# taz.de -- Seehofer will Abschiebung erleichtern: Verschärfung mit schönem N… | |
> Horst Seehofers neues Gesetz rückt näher. Wer Abschiebungen behindert, | |
> indem er Betroffene warnt, macht sich demnach strafbar. | |
Bild: Abschiebungs- und Strafgefangene könnten bald in dieselben Einrichtungen… | |
BERLIN taz | Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat seinen Entwurf | |
für die erneute Verschärfung der Abschiebungsgesetzgebung in die | |
Ressortabstimmung gegeben. Das „Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der | |
Ausreisepflicht“ soll unter anderem einen Status unterhalb der Duldung | |
einführen, die Inhaftnahme von ausreisepflichtigen Personen erleichtern und | |
ausweiten und ermöglichen, Abschiebungs- und Strafgefangene in den selben | |
Einrichtungen unterzubringen. | |
Das Gesetz, das in Klammern den griffigeren Namen | |
„Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ trägt – wohlklingende Namen scheinen Konjun… | |
zu haben in dieser Großen Koalition – hatte Seehofer in den vergangenen | |
Monaten mehrfach angekündigt. Seit einiger Zeit schon [1][kursierte im Netz | |
ein Entwurf], das mit dem nun eingereichten Dokument aber nicht identisch | |
ist, wie es aus dem Bundesinnenministerium (BMI) heißt. | |
So war dort unter anderem noch die Rede davon, den bisherigen | |
Ausreisegewahrsam derart umzugestalten, dass er ohne richterliche Anordnung | |
vorgenommen werden kann. Ein solches Vorhaben sei nicht vorgesehen, heißt | |
es nun aus dem BMI. | |
Straftäter*innen, die ihre Haftstrafen verbüßt haben, aber nicht | |
abgeschoben werden können, sollen künftig restriktiveren Maßnahmen | |
unterworfen werden, etwa Meldepflichten und elektronischen Fußfesseln. | |
## Wer Betroffene warnt, macht sich strafbar | |
Das BMI will künftig zudem bestrafen, [2][wenn Dritte Abschiebungen | |
behindern] – etwa, indem sie die Betroffenen vorab warnen und sie über den | |
von Behördenseite geheim gehaltenen Abschiebetermin informieren. | |
Einer der weitreichendsten Punkte des Entwurfs dürfte die Einführung einer | |
sogenannten „Ausreiseaufforderung“ sein, einem Status noch unterhalb der | |
Duldung. Unter einer Duldung versteht man den prekären Zustand einer | |
„vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung“. Diese betrifft Menschen, die | |
vollziehbar ausreisepflichtig sind, aus unterschiedlichen Gründen aber | |
nicht abgeschoben werden können – wegen Krankheit oder unzumutbaren | |
Zuständen im Heimatland etwa, aber auch wegen fehlender Papiere. | |
Eine Duldung sollen künftig nur noch Menschen bekommen, denen das | |
Ausreisehindernis nicht selbst zurechenbar ist. Die Ausreiseaufforderung | |
würde also Menschen treffen, die aus Sicht der Behörden an der | |
Passbeschaffung nicht ausreichend mitwirken, und eine Einschränkung von | |
Leistungen und Integrationsangeboten beinhalten. | |
Auch bei den [3][unterschiedlichen Formen der Inhaft- und Ingewahrsamnahme] | |
für Ausreisepflichtige [4][will das BMI nachsteuern]. So solle verhindert | |
werden, dass diese nicht auffindbar seien, wenn die Abschiebung eingeleitet | |
werde. | |
## Unterbringung in normalen Gefängnissen | |
Wegen mangelnder Abschiebungshaftplätze sollen Ausreisepflichtige zumindest | |
vorübergehend in den selben Einrichtungen wie Strafgefangene untergebracht | |
werden – allerdings dort räumlich von ihnen getrennt. Dafür muss das in der | |
[5][EU-Rückführungsrichtline von 2010] festgeschriebene Trennungsgebot | |
vorübergehend ausgesetzt werden – was in außergewöhnlichen Fällen möglich | |
sei, wie das BMI betont. Eins solcher sei in Deutschland gegeben, weil 479 | |
Haftplätzen etwa 236.000 Ausreisepflichtige gegenüber stünden. | |
Eine Argumentation, die der [6][Anwalt Peter Fahlbusch nicht teilt]. „Wer | |
auf die Richtlinie und entsprechende Gerichtsurteile nicht reagiert und | |
jetzt zu wenig Haftplätze hat, kann sich nicht auf einen Notstand berufen, | |
weil er jetzt Zehntausende Leute aus dem Land schaffen will“, sagte | |
Fahlbusch der taz. | |
Kritik kam auch aus der Opposition. Der „Horrorkatalog aus dem Hause | |
Seeofer“ klinge „schon arg nach ungarischen Verhältnissen“, sagte die | |
Linken-Innenpolitikerin Ulla Jelpke zur Strafandrohung gegen Dritte. „Dazu | |
kann ich nur sagen, dass ich stolz bin, Teil dieser so genannten | |
[7][,Anti-Abschiebe-Industrie'] zu sein“, sagte Jelpke. Schutzsuchende bei | |
der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen könne kein Verbrechen sein. | |
## Grünen sehen darin eine „Giftliste“ | |
Von einer „Giftliste“ sprach die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat und | |
kündigte „erhebliche Zweifel“ an der Verfassungskonformität weiter Teile | |
des Referentenentwurfs an. „Es scheint fast so, als wollten die Hardliner | |
im Bundesinnenministerium austesten, wie weit sie den Rechtsstaat beugen | |
können“, sagte Polat. | |
Auch Pro Asyl hatte den Entwurf bereits bei Bekanntwerden der [8][älteren | |
Fassung heftig kritisiert]. Er [9][kriminalisiere die Zivilgesellschaft] | |
und verletze das Recht auf Informationsfreiheit. Frühere Versuche der | |
Union, eine „Duldung Light“ einzuführen, hätten „aus guten Gründen kei… | |
Mehrheit“ gefunden, so Pro Asyl. Zuletzt hatte der frühere | |
Bundesinnenminister Thomas de Maizière [10][eine solche Regelung 2016 | |
vorgeschlagen]. | |
14 Feb 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2019/02/GE-Zweites-Gesetz-zur-bes… | |
[2] /Gesetzentwurf-im-Innenministerium/!5571294 | |
[3] https://www.asyl.net/themen/aufenthaltsbeendigung/abschiebungshaft-und-inge… | |
[4] /Plan-fuer-abgelehnte-Asylbewerber/!5555984 | |
[5] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX%3A32008L0115 | |
[6] /Anwalt-ueber-Abschiebehaft/!5469437 | |
[7] /Anti-Abschiebe-Industrie-als-Unwort/!5563227 | |
[8] https://www.proasyl.de/news/das-geordnete-rueckkehr-gesetz-ignoriert-rechts… | |
[9] /Kommentar-Abschiebepolitik/!5571395 | |
[10] /Kritik-an-de-Maizieres-Sicherheitsplaenen/!5324995 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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