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# taz.de -- Frauen-Teamsport in Deutschland: Ein Defizitgeschäft
> Auf Spitzenniveau ist Frauen-Basketball oder -Handball von Rückzügen
> geprägt. Teamsport bleibt eine Domäne von vermeintlich männlichen Werten.
Bild: Die Fireballs Bad Aibling haben sich freiwillig aus der Liga zurückgezog…
Seit Ende 2018 hat die Basketball-Bundesliga der Frauen (DBBL) einen Abgang
zu verzeichnen: Die Fireballs Bad Aibling, Vorjahres-Vierter in der
Tabelle, haben sich freiwillig aus der Liga zurückgezogen. Es fehlten
Sponsoren, hinzu kamen Altlasten, eine Verletzungsserie, und auch eine
sportliche Leitung gab es zuletzt nicht mehr. Vergangene Woche kursierte
die Meldung, dass auch die Basketball-Serienmeisterinnen vom TSV Wasserburg
vor dem Aus stünden: Ihr Hauptsponsor hat sich zurückgezogen, jetzt soll
ein sechsstelliger Betrag für den DBBL-Spielbetrieb fehlen.
Die höchste deutsche Basketball-Frauenklasse könnte innerhalb eines Jahres
zwei Topteams verlieren. Der Aderlass betrifft nicht nur die oberste
Spielklasse. In der 2. DBBL hat sich im Frühjahr 2018 der TuS Lichterfelde
zurückgezogen. „Ohne eine gesicherte Finanzierung können wir nicht in die
neue Saison gehen. Obwohl wir ohne Profispielerin agieren, war der
Spielbetrieb für uns nur durch die Spenden einiger Unterstützer zu
finanzieren“, teilte der Klub mit. „Diese Einnahmen waren für das kommende
Jahr leider nicht mehr gewährleistet.“
Das Phänomen kennen die Topligen im Frauen-Teamsport zu gut. Mit Ausnahme
des Fußballs, wo immerhin vierstellige Zuschauerschnitte und
Querfinanzierung aus dem Männerfußball für Einnahmen sorgen, sind die Ligen
gespickt von freiwilligen Rückzügen oder Insolvenzen. In der
Eishockey-Bundesliga der Frauen hat 2016 der SC Garmisch-Partenkirchen sein
Team vom Spielbetrieb abgemeldet.
In der Handball-Bundesliga meldeten 2017 die sechsmaligen Meisterinnen vom
HC Leipzig Insolvenz an und stiegen in die dritte Liga ab. Im Jahr 2016
konnten die Frauen der Füchse Berlin die Bundesliga ebenfalls nicht mehr
bezahlen und gingen in Liga drei. In der zweiten Handball-Bundesliga zogen
sich 2017/18 die HSG Badenstedt und die SVG Celle freiwillig zurück; Celle
musste nach dem Abstieg aus der Bundesliga Insolvenz anmelden.
Frauen-Teamsport ist ein Defizitgeschäft: Einnahmen aus Ticketverkauf oder
TV-Rechten gibt es kaum, die Budgets stützen sich auf einzelne lokale
Gönner oder eine Männerabteilung. Gewinne macht hier fast niemand. Bei den
Handballerinnen der TSG Badenstedt reichte unter anderem der Rückzug des
Fahrtkosten-Sponsors, um das Team zum Rückzug zu zwingen.
## Folge finanzieller Unmöglichkeiten
Wer sportlich jenseits des Mittelmaßes landet, riskiert Geldnöte: Aber
nicht nur bei einem Abstieg wie im Falle der SVG Celle oder den
insolvenzbedrohten Fußballerinnen vom FF USV Jena, sondern auch bei einer
mit teurem Kader erkauften Meisterschaft kann es zu Problemen kommen. Etwa
wie bei den seinerzeit amtierenden deutschen Basketball-Meisterinnen vom BV
Wildcats Wolfenbüttel, die sich 2013 aus der Bundesliga zurückzogen, weil
sie den Meisteretat von 300.000 Euro nicht ein zweites Mal aufbringen
konnten.
Natürlich sind Insolvenzen nicht nur ein Frauensport-Syndrom: Auch
außerhalb des Frauensports gibt es in den Topligen teils jährlich
Insolvenzanträge. Aber während sie dort oft die Folge finanziellen Risikos
und harter Konkurrenz sind, sind sie im Frauensport eher die Folge
finanzieller Unmöglichkeiten. Die Füchse Berlin erwirtschaften aktuell laut
einer Interview-Aussage 20 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Ticketverkauf
und 49 Prozent durch Sponsoring. Ihr Etat wird auf sechs Millionen Euro
geschätzt. Die Füchse-Frauen, die sich 2016 aus der Bundesliga zurückzogen,
scheiterten damals an fehlenden 100.000 Euro. Sie hatten im Durchschnitt
500 Zuschauer pro Spiel.
Dass es dem Frauen-Teamsport bis auf wenige Ausnahmen bislang nicht
gelungen ist, sich in der Aufmerksamkeitsökonomie zu positionieren, hat
auch historische Gründe: Teamsport war für Frauen vielfach wesentlich
länger unschicklich oder verboten als im Vergleich der Einzelsport. Die
Einzelsportlerinnen haben in der gesellschaftlichen Anerkennung und
Infrastruktur teils ein ganzes Jahrhundert Vorsprung.
## Eine Domäne von Sexismus
Teamsport bleibt eine Domäne von Sexismus und vermeintlich männlichen
Werten. Und die enorme Popularität vieler Männer-Teamsportklubs hat den
Markt weitgehend gesättigt, erst durch ihren Erfolg fällt der Rückstand
besonders groß aus. Weil sie so stark professionalisiert sind, ist es für
Frauenteams schwerer, in puncto spielerischer Qualität aufzuholen. Deren
Spiele sind häufig noch zu schlecht, die Vermarktung zu unprofessionell.
Und für Sportarten, die sowieso schwer zu finanzieren sind, gilt das für
die Frauen gleich doppelt. In der Tischtennis-Bundesliga der Frauen haben
sich laut dem Portal „Damen Tischtennis Bundesliga“ in vierzig Jahren
zwanzig Vereine freiwillig zurückgezogen, darunter vier amtierende
Meisterinnen. In der Wasserball-Bundesliga der Frauen gab es vier Rückzüge
in den letzten fünf Jahren.
Der Wandel der Medienbranche dürfte die Tendenz noch befeuern. Wo Klicks
zählen, ist die Neigung umso größer, auf populäre Namen und Aufreger-Themen
zurückzugreifen. Der Tausendste Text zu einer Krise beim FC Bayern klickt
sich eben x-fach besser als ein Text über die Fireballs Bad Aibling oder
den TSV Wasserburg. Bis denen das Geld ausgeht.
7 Mar 2019
## AUTOREN
Alina Schwermer
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