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# taz.de -- Stagnation im Frauenteamsport: Mehr Hoffnung als Wahrheit
> Der deutsche Handballmeister HB Ludwigsburg meldet Insolvenz an. Auch im
> Basketball und Volleyball bleiben Wachstumsversprechen trügerisch.
Bild: Atmosphäre wie in der Schulturnhalle: Xenia Smits vom HB Ludwigsburg ver…
Der Start ins Halbjahr des Frauenhandballs misslang. Statt „Hands up for
more“, so der Slogan der WM, die der Deutsche Handballbund (DHB) zusammen
mit den Niederlanden am Jahresende austrägt, legte man in Ludwigsburg die
Hände in den Schoß und ging in die Insolvenz.
Nun startet die Handballbundesliga der Frauen (HBF) an diesem Wochenende
mit elf Teams in die Saison 2025/26. Ein großer Teil der Nationalmannschaft
verdiente sein Geld dort, musste sich neue Klubs suchen, den
Lebensmittelpunkt verlegen. Die ganze Szene ist aufgeschreckt und fragt
sich, warum in Deutschland als Teamsport offenbar nur Fußball bei Frauen
und Männern funktioniert.
Wer die Möglichkeiten [1][des (halb)-professionellen Frauen-Teamsports]
hierzulande beschreiben will, spricht – vor allem, wenn es Fachleute von
Unternehmensberatungen sind – gern vom „Wachstumspotenzial“. Das klingt
gut. Doch dieser Terminus ist trügerisch, sagt er doch nur wenig aus: Wer
sich im Handball, Basketball oder Volleyball in den Frauen-Bundesligen mit
einem geringen Etat über die Runden quält, hat natürlich theoretisch die
Chance, ein höheres Budget zu erwirtschaften. Ergo: „Wachstumspotenzial“.
Auch dem deutschen Frauenhandball attestiert die Verbandsspitze des DHB im
Jahr der Heim-WM ein solches, untermauert vom „Gender Shift“, dem
gesellschaftlichen Trend zur Gleichstellung. Da kam die überraschende
Insolvenzankündigung des Meisters aus Ludwigsburg Ende Juli zur Unzeit.
Sechs Nationalspielerinnen haben inzwischen einen neuen Verein gefunden,
nachdem der renommierte Klub seine Profis um die erfahrenen Xenia Smits und
Antje Döll Anfang August für Wechsel freistellte. „Wir haben uns alle hier
sehr wohlgefühlt“, sagte Smits, die aktuelle Handballerin des Jahres.
Inzwischen ist sie nach Metz gewechselt.
## Zu hohe Erwartungen
Zwar hatte Ludwigsburg die HBF vor Abgabe der Lizenzunterlagen am 1. März
informiert, das Budget wegen Marketingverschiebungen beim langjährigen
Hauptsponsor „Olymp“ (Herrenoberhemden) kürzen zu müssen. Die Liquidität
sei bis Ende der Saison jedoch gewährleistet. Und auch in die neue Saison
werde man starten – mit vermindertem Etat. Das war aber wohl mehr Hoffnung
als Wahrheit.
Auch Andreas Thiel, der ehrenamtliche Präsident der HBF, wurde von der
Ludwigsburg-Pleite überrascht. „Unseren Wachstumskurs befördert das sicher
nicht“, sagt der erfahrene Jurist und bittet um Geduld. Thiel, 65 Jahre
alt, früher ein Torwart der Weltklasse, wehrt sich schon lange gegen zu
hohe Erwartungen und zeitgeistige Versprechungen: „Der Frauenteamsport mit
Ausnahme des Fußballs ist in Deutschland ein Mauerblümchen.“
Bezogen auf den Bundesligahandball zeige sich das schon an
durchschnittlichen Etatzahlen – 1,35 Millionen Euro beträgt das
durchschnittliche Budget dort. In der zweiten Liga der Männer sind es 2,5
Millionen Euro. Stolz hat die HBF in diesem Jahr einen Namen-Sponsor
präsentiert (Alsco Berufsbekleidung). Deren Engagement pro Jahr bewegt sich
bei einem Zehntel dessen, was die HBL von Daikin bekommt.
Der Ludwigsburger Kollaps hat die strukturellen Probleme des
professionellen Frauensports in Deutschland offengelegt. Eine stabil
gewachsene Bundesliga stellt aktuell keine größere Sportart auf die Beine;
im Basketball zog sich Traditionsverein BG Göttingen aus dem Oberhaus
zurück, weil 100.000 Euro am benötigten Etat von 250.000 Euro fehlten. Im
Volleyball wurden sogar die Anforderungen heruntergeschraubt und Vorgaben
gelockert, um genug Klubs in die vermeintliche Eliteklasse zu locken. Im
Tischtennis und Eishockey gibt es ähnliche Beispiele; Klubs verzichten
wegen zu hoher Kosten und Anforderungen auf die Champions League oder Ligen
tun sich länderübergreifend zusammen, um einen Spielbetrieb zu
gewährleisten.
## Folge einer Monokultur
Die Soziologin und Genderforscherin Fabienne Bartsch von der Deutschen
Sporthochschule Köln sieht in den vielfältigen Problemen des Frauensports
in Deutschland die Folge einer Monokultur. [2][Die mangelnde Präsenz von
Frauen im Sport,] sagte die Wissenschaftlerin der ARD-„Sportschau“, habe
sich „institutionell verfestigt – sowohl in den finanziellen als auch in
den medialen Strukturen des Sports“. ARD und ZDF tragen eine Mitschuld.
