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# taz.de -- Gedenken an letzten Mauertoten: Ohne Teilung kein Mauerfall
> Diesen Herbst vor 30 Jahren ist die Mauer gefallen. Bei einer Andacht am
> Dienstag gedenkt man den Opfern, die die Mauer überwinden versuchten.
Bild: Eine Passantin betrachtet das Bild und Denkmal von Chris Geuffroy
Vor einigen Jahren, ich glaube, es war am 25. Jahrestag des Mauerfalls,
erzählte mir einer meiner liebsten Freunde, wie er im Sommer 1989 abhauen
wollte. Er war damals in einem emotionalen Ausnahmezustand. Mit einer
Leiter unterm Arm fuhr er mit der S-Bahn zum Treptower Park, um irgendwo
rüber nach Neukölln zu klettern. Ein Passant konnte ihn im letzten Moment
davon abbringen. Als er mir das vor fünf Jahren erzählte, war ich diesem
unbekannten Passanten unendlich dankbar. Mein Freund hätte bei seinem
Fluchtversuch nicht nur verhaftet, sondern auch erschossen werden können.
Der letzte bei einem Fluchtversuch erschossene Mauertote war Chris
Gueffroy. Hätte er den Mauerfall erlebt, wäre er 21 Jahre alt gewesen, so
starb er mit 20. Auch sein Fluchtversuch am 5. Februar 1989 sollte von
Treptow nach Neukölln in die Freiheit führen. Im Gegensatz zu meinem Freund
hatte er ihn etwas durchdachter geplant. Weil zu dieser Zeit der
schwedische Ministerpräsident in Ostberlin weilte, hieß es, sei der
Schießbefehl aufgehoben. Eine tödliche Fehleinschätzung. Gueffroy starb in
der Nacht vom 5. auf den 6. Februar 1989.
## Freude und Trauer
Die traurige Geschichte von Chris Gueffroy erzählte am Dienstag der Pfarrer
der evangelischen Versöhnungsgemeinde bei einer Andacht in der
[1][Versöhnungskapelle in der Bernauer Straße]. „Wir gedenken der Opfer“,
sagte er, „wir vergessen die Teilung Deutschlands nicht.“ Ein wichtiger
Satz, denn im Herbst steht die Erinnerung an dreißig Jahre Mauerfall ins
Haus. Spektakuläre Events wie die Lichtgrenze vor fünf Jahren wird es nicht
mehr geben. Stattdessen will sich der Senat auch den Themen und Sorgen
widmen, mit denen Berlin dreißig Jahre nach dem Mauerfall zu tun habe.
Das ist wichtig und richtig und kann – breit und offen aufgezogen – ein
Beitrag sein, wieder mehr Menschen ins Gespräch miteinander zu bringen.
Eine Auseinandersetzung mit der Teilung der Stadt, ihren Verwerfungen und
auch ihren Toten ersetzt es aber nicht.
Das denke ich, als ich die Trauerfeier zu Ehren von Chris Gueffroy
verlasse. Ich denke auch, gut, dass der Pfarrer gesagt hat: „Herr, erbarme
dich aller, die heute auf der Flucht sind.“ Vor allem aber denke ich an
meinen Freund und an diejenigen Bekannten, die im Sommer 1989 die DDR via
Ungarn und Österreich in Richtung Bundesrepublik verlassen haben. Keiner
von ihnen hat damals geglaubt, dass sich am 9. November der Eiserne Vorhang
öffnen würde.
5 Feb 2019
## LINKS
[1] https://www.versoehnungskapelle.de/
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Mauerfall
Jahrestag
Mauertote
Gedenken
Wendezeit
DDR
Romanverfilmung
Berlin
Udo Lindenberg
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