# taz.de -- Berlinale – François Ozons „Grâce à Dieu“: Der Priester vo… | |
> „Grâce à Dieu“ erzählt von einem Missbrauchsskandal an einer katholisc… | |
> Kirche. Der Film zeigt auch ein Potpourri an Facetten von Männlichkeit. | |
Bild: Still aus „Grâce à Dieu“ von François Ozon | |
François Ozons Film „Grâce à Dieu“ nimmt sich einen jüngeren Skandal der | |
katholischen Kirche in Frankreich vor. Ein Priester namens Bernard Preynat | |
hat in Lyon dutzende Kinder für sexuelle Handlungen missbraucht. Viele | |
wussten davon. Eltern, Angehörige. Und auch hohe Amtsträger der Kirche, | |
darunter ein Kardinal. In knapp einem Monat wird in Frankreich tatsächlich | |
ein Urteil verkündet werden. | |
[1][Ozons Film ist dieser Tage also ganz auf der Höhe der Zeit.] Es wird | |
spannend sein, zu erfahren, wie „Grâce à Dieu“ rezipiert wird, wenn er ba… | |
offiziellen Kinostart hat. Den drei Hauptcharakteren jedenfalls sieht man | |
über zwei Stunden dabei zu, wie sie aus ihrem Schweigen treten und sich auf | |
allen Ebenen gegen Preynat und die katholische Kirche organisieren. | |
In einem wahnsinnigen Tempo sind hier Szenen aneinandergereiht, treten neue | |
Charaktere auf und fügen sich ein in ein Netz von beträchtlichem Ausmaß. | |
Verschmutzte Wunden reißen auf, die die Kirche mit luftdichten Pflastern am | |
liebsten für immer versiegelt hätte. | |
„Ich wollte dem Publikum einen winzigen Eindruck von der emotionalen und | |
physischen Gewalt vermitteln, die dann entstehen kann, wenn Opfer ihre | |
Geschichte teilen“, sagt Ozon über seinen Film. In „Grâce à Dieu“ mün… | |
sie in Rekationen von Leugnung über Relativierung bis hin Ignoranz und | |
sogar Eifersucht. Wer steht an wessen Seite? Kann es ertragen werden, wenn | |
aus Schmerz auch positive Energie erwächst? | |
## Fragile Männer | |
[2][François Ozon sagt,] ihm wäre es zunächst vor allem darum gegangen, | |
einen Film über männliche Fragilität zu realisieren. Denn damit hätte er | |
sich in der Vergangenheit eher schwergetan. Dabei ist es gerade Melvil | |
Poupaud – er spielt in „Grâce à Dieu“ Alexandre Guérin, der gewisserma… | |
den Aufschlag zur Initiative „La Parole Libérée“ („Das gebrochene | |
Schweigen“) gibt, unter deren Schirm sich nach und nach zahlreiche Männer | |
sammeln. | |
Aber es stimmt: In „Grâce à Dieu“ rollen mehr Tränen über die Gesichter… | |
Männern als in früheren Arbeiten. Der Film ist auch ein Potpourri an | |
Facetten von Männlichkeit. | |
Jeder der drei Protagonisten verkörpert einen anderen Umgang mit den | |
traumatischen Erlebnissen, die sich im Pfadfinderlager, im Fotolabor oder | |
Büro (Ozon inszeniert sie bis auf die letzte Einstellung dieser Art als | |
stumme Flashbacks) zugetragen haben: Alexandre Guérin als introvertierter, | |
erfolgreicher Typus mit großer Familie und weitestgehend intaktem Glauben, | |
François Debord (Denis Ménochet), hemdsärmeliger Atheist, der „La Parole | |
Libérée“ die nötige Schlagkraft verleiht. | |
Und Emmanuel Thomassin (Swann Arlaud), dank dem „Grâce à Dieu“ etwas an | |
Geschwindigkeit verliert. Trotzdem ist es vielleicht genau die richtige | |
Geschwindigkeit, um diesem schwierigen Thema zu begegnen. | |
8 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
Carolin Weidner | |
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