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# taz.de -- Urteil gegen Heckler & Koch: Millionenstrafe für Waffenschmiede
> Erstmals wird eine deutsche Rüstungsfirma wegen illegaler Waffenexporte
> verurteilt. Kritiker bemängeln die unterbelichtete Rolle der Politik.
Bild: Mexikanische Polizisten beschlagnahmen eine Heckler & Koch-Maschinenpisto…
Stuttgart taz | Es geht ein Raunen durch den Zuschauerraum des Stuttgarter
Landgerichts, als der Vorsitzende Richter, Frank Maurer, ein Urteil
verkündet, das man historisch nennen kann. Erstmals wird ein deutsches
Rüstungsunternehmen wegen illegaler Waffenexporte zur Rechenschaft gezogen.
Zwei Mitarbeiter werden immerhin zu Bewährungsstrafen verurteilt, Heckler &
Koch, Ausrüster von Polizei und Bundeswehr, muss die 3,7 Millionen Euro,
die es aus dem illegalen Waffendeal mit Mexiko erlöst hat, an die
Staatskasse abführen.
Die Zuschauerreihen sind voll am Tag der Urteilsverkündung. In der ersten
Reihe sitzt Jürgen Grässlin, Rüstungsgegner, zusammen mit dem Anwalt Holger
Rothbauer hat er das Verfahren vor über acht Jahren [1][ins Rollen
gebracht], als sie Beweise dafür gesammelt haben, dass Waffenhersteller
zwischen 2006 und 2009 fast 5.000 Sturmgewehre für Unruheprovinzen von
Mexiko geliefert hatten.
Doch das Raunen unter den Zuschauern ist keine Würdigung eines forschen
Urteils. Es ist Ausdruck einer gewissen Empörung darüber, dass ausgerechnet
der Mann, der bei Heckler & Koch für gute Beziehungen zu den deutschen
Behörden sorgen sollte, mit einem Freispruch davonkommt.
Peter B. ist der größte Fisch unter den Angeklagten. In seinem früheren
Leben war er Landgerichtspräsident in Rottweil. 2006 kam er als
Behördenbeauftragter zur Oberndorfer Waffenschmiede, weil er noch etwas
„halbwegs Sinnvolles“ in seinem Ruhestand tun wollte, wie er vor Gericht
sagt. Er stand in regelmäßigem Kontakt mit dem Wirtschaftsministerium und
wusste, nach welchen Kriterien dort Genehmigungen für Waffenlieferungen
erteilt werden. Für manche im Saal ist es schwer zu glauben, dass er keinen
Anteil an der Manipulation der Endverbleibserklärungen für die Gewehre für
Mexiko hatte.
## Sauber abgeheftet
Dies sei ein Indizienprozess gewesen, erklärt dagegen die Kammer. Man habe
jedem Angeklagten einzeln nachweisen müssen, wann er was über die
Transaktionen erfahren habe. Im Fall von B. gelang dies der
Staatsanwaltschaft und dem Gericht nicht, von den Gesprächen, die er damals
im Ministerium geführt hatte, hat B. keine Notizen angefertigt.
Bei einer Sachbearbeiterin konnte der Nachweis einfacher erbracht werden,
sie hatte den ominösen Mailverkehr sauber abgeheftet. Sie wird zu 17
Monaten auf Bewährung und 250 Stunden Sozialdienst verurteilt. Auch der
Vertriebsleiter, Ingo S., erhält eine Bewährungsstrafe von 22 Monaten.
Außerdem muss er 50.000 Euro Strafe an soziale Einrichtungen bezahlen.
Beiden konnte nachgewiesen werden, dass sie an Manipulationen sogenannter
Endverbleibserklärungen für 4.700 Gewehre, zwei Maschinenpistolen und
entsprechendem Zubehör beteiligt waren. Das Gericht wertete dazu einen
E-Mail-Verkehr zwischen dem Oberndorfer Haupthaus und dem mexikanischen
Repräsentanten des Unternehmens aus, in dem darüber diskutiert wird, welche
mexikanischen Bundesstaaten als Bestimmungsort in den Dokumenten auftauchen
dürfen und welche nicht.
Ausgerechnet [2][Guerrero,] die Provinz, die als Hauptabnehmer für die
Oberndorfer Waffen galt, durfte nicht in der Endverbleibserklärung
auftauchen, obwohl die Waffen später dort landeten und auch bei der
Verschleppung und Ermordung von 43 Studenten im Jahr 2014 zum Einsatz
kamen. Also wurde der Bestimmungsstaat aus den Genehmigungsdokumenten
gestrichen. Das lief nach dem Grundsatz „Sie wünschen, wir spielen“, sagt
der Vorsitzende Richter.
Den beiden nach der Aktenlage Hauptverantwortlichen in der Sache habe man
nicht den Prozess machen können, bedauerte das Gericht. Mitarbeiter Axel H.
ist inzwischen verstorben und der mexikanische Handelsvertreter nicht zur
Verhandlung erschienen. Er legte das Attest einer mexikanischen Klinik vor,
nach dem ihm die Reise über den Atlantik gesundheitlich nicht zuzumuten
ist.
Das Urteil folge dennoch nicht dem „populistischen Spruch ‚Die Kleinen
hängt man, die Großen lässt man laufen‘“, beteuert Richter Maurer. Trotz…
bleibt mit dem Freispruch des Behördenbeauftragten B. die Rolle der Politik
aus Sicht der Rüstungskritiker unterbelichtet. Etwa die Frage, ob das
Wirtschaftsministerium im Genehmigungsverfahren genau genug hingeschaut
hat.
In der Verhandlung hatte ein Ministeriumsmitarbeiter ausgesagt, man sei
eben das Ministerium „für“ Wirtschaft, für Einwände sei das Auswärtige …
zuständig gewesen. Das Gericht stellt nun in seinem Urteil klar, die
Bundesbehörden seien die Betrogenen gewesen, nicht die Komplizen. Ihnen
habe Heckler & Koch sachlich falsche Dokumente vorgelegt.
## Keine Kleinigkeit
Für Jürgen Grässlin dagegen ist klar: „Das Rüstungskontrollregime in
Deutschland ist nicht das Papier wert, auf dem es geschrieben ist.“ Dabei
kann er sich sogar auf eine Feststellung des Gerichts berufen. Es gebe da
eine Gesetzeslücke, sagt der Vorsitzende Richter: Das Erschleichen einer
Rüstungsexportgenehmigung sei nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz nicht
strafbar, nur nach dem Außenhandelsgesetz.
Insgesamt habe das Urteil „helle und dunkle Seiten“, sagt Grässlin nach dem
Prozess in die Fernsehkameras. Zu den aus seiner Sicht hellen Seiten gehört
zweifellos, dass Heckler & Koch an die Staatskasse zahlen muss. 3,7
Millionen, das ist für ein Unternehmen wie den Oberndorfer Mittelständler
keine Kleinigkeit. Nach einem [3][Bericht des Handelsblatts]
erwirtschaftete die Waffenschmiede in den ersten drei Quartalen im
vergangenen Jahr Millionenverluste – bei hohen Schulden und einem Umsatz
von gerade mal 164 Millionen Euro.
21 Feb 2019
## LINKS
[1] /Kommentar-Weltweite-Ruestungsexporte/!5569181
[2] /Verschleppte-Studenten-in-Mexiko/!5556501
[3] http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/hauptversammlung-wie-die-…
## AUTOREN
Benno Stieber
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