Weder die heimische Hockey-EM noch die vergangene Handball-WM gab es im
öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen. Dort wird lieber die 3.
Fußball-Liga gezeigt.
Auch auf europäischer Ebene hat man sich Gedanken darüber gemacht, den
parallelen Weg zu verlassen. Bei einem Hintergrundgespräch in Wien sagte
EHF-Präsident Michael Wiederer jüngst bezogen auf die European League, man
möge bei den Frauen wieder kleiner denken, um geeignete Formate und
Settings zu entwickeln. Alles den Männern anzugleichen, aber weder Publikum
noch Sponsoren und Preisgeld in ausreichender Höhe zu erreichen, sei
letztlich sinnlos.
Für Thiel ist das vollkommen logisch: „Es ist einfach nicht genug Geld im
System Frauenhandball. Ich bekomme Wachstum nur über Hauptamtlichkeit in
den Vereinen. Das Hauptamt muss ich aber bezahlen, sonst ist es wie
vergangene Saison bei uns in Leverkusen: Drei bis fünf Leute kümmern sich
vor jedem Spiel um alles, vom Catering bis zum Hallenboden. Ehrenamtlich.
Die geben nur. Und bekommen wenig.“
Bayer 04 Leverkusen mit Trainer Michael Biegler wagt nach dem Abstieg
gerade einen Neuanfang in der zweiten Liga – die durch ihre Eingleisigkeit
viele Klubs vor finanzielle und organisatorische Herausforderungen stellt,
wenn Reisen von Flensburg nach Regensburg zum Spielbetrieb gehören.
## Vorwürfe an die Zentrale
Standards anheben, ohne die Vereine „mitzunehmen“, funktioniert nicht. Eine
von oben, also von den Ligen-Vereinigungen diktierte Professionalisierung
findet unten nur Anklang, wenn sie machbar ist – und den Vereinen konkrete
Vorteile bringt. Sonst entstehen die klassischen Vorwürfe der Fläche an die
Zentrale.
Gerade die gesunden, [3][traditionsbewussten Nordklubs im Frauenhandball,
Buxtehude] und [4][der VfL Oldenburg,] schütteln oft den Kopf, was sie
alles machen sollen. Sie haben das Gefühl, selbst am besten zu wissen, was
bei ihnen nötig und möglich ist, um Profihandball an ihren Standorten zu
bewahren. Oft werden die Vorgaben aus der Zentrale als Bevormundung
begriffen.
Das hat die HBF schon begriffen. Es funktioniere einfach nicht, den
Frauenteams Standards wie im Männersport vorzuschreiben (Boden, Banden,
Marketing, Social Media), sagt Thiel, da vergleiche man Äpfel mit Birnen:
„Wir öffnen unseren Klubs alle Türen und geben ihnen bei der
Professionalisierung mehr Zeit.“ Schon der einheitliche Bodenbelag war über
Jahre ein großes Diskussionsthema im Handball. Andererseits muss es der HBF
missfallen, wenn das Tempo der Klubs allzu langsam ist.
## Wirkung auf das Nationalteam?
Was Andreas Thiel überhaupt nicht gefiel oder gefällt, ist der Trend in der
Liga, den anderen Klubs nicht das Schwarze unterm Nagel zu gönnen und das
auch deutlich auszusprechen. Die Aussagen vom Thüringer HC, dessen Trainer
Herbert Müller davon sprach, Ludwigsburg habe sich Titel „erschlichen“,
gingen seiner Meinung nach zu weit und am Ziel vorbei: „Man tritt nicht
noch auf Gefallene. Wir sollten nicht unser aller Produkt beschädigen. Da
haben wir als HBF noch viele Meter zu gehen.“ Anders als die Kollegen bei
der HBL, wo solche Ausfälle zur Seltenheit geworden sind – allerdings auf
der Basis ganz anderer Wachstumspotenziale.
Bleibt die Frage, welche Wirkungen der tiefe Fall der HB Ludwigsburg auf
das Nationalteam bei der Weltmeisterschaft hat – diese soll ja den ganzen
Frauenhandball auf ein neues Niveau heben; sie erscheint dadurch schon
jetzt von Erwartungen überfrachtet. Während Thiel meint, das dürfe auf
Profis keinen Einfluss haben („Sie sind über Wochen in der DHB-Blase, da
spielt das keine Rolle“), ist DHB-Sportvorstand Ingo Meckes skeptischer:
„Sie waren in einem stabilen Umfeld, spielten in einem Topteam, hatten
ihren sicheren Bereich. Jetzt müssen sie sich anderswo schnell
zurechtfinden. Das ist für die WM nicht optimal und wird Auswirkungen
haben.“
Bezogen auf einen allgemeinen Qualitätsschub im Frauenhandball könnte der
Einstieg der großen Marken Kiel, Magdeburg, Flensburg hilfreich sein. Der
Fußball macht es vor: Zehn der zwölf Teams dort sind querfinanzierte
Ableger von Männer-Bundesligisten. Im Handball sehen die Macher vor Ort das
nicht als Lösung an – die meisten Männer-Etats sind derart auf Kante
genäht, dass kein Cent für ein mögliches Frauenteam übrig bliebe.
1 Sep 2025
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## AUTOREN
Frank Heike
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