| # taz.de -- Nachhaltige und preiswerte Architektur: Die Kisten der Zukunft | |
| > Modulares Bauen mit Recyclingmaterial – der Architekt Werner Sobek zeigt, | |
| > wie's geht. Er knüpft dabei an die Experimente der 1920er-Jahre an. | |
| Bild: Die Zukunft des Bauens? Kiste auf Kiste – ergibt eine Siedlung | |
| Stuttgart taz | Weiß sind die Häuser der kleinen [1][Weißenhofsiedlung] | |
| wieder. Ihre Konturen heben sich gegen den bläulich einfärbenden | |
| Winterhimmel ab. Unten im Talkessel sind die Lichter angegangen und | |
| schieben ein Zartrosa hinein. Nicht Tag, nicht Nacht, ein kurzer Moment, | |
| der die 1927 entstandene Siedlung aus Ein-, Zweifamilien- und Reihenhäusern | |
| in ein nicht unwirtliches Dezemberlicht rückt. | |
| Die Siedlung entstand 1927 unter Leitung von Ludwig Mies van der Rohe als | |
| Teil der Werkbund-Ausstellung „Die Wohnung“ in Stuttgart. [2][Mies van der | |
| Rohe], Scharoun, Le Corbusier, Gropius, die Brüder Taut: Wer in der | |
| Architektenszene später Rang und Namen hatte, war hier vertreten, darunter | |
| mehrere Bauhaus-Lehrer. | |
| Ein guter Ort, um heute wieder nach der Zukunft des Bauens zu fragen. „Die | |
| Weißenhofsiedlung lotete Wohnformen aus, die gesund und von hoher Qualität | |
| für alle waren, vor allem für die niedrigen Einkommensschichten“, sagt der | |
| Stuttgarter Architekt Werner Sobek. „Das heißt: große Raumhöhen, große | |
| Fenster, Querlüftung, Lichtdurchflutung. Das Außen kommt nach innen – man | |
| kann weit schauen.“ | |
| Die kleine Siedlung am Stuttgarter Killesberg war ein Gesamtkonzept: 21 | |
| Gebäude, in nur 21 Wochen errichtet, die Formen neuen Bauens und neuen | |
| Wohnens erproben sollten. Die Wohnungsfrage war damals so drängend wie | |
| heute. Wie lässt sich gut und zugleich erschwinglich bauen? Wie spart man | |
| Platz und damit Geld? | |
| ## Anknüpfen an eine alte Tradition: neues Bauen | |
| Schon in den 1920er Jahren gab es neben der Weißenhofsiedlung ein | |
| Versuchsgelände, wo die verwendeten Baustoffe, neuartigen | |
| Konstruktionsmethoden und ersten Fertighausteile gezeigt wurden. | |
| Geht man heute die kleine Straße auf der Rückseite des Weißenhofmuseums | |
| entlang, stößt man auf einen kleinen Bungalow mit Glasfront, B10 genannt. | |
| Drinnen ein weißer Esstisch mit gelben Stühlen, eine Sitzgruppe, | |
| Sideboards, leere Fruchtschale, dekorativ und etwas steril, ein Schauraum. | |
| Frank Heinlein, leitender Mitarbeiter im Architekturbüro von Werner Sobek, | |
| schließt die Bungalowtür zum B10 auf. | |
| Das B10 ist ein Versuchshaus, das Werner Sobek konzipiert hat. Der | |
| 65-jährige Architekt entwirft jedes Jahr ein Experimentalhaus, mit dem er | |
| seine Maxime des Triple-zero-Prinzips (kein Energieverbrauch, keine | |
| Emissionen, kein Müll) erprobt und zu verbessern versucht. Neben seiner | |
| Firmengruppe leitet der Architekt auch das Institut für Leichtbau Entwerfen | |
| und Konstruieren (ILEK) an der Uni Stuttgart. | |
| Ein Vordenker und zugleich Praktiker, der schon in den 1990er Jahren damit | |
| begonnen hatte, Seminare zu recyclinggerechtem Bauen anzubieten. Ein | |
| Doktorand des Instituts habe das B10 zwei Jahre lang begleitet, erzählt | |
