# taz.de -- Nothilfe gegen Zwangsverheiratung: Erste queere Krisenwohnung | |
> Vor allem für schwule Männer fehlen in Berlin bei drohender | |
> Zwangsverheiratung Hilfsangebote. Das soll sich nun ändern. | |
Bild: Zimmer in einem Frauenhaus: Kriseneinrichtungen für bedrohte queere Pers… | |
Berlin taz | Ab März soll es in Berlin erstmals eine Krisenwohnung für | |
queere Personen geben, die von Gewalt und Zwangsheirat bedroht sind. Fünf | |
Plätze in einer Wohneinrichtung will der Senat bis Jahresende mit 100.000 | |
Euro ausstatten. Ähnlich wie in einem Frauenhaus sollen in der „Krisen- und | |
Zufluchtsunterkunft für LSBTI“ Personen anonym unterkommen, die unter | |
„sogenannter Gewalt im Namen der Ehre sowie häuslicher Gewalt gegen | |
sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität“ leiden, wie es in der | |
[1][Ausschreibung des Senats] heißt. Der Förderzeitraum läuft zunächst bis | |
Ende 2019, soll aber in ein langfristiges Hilfsangebot münden. | |
Während sich Lesben bislang an Frauenhäuser wenden, fehlen laut | |
Arbeitskreis gegen Zwangsverheiratung vor allem für schwule Männer bei | |
akuter Bedrohung Hilfsangebote. Für 2018 sind dem Berliner Arbeitskreis | |
gegen Zwangsverheiratung 41 Fälle von Jungen und Männer bekannt, die von | |
Zwangsheirat betroffen waren. In 20 Fällen sei die Homosexualität dafür | |
maßgeblich gewesen, so Jörg Steinert vom Lesben- und Schwulenverband | |
Berlin-Brandenburg. Er sagt: „Seit zwölf Jahren fordern wir eine solche | |
Einrichtung.“ Oft meldeten sich Betroffene erst bei akuter Bedrohung – es | |
hieße dann: „Nächste Woche soll ich heiraten, aber ich bin schwul und will | |
das nicht.“ | |
Ohne eine Krisenwohnung können Beratungsstellen nicht ausreichend helfen, | |
oft kämen Opfer nur bei Bekannten unter. Sie müssten nicht nur aus dem | |
Wohnumfeld fliehen, sondern auch Ausbildung und Arbeit aufgeben. | |
Prügel und selbst Morddrohungen habe es in einigen Fällen bereits gegeben, | |
sagte Aileen Kakavand, die Betroffene psychologisch betreut, der taz im | |
Dezember. Anzeigen erstatten die Opfer meist nicht: „Die wollen einfach nur | |
weg“, so Steinert – besser von Berlin nach Dortmund als von Kreuzberg nach | |
Schöneberg. | |
## R2G hat sich Zeit gelassen | |
Auch deshalb sagte Dirk Behrend (Grüne), Senator für Justiz und | |
Antidiskriminierung: „Wir wollen nicht nur eine Unterkunft schaffen, | |
sondern diese auch in eine psychosoziale und sozialpädagogische Beratung | |
einbetten, damit die Betroffenen sich ein selbstbestimmtes Leben neu | |
aufbauen können.“ | |
Allerdings hat sich Rot-Rot-Grün viel Zeit gelassen: Obwohl das Vorhaben | |
auch im Koalitionsvertrag zu finden ist, war seit Regierungsantritt | |
ungeklärt, wer für die Durchführung zuständig ist. Die AWO hielt bereits | |
seit Mai 2018 eine Wohnung vor, die leer steht, weil der Senat nicht aus | |
dem Quark kam ([2][taz berichtete]). | |
Für Steinert kann die erste Wohnung nur ein Anfang sein. Er widersprach | |
zudem [3][dem Senat] und einer [4][Darstellung im Tagesspiegel], dass | |
jährlich etwa zehn Fälle von Zwangsverheiratung Homosexueller bekannt | |
würden: „Es sind mehr schwule Männer. Hinzu kommen die anderen | |
LSBTI-Personen.“ 2017 hätten 570 Personen Beratungsstellen wegen erfolgter | |
oder drohender Zwangsheirat aufgesucht, [5][wie eine Umfrage zeigt]. Laut | |
Steinert sind die meisten davon Frauen, „viele davon, geschätzt zehn | |
Prozent, sind lesbisch“. Zu Recht sei daher im Koalitionsvertrag von | |
erforderlichen Krisenwohnungen in Mehrzahl die Rede. | |
16 Jan 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.berlin.de/sen/lads/schwerpunkte/lsbti/projektfoerderung/#ibv | |
[2] /Archiv-Suche/!5555987&s=krisenwohnung+berlin&SuchRahmen=Print/ | |
[3] https://www.berlin.de/sen/justva/presse/pressemitteilungen/2019/pressemitte… | |
[4] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/vorhaben-des-justizse… | |
[5] https://www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/aktuelles/pressemitteilun… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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