| # taz.de -- Verfassungssschutz-Gutachten: Halbwissen über die AfD | |
| > Der Verfassungsschutz hat Fakten über rechtsradikale Verstrickungen von | |
| > AfD-Verbänden im Norden nicht berücksichtigt. | |
| Bild: Wie gemalt für den Verfassungsschutz: „Merkel-muss-weg“-Demos und Af… | |
| Hamburg/Bremen taz | Die Haltung der AfD ist klar: Die Einstufung der | |
| Partei als „Prüffall“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sei | |
| durch einen „gewissen politischen Druck“ entstanden, wie ihr Landesprecher | |
| in Mecklenburg-Vorpommern, Dennis Augustin, es auf Facebook formuliert, | |
| nicht etwa durch ihre Positionen. | |
| Mit der Einstufung hätten „die Altparteien und das Establishment“ gezeigt, | |
| dass sie „vor nichts mehr gegen eine konservative und patriotische | |
| Opposition zurückschrecken“, so Augustin. Nicht „Spalten und Reinigen“ s… | |
| jetzt geboten, warnt er. | |
| Augustin gehört zu jenen Personen, die in dem jetzt bekannt gewordenen | |
| Gutachten des BfV zu der Bewertung als Prüffall geführt haben. Auf 443 | |
| Seiten wird dort bestätigt, dass sich die Parteistrukturen auch im Norden | |
| extrem rechts munitioniert und positioniert haben. Das Gutachten offenbart | |
| aber auch Leerstellen. Lange bekannte Belege für rechtsextreme Verbindungen | |
| zieht der Geheimdienst nicht heran. | |
| Keinem der AfD-Landesverbände Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, | |
| Niedersachsen und Schleswig-Holstein attestiert das BfV eine moderate | |
| Ausrichtung. | |
| Der AfD in Mecklenburg-Vorpommern um Augustin schreibt das Bundesamt | |
| völkisch-nationalistische Tendenzen zu. Oft wird Augustin zitiert, etwa aus | |
| einer Rede, in der er ausführte, „dass die deutschen Jünglinge hilflos mit | |
| ansehen, wie ein muslimischer Mob wie die Halbaffen über die Frauen und | |
| Freundinnen herfällt“. Verbindungen zu rechtsextremen Netzwerken wie der | |
| Identitären Bewegung (IB) finden Erwähnung. | |
| ## Gewaltfantasien im Chat | |
| Nicht thematisiert werden dagegen die [1][Gewalt- und | |
| Vergewaltigungsfantasien] gegen politische Gegner oder ein Foto von | |
| marschierenden SS-Männern in AfD-internen Chatgruppen. Kein Wort verliert | |
| das Gutachten darüber, dass ein AfD-Funktionär Beschuldigter in einem | |
| Terrorverfahren ist und der Landtagsabgeordnete Jens Holger Schneider | |
| Kontakte in die rechtsextreme Szene pflegte. | |
| Der Parlamentarische Geschäftsführer [2][Ralph Weber] wird zwar etliche | |
| Male zitiert – aber dass er in seinem Bürgerbüro einen Rechtsextremen als | |
| Mitarbeiter beschäftigt hatte, bleibt unerwähnt. Auch dass Augustin bei der | |
| Kampagne „Merkel muss weg!“ in Hamburg als Redner auftrat, fehlt. | |
| ## Verbandelt mit „Merkel muss weg!“ | |
| Der Hamburger AfD hält der Verfassungsschutz rechtsextreme Kontakte wie die | |
| des Fraktionsvorsitzenden Alexander Wolff vor. Dass jedoch Fraktionsvize | |
| [3][Dirk Nockemann auf Facebook mit Thomas Gardlo vom „Orga-Team“ der | |
| Hamburger „Merkel muss weg!“-Demos in Kontakt] steht, kommt im Gutachten | |
| nicht vor. | |
| Überraschenderweise, denn der Hamburger Verfassungsschutz hatte sich selbst | |
| das Verdienst zugeschrieben, er habe durch seine Einschätzung des | |
| Orga-Teams als rechtsextrem den Zulauf zu den Demos eingedämmt. | |
| ## Plakatieren mit Identitären | |
| Aus Bremen greift das BfV nur einen Vorfall auf, der die Nähe des | |
| AfD-Jugendverbands Junge Alternative (JA) zu den Identitären belegt. Im | |
| Juni 2017 [4][hatten der Bremer JA-Vorsitzende Robert Teske und sein | |