| Frank Heinlein nach Betreten des Bungalows. Er zieht die Türen der | |
| Einbauschränke an der rückwärtigen Küchenzeile auf: statt Lebensmittel oder | |
| Putzmittel stehen hier technische Geräte. | |
| ## Das Ziel: Nicht Energie sparen, sondern erzeugen | |
| „Das ist unsere Hydraulikmatrix“, erklärt Heinlein und zeigt auf ein groß… | |
| Gerät mit Schläuchen, Rohren und Messuhren. „Sie verteilt die Wärmeströme | |
| im Haus, hat uns aber durch ihre komplexe Schnittstelle am meisten Ärger | |
| gemacht. Strom zu speichern und im Haus zu verteilen ist wesentlich | |
| einfacher.“ | |
| Beim B10 geht es nicht darum, nur möglichst wenig Energie zu verbrauchen, | |
| wie bei den sogenannten Passivhäusern, sondern es geht darum, auch Energie | |
| zu erzeugen – mehr, als man verbraucht, und dabei die Nachbarschaft, das | |
| Energienetz der Umgebung zu entlasten. So erzeugt das B10 das Doppelte | |
| seines Energiebedarfs aus Solarenergie und versorgt auch das benachbarte | |
| Weißenhofmuseum mit Strom. | |
| Das B10 ist Teil eines größeren Forschungsprojekts, das innovative | |
| Materialien und Technologien testet. Eisspeicher, Wärmepumpe, Hydraulik, | |
| Pufferspeicher – Sobeks Pressebeauftragter Heinlein, ein promovierter | |
| 49-jähriger Historiker, versucht der Besucherin die Prozesse der | |
| automatisierten Gebäudesteuerung näherzubringen. Alle Bauteile des aus | |
| unbehandeltem [3][Holz] erbauten B10 sind vormontiert, sie werden in einem | |
| Stück, als Modul, geliefert, sind stapelbar und später komplett recycelbar. | |
| Sieht so das Bauen der Zukunft aus oder ist dies bloß eine technologische | |
| und architektonische Verspieltheit? | |
| „Ich habe viel Zeit und Geld da hineingesteckt, um recyclinggerechtes | |
| Konstruieren zu verstehen und die Werkzeugbox dafür zu entwickeln“, sagt | |
| Werner Sobek. „Aber heute habe ich sie. Und das ist ein unendlicher | |
| Marktvorteil. Die anderen reden darüber, und ich kann’s.“ | |
| ## Viele Kisten ergeben eine neues Siedlung | |
| Ein Aktivhaus nennt Sobek sein Modellhaus, im Gegensatz zum Passivhaus. Und | |
| so heißt auch seine Firma, die in Winnenden bei Stuttgart an diesem | |
| nass-grauen Wintermorgen neue Holzmodule aufstellen lassen will. Der | |
| Architekt ist zugegen, seine Mitarbeiter versammeln sich unter | |
| Regenschirmen. Über eine kleine Leiter kraxeln sie in die zukünftige | |
| Wohneinheit, die Außentreppe fehlt noch. Vier Module wurden schon am Vortag | |
| mit dem Lkw aus Slowenien geliefert und per Kran auf den vorgesehenen Platz | |
| gehoben. | |
| Im Inneren der zukünftigen Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung sind Handwerker damit | |
| beschäftigt, letzte Arbeiten auszuführen. Holzbau, Elektrik, Fußboden, | |
| Fenster, Sanitäranlagen – alles wird in einer Firmenhalle vorgefertigt und | |
| montiert, wetterunabhängig. Früher, erklärt Frank Heinlein, wurden für | |
| Fertighäuser die Elemente angeliefert und dann fand „ganz klassisch der | |
| Innenausbau auf der Baustelle“ statt. Das fraß Zeit, Energie – und war | |
| laut. | |
| Der neue Wohnblock liegt gleich neben einer Flüchtlingsunterkunft am | |
| Ortsrand. Auch diese wurde aus Holzmodulen von Aktivhaus errichtet. Etwa | |
