# taz.de -- Forscherin über Gleichberechtigung: „Es liegt am Sport“ | |
> Können nur Männer einen Verein leiten? Johanna Small von „Discover | |
> Football“ hat erforscht, warum Führungspositionen so ungerecht verteilt | |
> sind. | |
Bild: Fußball für alle: Ultras des SC Freiburg mit einer Kunstaktion gegen Se… | |
taz: Frau Small, 93 Prozent der Präsidenten im europäischen Sport sind | |
männlich, so steht es in Ihrem [1][Bericht]. 78 Prozent der | |
Vorstandsmitglieder sind Männer. Sie bilanzieren: Die gläserne Decke für | |
Frauen in Führungspositionen im Sport bleibt intakt. Woran liegt das? | |
Johanna Small: Oft heißt es, Frauen hätten keine Zeit, keine Lust oder | |
fehlende Kompetenzen für diese Positionen. Aber unsere Studie zeigt, dass | |
die Teilnehmerinnen sehr motiviert waren, Führungspositionen einzunehmen, | |
und glaubten, dass sie die Kompetenzen mitbringen. Nur viele männliche | |
Befragte hielten sie für nicht ausreichend kompetent. Die Frauen gaben als | |
Hauptproblem an: das Umfeld unterstütze sie nicht. Wir sehen das auch in | |
Fallbeispielen aus der Praxis, wo Frauen in Sportgremien nicht ernst | |
genommen werden, ihnen Informationen vorenthalten werden. Teilweise geben | |
sie deshalb auch Führungspositionen wieder ab. Das ist eine wichtige | |
Kernaussage: Frauen sind motiviert, die Barrieren liegen im Sport selbst. | |
Ist das denn repräsentativ? Das Sample ist mit rund 200 Befragten doch | |
relativ klein. | |
Das ist in der Tat so, weil wir einen Fokus auf qualitative Aspekte gelegt | |
haben. Wir wollten die Prozesse im Detail verstehen und haben zusätzlich zu | |
den Fragebögen viele Interviews geführt. Wir haben uns hauptsächlich auf | |
Italien, Deutschland, Polen und Schweden fokussiert. | |
Wie vergleichbar ist die Lage in den Ländern? | |
Es gibt kein Land, das behaupten kann: Diese Frage haben wir gelöst. Im | |
Gegenteil, es gab viele Gemeinsamkeiten. Frauen müssen sich viel mehr | |
beweisen, um für Positionen ausgewählt zu werden. Bei Diskussionen werden | |
ihre Stimmen eher übergangen. Vor allem in Polen war auffällig, dass viele | |
Frauen geschlechtsbezogene Diskriminierung erlebt haben, aber Männer die | |
gar nicht wahrgenommen haben. Dort war die Umsetzung auch besonders | |
schwierig, weil die Angst der Teilnehmerinnen vor Konsequenzen am größten | |
war. Aber auch Länder wie Schweden, die oft für Geschlechtergerechtigkeit | |
gerühmt werden, haben strukturelle Probleme, wenn es darum geht, | |
Diskriminierung im Sport zu melden. | |
Sie begleiten das Thema schon lange. Nehmen Sie wahr, dass sich ein | |
Bewusstsein entwickelt? | |
Es gibt gute Initiativen und immer wieder Vorstöße, vor allem an der Basis. | |
Aber es dringt nur sehr langsam in die Führungsetage vor. Selbst die super | |
qualifizierte Frau wird Schwierigkeiten haben, sich in diesem Umfeld | |
durchzusetzen. | |
In der Studie heißt es aber doch, 38 Prozent der Sportverbände in Europa | |
hätten etwa Projekte, um mehr Trainerinnen auszubilden. Das klingt ja nach | |
Bewusstsein. | |
Es reicht nicht, Frauen zu stärken und Netzwerke zu bilden. Es müssen sich | |
auch Männer in Entscheidungspositionen mit dem Thema vertraut machen und | |
den Mut für Veränderungen haben. Wenn eine Frau in der Führungsebene ist, | |
ist sie oft für Frauensport zuständig und stellt nicht ihre eigenen | |
Kompetenzen in den Vordergrund. Dafür braucht es mehr Frauen. Und Quoten, | |
um Strukturen aufzubrechen. Wir haben zu oft Männer, die Männer in die | |
Gremien wählen, wie selbst der DFB-Präsident Fritz Keller im Februar | |
festgestellt hat. Jetzt kann es nicht bei Worthülsen bleiben und müssen | |
Taten folgen, um mehr Diversität im Verband herzustellen. | |
Wirkt es sich nicht negativ aufs Selbstwertgefühl aus, wenn man Quotenfrau | |
ist? | |
Sicherlich. Deshalb ist es wichtig, dass es nicht nur eine Frau gibt. | |
Einen kulturellen Prozess anzustoßen, ist keine schnelle Lösung. Eine | |
Quote ist ein Mittel, ihn zu beschleunigen. | |
Sie haben auch gefragt, was für eine Führungsposition wichtig ist. Da haben | |
die Frauen gesagt: Kommunikation. Und die Männer so was wie Sportwissen und | |
Organisation. Führen Frauen anders? | |
Frauen betonen die zwischenmenschlichen Fähigkeiten auch wegen des Umfelds, | |
in dem sie agieren. Sie bewegen sich täglich in einem Spannungsfeld und | |
können ihre Position nur halten, wenn sie gut kommunizieren. Für Männer ist | |
das vielleicht nicht so wichtig. | |
Eine Studie hat kürzlich festgestellt, dass Sportgremien, in denen Frauen | |
aktiv sind, erfolgreicher arbeiten. Ist das hilfreich, oder wird hier | |
Gleichberechtigung wirtschaftlich vereinnahmt? | |
Das ist eine interessante Frage. Es ist oft der Weg, wie man Türen öffnet | |
für diese Debatte. Im Prinzip sollte Gleichberechtigung ein Recht jedes | |
Menschen sein. Aber aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man natürlich mehr | |
Gehör findet, wenn man Wirtschaft noch mitkommunizieren kann. | |
Besteht dabei nicht die Gefahr, Rechte abhängig zu machen? Wenn irgendwann | |
rauskommt, dass Gremien mit Frauen schlechter arbeiten, dann lassen wir es | |
halt? | |
Definitiv. Deshalb steht das Grundrecht zu Mitbestimmung an erster Stelle. | |
Sie haben auch Förderprogramme aus der Praxis evaluiert. Welches hat Sie | |
überzeugt? | |
Ich fand gut, dass die Mentoringprogramme in Deutschland und England, etwa | |
beim [2][DOSB], mittlerweile langfristiger angesetzt werden, sodass | |
Netzwerke entstehen können. Sehr interessant fand ich auch den schwedischen | |
Golfverband, der das Konzept Gleichberechtigung als Prozess gemeinsam auf | |
allen Ebenen durchgeführt hat. Inklusive Vorstand, und auch mit | |
wissenschaftlicher Begleitung, durch Bildungsarbeit und mit Aktionsplan. In | |
dem Umfang hatte ich vorher auch noch nicht davon gehört. | |
15 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] http://www.discoverfootball.de/fileadmin/user_upload/Handbuch/A_handbook_of… | |
[2] https://gleichstellung.dosb.de/themen/mentoring-programm/ | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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