| Stellvertreter Marvin Mergard eine Demonstration der IB in Berlin | |
| besucht]. Doch dass der IB-Regionalleiter [5][Jonas Schick zeitweise | |
| Mitarbeiter im Büro der AfD in Bremen] war, wird nicht angeführt | |
| Auch nicht, dass der Landeschef und Bundestagsabgeordnete Frank Magnitz | |
| gemeinsam mit IB-Aktivisten Flugblätter am Rande einer Rede von Angela | |
| Merkel verteilte. Oder dass der Bürgerschaftsabgeordnete Alexander Tassis | |
| im Bundestagswahlkampf [6][zusammen mit einem Mann plakatierte, der ein | |
| T-Shirt der Identitären trug]. Das BfV betont allerdings eine | |
| völkisch-nationalistische Einstellung des Bremer Landesverbandes. | |
| ## Nah dran an Holocaustleugnern | |
| Der AfD in Schleswig-Holstein hält der Verfassungsschutz vor, sie biete | |
| Raum für Relativierungen des Nationalsozialismus. Die Kritik des | |
| AfD-Landesverbandes an der deutschen Erinnerungspolitik erinnere an | |
| „rechtsextremistische Motive“. Die Aussagen der ehemaligen | |
| Landesvorsitzenden Doris von Sayn-Wittgenstein könnten auf ein | |
| „ethnisch-biologisches Verständnis von Volk hindeuten“. | |
| Unberücksichtigt bleiben ihre [7][Kontakte ins rechtsextreme Milieu], etwa | |
| ihre Beziehungen zu dem von einer notorischen Holocaustleugnerin | |
| mitgegründeten Verein „Gedächtnisstätte“ oder ihr E-Mail-Verteiler, der … | |
| Freunden der Waffen-SS, Holocaustleugnern und Verfechtern einer | |
| Reichsideologie bis zum internationalen Rechtsextremismus reichte. Die taz | |
| hatte darüber Mitte Dezember 2018 berichtet. | |
| Das Verfassungsschutz-Gutachten mag da schon weitgehend formuliert gewesen | |
| sein. Der Streit über den Stormarner AfD-Kreistagsabgeordneten Arnulf | |
| Fröhlich wegen seiner [8][Teilnahme am Holocaustleugner-Kongress „Wahrheit | |
| macht frei“] war allerdings schon seit November bekannt – und taucht auch | |
| nicht auf. | |
| ## Krieg gegen das „System“ | |
| Niedersachsens AfD bescheinigt das BfV in der Einwanderungs- und | |
| Asylpolitik eine „kompromisslosere“ Positionierung als „anderen Verbänden | |
| der AfD“. Mit Begriffen wie „Messer-Migration“ setze der | |
| Landtagsabgeordnete Stephan Bothe, Flüchtlinge und Migranten pauschal mit | |
| lebensgefährlichen Gewalttaten in Beziehung. Dem AfD-Kreisverband Osterholz | |
| wirft das Amt eine „völkische“ Sprechweise vor. | |
| Ausgeblendet bleibt aber, dass der Diepholzer AfD-Kreisvorsitzende Andreas | |
| Illof einem rechtsextremen Orden angehörte, der ein Deutsches Reich | |
| anstrebt, dass die Landtagsfraktion die IB-Anhängerin Hildburg Meyer-Sande | |
| beschäftigt und dass der Bundestagsabgeordnete Wilhelm von Gottberg den | |
| Völkermord an den europäischen Juden [9][als „Propaganda-Dampfwalze“ und | |
| „‚jüdische Wahrheit‘ über den Holocaust“ bezeichnete]. | |
| Der Kreisverband Salzgitter, der mit hetzerischen Posts auf Facebook und | |
| Twitter Schlagzeilen machte, kommt im Verfassungsschutz-Gutachten auch | |
| nicht vor. Nach dem Einzug der AfD in den Bundestag hatte [10][es dort | |
| geheißen]: „Die nächste Phase im Krieg gegen dieses widerwärtigste System, | |
| das je auf deutschem Boden existierte, nimmt nun ihren Anfang.“ | |
| Ein Geheimdienst ist ein Geheimdienst. Deshalb kann man das BfV schlecht | |
| fragen, ob die ausgewählten Leerstellen der Unkenntnis geschuldet sind. | |
| Vielleicht hat das Amt diese Fakten beim Zeitungslesen aber auch einfach | |
| übersehen. | |
| 28 Jan 2019 | |
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| Andreas Speit | |
| Sebastian Heidelberger | |
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