| 150 Menschen leben hier in freundlich wirkenden zweistöckigen Flachbauten | |
| mit Fassaden aus Lärchenholz, türhohen Fenstern, Außentreppe und Terrasse | |
| zwischen den Häusern. Vor den schmalen Wegen sind Fahrräder geparkt. | |
| Die Stadt Winnenden wollte die Siedlung erweitern, die | |
| Flüchtlingsunterkünfte sind inzwischen offiziell zur Anschlussunterbringung | |
| erklärt, sie sollen in sozialen Wohnungsbau überführt werden. Das gilt auch | |
| für die neu entstehenden Wohneinheiten, deren Standard verbessert wurde: | |
| Die Raumhöhe beträgt jetzt 2,50 m, Duschen und obere Etagen sind | |
| barrierefrei gebaut. | |
| ## Preiswerter zu bauen heißt auch industrieller zu bauen | |
| „Wohnraum wie dieser hier lässt sich in einer hohen Qualität relativ zügig | |
| herstellen“, sagt Wener Sobek. „Das heißt aber, wir müssen halb- oder | |
| ganzindustrielle Bauprozesse entwickeln, weil man nur so Qualität für einen | |
| vernünftigen Preis erzielen kann.“ Die Vorplanung bei dieser Art zu bauen | |
| ist „das erste Mal lang und teuer“, dafür geht es später umso schneller. | |
| Und wenn man es nicht nur für jedes Haus neu macht, sondern für eine ganze | |
| Siedlung oder einen Haustyp, dann rechnet sich das, trotz ausgewählter | |
| Baustoffe, trotz ausgetüftelter Haustechnik. | |
| Sobek hat in einem Zimmer hinter der Gemeinschaftsküche der | |
| Flüchtlingseinrichtung Schutz vor dem Regen gefunden und einen Ort für ein | |
| Gespräch. Der kleine schmucklose Raum, rundum Holz, passt eigentlich nicht | |
| zu dem Mann von Welt und distinguierter Erscheinung. Randlose Brille, | |
| weißes Hemd, schwarzer Anzug, das klassische Architektenoutfit. Sein Büro | |
| beschäftigt mittlerweile 300 Mitarbeiter, es hat Niederlassungen in New | |
| York, Moskau, Istanbul und Dubai. | |
| Ist das Bauen in Modulen die Zukunft des Städtebaus – oder zumindest die | |
| Lösung für einen neuen sozialen Wohnungsbau? Ersetzen die Holzmodule, die | |
| sich mehrgeschossig stapeln lassen, die alte Platte? Wohnsilos, | |
| Plattenbausiedlungen, marode Hochhäuser – in vielen Städten wurden solche | |
| Bauten in den letzten Jahren abgerissen. Weil sie leer standen, weil sie | |
| keine Wertschätzung fanden. | |
| ## 25 Fassadentypen zur Auswahl | |
| „Klar“, sagt Sobek, „die Gefahr der Uniformität besteht, wenn sich die | |
| Architekten und Bauherren nicht anstrengen. Aber es gibt heute eine enorme | |
| Möglichkeit der Individualisierung, die nicht zu Mehrkosten führt.“ Für die | |
| Modulserie wie in Winnenden stehen 25 Fassadentypen zur Verfügung, mit | |
| unterschiedlichen Fenstern und Türen, die sich im Entwurf hin- und | |
| herschieben lassen. Die Plattenbauweise hat anders, nach dem | |
| Gleich-Teile-Prinzip, funktioniert, erklärt Sobek. „Ob vier, acht oder | |
| zwölf Meter lang, alle Elemente waren identisch. Und dieses Prinzip führte | |
| zu Uniformität.“ Bei der Modulbauweise dagegen kommt das | |
| Gleich-Fügungs-Prinzip zum Einsatz, das heißt, sagt Sobek, „wie ich eine | |
| Stütze oder einen Balken verbinde, folgt immer der gleichen Logik, aber die | |
| Länge der Stützen oder Balken ist komplett variabel, ebenso wie die | |
| Gestaltung der Innen- und Außenseite.“ | |
