| # taz.de -- Berlinale „Répertoire des villes disparues“: Dämonen in Eis u… | |
| > Denis Côtés „Répertoire des villes disparues“ spielt mit | |
| > Mystery-Elementen in den geheimnisvollen Landschaften des winterlichen | |
| > Kanadas. | |
| Bild: Robert Naylor spielt Jimmy in „Répertoire des villes disparues“ | |
| Der Teaser zu Denis Côtés jüngstem Spielfilm „Répertoire des villes | |
| disparues“ (Ghost Town Anthology) zeigt die Filmcrew auf grobkörnigem | |
| Schwarzweiß-Material fröstelnd im Schneesturm. Man sieht Adele, eine der | |
| Darstellerinnen im Skianzug, wie sie vor den Augen der übrigen Schauspieler | |
| von einem Kran in die Luft gehoben wird. | |
| Ein fast heiter anmutendes Making-of zu Côtés fantastisch düsterer | |
| Filmerzählung, die mit dem plötzlichen Autounfall des 21-jährigen Simon | |
| Dubé auf winterlicher Landstraße beginnt. Kleine maskierte Gestalten mit | |
| Mützen und Ponchos nähern sich dem Verunglückten, um bald wieder im Schnee | |
| zu verschwinden. | |
| In blassen Farben und auf 16 Millimeter Filmmaterial festgehalten | |
| inszeniert der 1973 geborene Filmemacher leinwandfüllend die unwirtliche | |
| Schneelandschaft Québecs. Aus diesem irreal wirkenden Setting heraus | |
| versucht der Frankokanadier, die Filmadaption des gleichnamigen | |
| Mystery-Romans von Laurence Olivier in stimmungsvollen Bildern, aber mit | |
| nur vage angedeuteten Handlungssträngen zu entwickeln. | |
| Dort, im verschlafenen Irénée-les-Neiges zeigt sich allmählich, dass der | |
| unaufgeklärte Tod des jungen Simon nicht nur das Leben seiner Familie | |
| nachhaltig belastet, sondern auch den Alltag der übrigen Bewohner des | |
| 215-Seelen-Dorfs durcheinanderbringt. | |
| ## Von Geistern der Vergangenheit heimgesucht | |
| Für Simons Mutter ergibt ein Selbstmord des Sohnes eindeutig keinen Sinn, | |
| der ältere Bruder Jimmy (Robert Naylor) weiß es jedoch besser und repariert | |
| weiter stoisch Motoren in der Werkstatt. Kurz nach Silvester entflieht sein | |
| Vater der bedrückenden Atmosphäre zu Hause und kehrt vom Zigarettenholen | |
| vorerst nicht mehr zurück. | |
| Währenddessen fällt bei der ängstlichen, etwas labilen Adele (Larissa | |
| Corriveau) plötzlich der Strom aus und das zurückgezogen lebende, alles | |
| kommentierende Rentnerpaar stapft in Schneeschuhen durch den Wald. | |
| Immer häufiger tauchen die maskierten Kinder nun sichtbar in der eisigen | |
| Landschaft auf. Gleichzeitig begegnet Simons Familie mehrfach dem | |
| verstorbenen Sohn. | |
| Die Ereignisse in dem von Geistern der Vergangenheit heimgesuchten Dorf mit | |
| seinen verschrobenen Protagonisten – allen voran die starrköpfige | |
| Bürgermeisterin (Diane Lavallée) – erinnern zuweilen an Lars von Triers | |
| Fernsehserie „Hospital der Geister“. Kämpferisch ruft die zierliche | |
| Dorfautorität zur Einheit und zum Widerstand der schrumpfenden Gemeinde | |
| auf. Ebenso vehement wehrt sie jede Unterstützung aus dem Département zur | |
| psychologischen Bewältigung des Trauerfalls ab. | |
| Mit offensichtlichem Vergnügen spielt Denis Côté, der zuletzt 2016 mit | |
| „Boris sans Beatrice“ im Wettbewerb der Berlinale vertreten war, in | |
| „Répertoire des villes disparues“ mit Filmelementen aus dem populären | |
| Mystery-Genre und findet dafür im dörflichen Ambiente von Irénée-les-Neiges | |
| reizvolle Bilder für eine fantastisch aufgeladene Atmosphäre. | |
| Doch scheint der Regisseur, der für ein eher formalistisches Kino bekannt | |
| ist, zu übersehen oder vielleicht auch ignorieren zu wollen, dass eine | |
| geheimnisvoll angelegte Geschichte am Ende erst durch eine überraschende | |
| Auflösung inhaltlich überzeugen kann. Aber das wäre wohl zu einfach | |
| gewesen. | |
| 12 Feb 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Eva-Christina Meier | |
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