredrich, in Ihrem gerade erschienenen Buch „100 Karten, die | |
| deine Sicht auf die Welt verändern“ finden sich Diagramme über Todesopfer | |
| durch Terror, aber auch geografische Karten über die zehn rundesten und die | |
| zehn eckigsten Länder der Welt. In Ihrem dazugehörigen Magazin Katapult ist | |
| es ähnlich. Was wollen Sie mit diesen Karten? | |
| Benjamin Fredrich: Das Ziel ist eine große Vielfalt an Themen herzustellen | |
| und dafür zu sorgen, dass Leser*innen so möglichst viele unserer Inhalte | |
| konsumieren. Die Themen sind nicht geordnet, das heißt: wer alles sehen | |
| will, muss alle Seiten durchblättern. | |
| Bringen die unterhaltsamen Grafiken Leser*innen also zu den ernsteren | |
| Inhalten? | |
| Genau. In den sozialen Netzwerken haben wir auch die Erfahrung gemacht, | |
| dass wenn wir eine humorvolle Karte teilen, sich die folgenden, ernsten | |
| Studien ebenfalls besser verbreiten lassen. Wir haben Katapult gegründet, | |
| weil wir gemerkt haben, dass es in der Wirtschaft, Sozial- und | |
| Politikwissenschaft und Psychologie an populärwissenschaftlichen Magazinen | |
| fehlt und vor allem an der Visualisierung von sozialwissenschaftlichen | |
| Themen. Die Möglichkeit, die zum Beispiel Geo hat, tolle Sachen aus der | |
| Natur abzubilden, haben wir nicht. Mit den Grafiken versuchen wir diese | |
| Lücke zu füllen. | |
| Eine Karte heißt: „Wenn man Südamerika und Afrika ineinanderschiebt, erhält | |
| man die Form eines Dinos.“ Wie kommen Sie auf solche Ideen? | |
| Manche krummen Ideen kommen von den Wissenschaftler*innen, die für uns | |
| schreiben. Andere werden in der Redaktion gesammelt und einige Ideen werden | |
| uns von den Leser*innen zugesandt. Wenn Sie sich eine Landesgrenze lang | |
| genug angucken, erkennen Sie dabei manchmal eine neue, nicht intendierte | |
| Symbolik. Wir machen das oft. Gucken Sie sich bitte etwas länger die | |
| skandinavischen Länder auf der 2-Euro Münze an. Da ist doch ein Penis zu | |
| sehen? | |
| Was muss ein Thema denn haben, damit es bei Ihnen als Karte visualisiert | |
| wird? | |
| Es muss relevant sein. Wenn ein*e Wissenschaftler*in etwa Kriterien | |
| herausfindet, warum die einen Diktatoren über 30 Jahre an der Macht | |
| bleiben, während andere keine drei Monate überstehen, hat das für mich | |
| einen enormen Informationswert. (Diese Karte erschien im Heft 01/2016, Anm. | |
| d. Red.) | |
| Im Magazin finden sich aber auch längere wissenschaftliche Texte. Das sind | |
| nicht gerade die Inhalte, die sich am Bahnhofskiosk gut verkaufen, oder? | |
| Kann sein. Deshalb überlegen wir auch lange, wie wir diese Texte mit | |
| spannenden Grafiken bestücken, sodass das Interesse entstehen kann. Das ist | |
| unser Grundanliegen und das gelingt uns oft, aber einige gucken sich | |
| natürlich trotzdem nur die Karten an. | |
| Wer ist Ihre Zielgruppe? | |
| Alle, die sich eigentlich nicht für Politik und Wissenschaft interessieren. | |
| Alle anderen natürlich auch, aber über die ersteren freue ich mich | |
| besonders und ich bin sicher, dass die wegen der Karten zu uns finden. Uns | |
| hat mal ein Leser geschrieben, dass er sich wegen Katapult für ein | |
| Soziologiestudium entschieden hat. Das war bisher die schönste Nachricht | |
| für mich. | |
| Auf Ihrer Website sagen Sie, dass Katapult die Wissenschaft, Forschung und | |
| Bildung fördert. Inwiefern? | |