| In Deutschland werden Wohnungen gebraucht, vor allem bezahlbare. Die | |
| Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag den Bau von 1,5 Millionen | |
| Wohnungen bis 2021 versprochen. Der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft | |
| (GdW), in dem sowohl Genossenschaften wie auch kommunale | |
| Wohnungsgesellschaften organisiert sind, schrieb 2017 zusammen mit dem | |
| Bundesbauministerium und der Bundesarchitektenkammer einen europaweiten | |
| Wettbewerb „Serielles und modulares Bauen“ aus. | |
| Neun Konzepte wurden in diesem Sommer ausgewählt, darunter Sobeks | |
| Aktivhaus-Serie; sie können nun von Wohnungsbaugesellschaften umgesetzt | |
| werden, ohne dass diese nochmals europaweit ausschreiben müssen. Ihr | |
| Vorteil: Die Preise sind auf fünf Jahre fixiert. Bei allen Entwürfen | |
| rangieren die Baupreise zwischen 2.000 und 3.000 Euro pro Quadratmeter, den | |
| Grundstückspreis nicht mitgerechnet. | |
| 400.000 Wohnungen in ganz Deutschland müssten nach Berechnungen des | |
| Gesamtverbands jährlich neu gebaut werden. Davon sollten, sagt deren | |
| Hauptgeschäftsführerin Ingeborg Esser, „80.000 Sozialwohnungen und 60.000 | |
| Wohnungen im bezahlbaren Segment sein“. Im Jahr 2017 seien allerdings nur | |
| 60.000 Mietwohnungen (von 285.000 insgesamt) entstanden. Der überwiegende | |
| Teil der Bauaktivitäten ging in Ein- oder Zweifamilienhäuser und | |
| Eigentumswohnungen. | |
| Ein erstes, aus dem Wettbewerb um modulares Bauen entstandenes Konzept wird | |
| derzeit im hessischen Idstein realisiert. Neun Sozialwohnungen aus | |
| Massivbetonmodulen sollen entstehen, die im Frühjahr bezogen werden können. | |
| ## Nicht für jede Nutzung passend | |
| Ob Idstein oder Winnenden – das ist alles Kleinkram, weit weg vom | |
| Massenmarkt. „Bisher ist das modulare oder serielle Bauen nicht in | |
| Prozenten zu messen“, gibt Esser vom Gesamtverband der Wohnungswirtschaft | |
| zu. Sie ist sich jedoch sicher, dass es „deutlich an Fahrt gewinnen“ wird. | |
| Auf 10 bis 15 Prozent des Mietwohnungsbaus wird es in den nächsten fünf | |
| Jahren anwachsen, schätzt sie. „Es ist nicht für alles passend“, etwa bei | |
| innerstädtischer Nachverdichtung, die individuelle Lösungen verlangt. | |
| Auch bei den Architekten war das Projekt umstritten, sagt Barbara | |
| Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer (BAK). „Viele | |
| Kollegen waren misstrauisch, weil sich das Verfahren mit dem Prinzip der | |
| von der Ausführung unabhängigen Planung kaum vereinbaren lässt.“ Gleichwohl | |
| hat sich der Vorstand dafür entschieden, aus dem, wie Ettinger-Brinckmann | |
| findet, einige interessante Konzepte hervorgegangen seien. Die Resonanz sei | |
| allerdings zögerlich. „Uns ist wichtig“, sagt Ettinger-Brinckmann, „dass | |
| bei allen Bauaufgaben qualifizierte Architekten für den Erhalt der | |
| Baukultur sorgen und beim standardisierten Bauen keine Monotonie entsteht.“ | |
| Angewandt wird das standardisierte Bauen bislang für Parkhäuser, Turnhallen | |
| oder Schulen, ansonsten ist das Baugewerbe noch immer sehr der | |
| handwerklichen Tradition verpflichtet. Wenn es Handwerker gibt – denn auch | |
| der Mangel an Fachkräften führt neben Bodenspekulation und einem von | |
