# taz.de -- SPD und Hartz IV: Nahles für neues Bürgergeld | |
> SPD-Chefin Andrea Nahles will weitgehende Änderungen bei Hartz IV. In der | |
> SPD erntet sie Lob, in der CDU Widerspruch. | |
Bild: Andrea Nahles will Sanktionen für Arbeitslose abschwächen – aber nich… | |
BERLIN taz | Seit Monaten diskutiert die SPD öffentlich und | |
nicht-öffentlich, wie ein Abschied von Hartz IV aussehen könnte. Jetzt hat | |
Parteichefin Andrea Nahles erstmals ihre Vorstellungen präzisiert. Sie warb | |
am Mittwoch in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland für | |
ein „Bürgergeld“, welches das umstrittene Arbeitslosengeld II ersetzen | |
soll. | |
Die SPD habe damals durch die Hartz-Gesetze ein System aufgebaut, „in dem | |
Druck, Misstrauen und Kontrolle eine viel zu große Rolle spielten“, sagte | |
Nahles. Diese Sichtweise korrigiere die SPD nun. Bezieher von | |
Sozialleistungen fühlten sich viel zu oft als Bittsteller, „obwohl sie | |
einen Rechtsanspruch auf die Leistungen haben“. Der Sozialstaat dürfe nicht | |
als Kontrolleur und Bevormunder auftreten. | |
Nahles' Aufschlag hat einen Grund: Am Sonntag und Montag soll der | |
SPD-Vorstand beschließen, wie die SPD mit dem heiklen Thema Hartz IV | |
verfährt. Nahles hatte im November eine [1][„Sozialstaatsreform 2025“] | |
gefordert und angekündigt, die SPD werde Hartz IV hinter sich lassen. | |
Seither haben sich viele prominente SPDler mit Ideen zu Wort gemeldet. Die | |
SPD-Pläne, die eine Arbeitsgruppe unter Mecklenburg-Vorpommerns | |
Regierungschefin Manuela Schwesig und Juso-Chef Kevin Kühnert erarbeitet | |
hat, ändern nicht alles an der Grundsicherung – aber einiges. | |
Einen klassischen Kompromiss bieten sie zum Beispiel bei der intern | |
umstrittenen Sanktionsfrage an. Nahles will verschärfte [2][Sanktionen für | |
unter 25-Jährige, die im Moment gelten, streichen]. Außerdem dürfe es nie | |
100-Prozent-Streichungen von finanziellen Mitteln geben – und der Staat | |
müsse die Kosten für den Wohnraum garantieren. Derzeit streichen Jobcenter | |
Arbeitslosen, die nicht kooperieren, teilweise die kompletten Leistungen – | |
inklusive der Mietübernahme. | |
## Keine komplette Sanktionsfreiheit | |
Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Kürzungen des Regelsatzes, den | |
Arbeitslose neben den Wohnkosten erhalten, bleiben erlaubt. Nahles will das | |
Sanktionsregime also nicht abschaffen, sondern nur abschwächen. Die Jusos | |
und SPD-Linke hatten für die komplette Sanktionsfreiheit geworben, | |
Arbeitsminister Hubertus Heil und andere hatten für deren abgeschwächte | |
Beibehaltung plädiert. | |
Deutliche Änderungen will Nahles beim Arbeitslosengeld I. „Wer 58 Jahre alt | |
ist, kann heute 24 Monate lang Arbeitslosengeld I beziehen“, sagte sie. | |
„Wir wollen den Bezugszeitraum auf bis zu 33 Monate verlängern.“ In | |
Einzelfällen könne die Bezugsdauer sogar auf drei Jahre steigen. Außerdem | |
sollen Menschen nach dem Arbeitslosengeld I, das normalerweise ein Jahr | |
lang gezahlt wird, nicht sofort ins neue Bürgergeld fallen. Stattdessen | |
soll es eine zweijährige Übergangsphase geben, in der etwa die | |
Angemessenheit der Wohnung nicht in Frage gestellt werden soll. | |
Damit zielt die SPD auf ihre klassischen Wählermilieus. „Die Verlängerung | |
des Arbeitslosengeldes I ist in einer sich ändernden Erwerbswelt | |
entscheidend“, sagt SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach. „Ein Facharbeiter, | |
der durch einen Roboter ersetzt wird, muss keine Angst mehr haben, schnell | |
in die Grundsicherung zu stürzen.“ | |
Beim entscheidenden Punkt soll aber alles beim Alten bleiben. Nahles möchte | |
die Regelsätze nicht erhöhen. „Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber | |
den Menschen, die für wenig Geld jeden Tag zur Arbeit gehen.“ Deren | |
Motivation dürfe nicht zerstört werden. Sozialverbände halten den Regelsatz | |
von derzeit 424 Euro für einen Erwachsenen für zu niedrig. Der Paritätische | |
Wohlfahrtsverband hielte 571 Euro für angemessen, um das soziokulturelle | |
Existenzminimum zu sichern. | |
## SPD in NRW unterstützt Pläne | |
In der SPD kommen Nahles‘ Vorschläge gut an. „Ich unterstütze die Ideen v… | |
Andrea Nahles für einen starken, solidarischen Sozialstaat ausdrücklich“, | |
sagt Sebastian Hartmann, Chef des wichtigen Landesverbandes | |
Nordrhein-Westfalen. „Die Vorschläge sind ein guter Ansatz, um | |
Abstiegsängste zu überwinden und für neues Vertrauen in unsere Demokratie | |
zu sorgen.“ Es sei richtig, die Unterstützung in den Mittelpunkt des | |
Handelns zu stellen und nicht Misstrauen. „Jetzt muss die Union zeigen, ob | |
sie den fortschrittlichen Sozialstaat von morgen mitgestalten will oder | |
weiterhin nur das Gestern verwalten.“ | |
Aus der CDU kam am Mittwoch postwendend Kritik. „Ich halte es für ein | |
völlig falsches Zeichen, wenn man in dieser Arbeitsmarktlage mit einer | |
Rekordbeschäftigung die Bezugsdauern für das Arbeitslosengeld verlängern | |
will“, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Peter | |
Weiß, der Nachrichtenagentur Reuters. „Ich sehe beim Arbeitslosengeld I gar | |
keinen Handlungsbedarf.“ Die SPD-Vorschläge passten nicht zur | |
Arbeitsmarktsituation. | |
6 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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