| Wissenschaftler*innen schreiben für uns Artikel und wir visualisieren sie. | |
| Diese Wissenschaftler*innen dürfen unsere Grafiken lizenzfrei weiter nutzen | |
| – etwa wenn sie Bücher veröffentlichen, Vorträge halten, Vorlesungen oder | |
| Seminare geben. Die Katapult-Karten findet man also inzwischen auch an | |
| Universitäten und in Büchern. Darüber hinaus übersetzen wir Studien aus der | |
| Wissenschaft, also Informationen, die für breite Teile der Bevölkerung | |
| nicht zugänglich sind, in eine allgemein verständliche Sprache und alle | |
| können darauf zugreifen, die Artikel sind kostenlos über unsere Website | |
| zugänglich. | |
| Kann man also sagen, dass Sie einen Anspruch auf barrierefreie | |
| Wissensvermittlung haben? | |
| Genau. Wir werden niemals eine Paywall einrichten. Man muss nur eben | |
| solange warten, bis alle Artikel online sind. | |
| Das Magazin ist gemeinnützig. Was bedeutet das? | |
| Sowie die taz über die Genossenschaft finanziert wird, finanzieren wir uns | |
| über Abobeiträge und Spenden. Wir schütten keine Gewinne aus, es werden | |
| lediglich Gehälter ausgezahlt. | |
| Sie haben das Katapult-Magazin 2015 aus dem Studium heraus gegründet. Woher | |
| kam das Geld am Anfang? | |
| Am Anfang haben wir im Auftrag von Verlagen und Organisationen Infografiken | |
| erstellt. Unsere Kunden waren zum Beispiel die Europäische Kommission, die | |
| Welt Hungerhilfe und die Wirtschaftswoche. Inzwischen finanzieren wir uns | |
| fast komplett selbst. Im Schnitt bekommen wir pro Tag 20-30 neue | |
| Abonnent*innen. Innerhalb der ersten drei Tage nachdem das Buch erschienen | |
| ist, bekamen wir 500 neue Abonnent*innen. | |
| Aus Sicht eines Unternehmensberaters machen sie aber ziemlich viel falsch: | |
| Publizieren vor allem im Print, drucken Daten und Fakten statt großer | |
| „Geschichten“ und haben ihren Hauptsitz in Greifswald – nicht gerade ein | |
| florierender Medienstandort. Warum ist das Magazin trotzdem erfolgreich? | |
| Weil wir gute Grafiken machen – andere Redaktionen investieren nicht so | |
| viel in diesen Bereich. Außerdem haben wir unsere eigene Themensetzung. Da | |
| wir am Anfang nicht viel zu fürchten hatten, konnten wir experimentieren. | |
| Wir mischen sozialwissenschaftliche Themen mit Humor. Das gibt es in dem | |
| Format noch nicht, weil Wissenschaft und Humor oft als Gegensätze | |
| wahrgenommen werden. Seit der ersten Katapult-Ausgabe im April 2016, | |
| konnten wir knapp 14.000 Abonnent*innen gewinnen. Und die sind unsere | |
| Haupteinnahmequelle. Die Spenden spielen im Vergleich eine relativ kleine | |
| Rolle für uns, schätzungsweise circa fünf Prozent der Gesamteinnahmen. | |
| Ein Katapult-Abo gibt es nur in Printversion. Warum? | |
| Viele unserer Abonnent*innen berichten, dass Katapult inzwischen das | |
| einzige Magazin ist, das sie noch gedruckt lesen. Das finden wir schön, vor | |
| allem weil man Gedrucktes in Ruhe lesen kann, im Gegensatz zu einem E-Paper | |
| auf einem elektronischen Gerät, wo man schnell wieder unterbrochen wird. | |
| Außerdem ist ein gedrucktes Heft auch nicht so versteckt wie ein | |
| Online-Abo. Das Magazin liegt ja irgendwo auf dem Tisch und alle, die | |
| vorbeigehen, sehen es ebenfalls. | |
| 5 Mar 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Sibel Schick | |
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