# taz.de -- Berlinale „God Exists, Her Name is Petrunya“: Das Glück liegt … | |
> Teona Strugar Mitevskas Film über ein orthodoxes Ritual in Mazedonien, an | |
> dem nur Männer teilhaben dürfen – eigentlich (Wettbewerb). | |
Bild: Merkwürdiges Ritual: Kreuz ins Wasser schmeißen und dann suchen | |
In den ersten Minuten wirkt Teona Strugar Mitevskas „God Exists, Her Name | |
is Petrunya“ wie der diesjährige religionskritische Wettbewerbsbeitrag aus | |
Osteuropa. Oft stammen diese Filme aus Polen, in diesem Fall ist der | |
Schauplatz Mazedonien, ein von orthodoxem Glauben geprägtes Land, das einer | |
speziellen Tradition folgt: Am Fest der Heiligen drei Könige – dass dem | |
orthodoxen, julianischen Kalender folgend am 19. Januar stattfindet – wird | |
ein kleines Holzkreuz in ein Gewässer geworfen. | |
Meist junge Männer springen in die eisigen Fluten und versuchen, das Kreuz | |
zu finden. Wem es gelingt, der hat ein Jahr lang Glück. Frauen dürfen an | |
diesem Ritual nicht teilnehmen, doch im Jahre 2014 fand das Ereignis statt, | |
das Mitevska nun zum Ausgangspunkt ihres Films nimmt: Eine Frau sprang ins | |
Wasser, fand das Kreuz und löste mit diesem Stich ins Herz der | |
konservativen Traditionen einen Skandal aus. | |
Im Film heißt diese Frau Petrunya – überzeugend gespielt von der | |
Laiendarstellerin Zorica Nusheva in ihrem ersten Film – ist 32 Jahre alt, | |
ledig und arbeitslos. Zwar ist sie promovierte Historikerin, doch mit solch | |
einen Metier hat sie kaum eine Chance auf eine Anstellung. Zumal die | |
Strukturen der Gesellschaft von Männern geprägt sind, die sich ihrer Macht | |
sehr bewusst sind. | |
Bei einem Vorstellungsgespräch empfängt der Chef einer Fabrik Petrunya da | |
etwa in einem Glaskasten, inmitten von dutzenden Angestellten. Und auch in | |
den Institutionen des Staates wäscht eine Männerhand die andere: Der Chef | |
der örtlichen Polizei trinkt mit dem Pfarrer Schnaps, beide sind sich | |
einig, dass das in ihren Augen ungebührliche Verhalten Petrunyas vor allem | |
ein Ärgernis ist, nicht mehr. | |
## Ihr Recht auf das Kreuz | |
Doch so leicht macht es Petrunya den Männern nicht, sie mag zwar eine Frau | |
sein, aber dumm ist sie deswegen noch lange nicht. Ruhig verteidigt sie | |
ihre Position, ihr Recht auf das Kreuz, dass ihr als wenig religiöser | |
Person streng genommen gar nicht wichtig ist. Vor allem ist es ein Symbol | |
für das Versprechen auf Glück; Glück, das Petrunya bislang kaum vergönnt | |
war, nicht nur, aber auch weil sie Frau in einer patriarchalischen | |
Gesellschaft ist. | |
Denn so einfach macht es sich Mitevska nicht. Statt einem grotesken, | |
sarkastischen Ton zu folgen, der kein gutes Haar an der Kirche und dem | |
Patriarchat lässt, beschreibt sie differenziert und ambivalent eine | |
Gesellschaft, die noch keinen rechten Weg gefunden hat, ihre langen | |
Tradition mit der Moderne zu versöhnen und deren Staus Quo nun von einer | |
ebenso mutigen wie willensstarken Frau auf die Probe gestellt wird. | |
10 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Michael Meyns | |
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