| Bundesland zu Bundesland variierenden Baurecht zu Stagnation. | |
| ## Holz statt Beton – der Ökobilanz zuliebe | |
| Und die Bauindustrie? Die wird von der Politik bislang kaum in die Pflicht | |
| genommen, obgleich sie emissionsreich und nicht ressourcenschonend ist. Vor | |
| allem Sand, der zur Herstellung von Beton gebraucht wird, geht weltweit zur | |
| Neige. Die sogenannte graue Energie ist das, was in den Bau eines Hauses, | |
| in seine Instandhaltung und seinen Abriss investiert wird: Sie | |
| verschlechtert die Ökobilanz, auch eines Ökohauses, deutlich. Die | |
| Schlussfolgerung: weniger bauen, und wenn, anders bauen. | |
| „Wir müssen mit weniger und mit solchen Baustoffen arbeiten, die | |
| emissionsarm sind in der Herstellung“, sagt Architekt Werner Sobek und | |
| schaut sich in dem Kabuff in Winnendens Flüchtlingsunterkunft um. „Das hier | |
| ist ein ziemlich guter Baustoff.“ Er klopft auf die Holzwand hinter sich. | |
| „Zertifiziert, aus Österreich. Keine Lasur, nichts.“ | |
| In Winnenden stehen Holzmodule, doch auch Stahl oder Aluminium eigneten | |
| sich für modulares oder serielles Bauen, sagt Sobek, weil zwar bei ihrer | |
| Herstellung viel Energie verbraucht werde, man diese Stoffe aber recyceln | |
| und wiederverwenden könne. Je öfter, desto besser. „Was wichtig ist“, sagt | |
| Sobek, „dass man die Stoffe sortenrein verbaut, damit man sie hinterher | |
| wieder auseinandernehmen kann und sich das Material identifizieren lässt, | |
| auch 50 Jahre später. Wenn wir alles untrennbar miteinander verkleben, | |
| entsteht Sondermüll.“ Sobek ist kein Freund des Bauens für die Ewigkeit, | |
| auch das unterscheidet ihn von anderen Architekten. | |
| ## Die Zukunft: Hausbau aus Abfall | |
| Seine Mitarbeiter testen bereits, wie man aus Abfall Häuser bauen kann. | |
| „Abfall kann eine hohe Wertigkeit haben, ich muss sie nur als solche | |
| definieren. Ich muss ein hochwertiges Produkt herstellen, nicht aus Abfall, | |
| sondern aus etwas, das vorher ein anderes Produkt war.“ Er lacht. „Können | |
| Sie sich an die Werbung erinnern: ‚Ich war eine Dose‘? Man könnte auch | |
| sagen: ‚Ich war mal das Dach eines Kirchturms. Ich war mal die Klinke einer | |
| belgischen Bank.‘“ | |
| An einem vernieselten grauen Tag hat das von Büschen und Bäumen umstandene | |
| „Zelt“, wie das ILEK von seinen Mitarbeitern genannt wird, etwas | |
| Verwunschenes, Visionäres. Von außen sieht es aus wie ein Zirkuszelt oder | |
| ein Hut mit Spitze, der seine dunklen Schindeln in leichten Rundungen über | |
| die ebenerdige Glasfront ragen lässt. | |
| Hier forschen sie interdisziplinär daran, wie man Beton leichter machen und | |
| Stahl durch Fasergewebe reduzieren kann. Beim Leichtbau geht es immer um | |
| das Einsparen von Rohstoffen, um Minimierung, erklärt Stefanie Weidner, | |
| wissenschaftliche Mitarbeiterin am ILEK. Die 29-Jährige führt die | |
| Besucherin herum. Auf einer Tischplatte liegen Betonstücke, die aussehen | |
| wie hübsche Gesteinsproben oder kleine Skulpturen: Würfel oder Balken aus | |
| Beton, mal mit Körnung, kleinen Poren oder richtigen Hohlräumen. Je nach | |
| Porengröße variiert die Dichte, erklärt Weidner. Das Einbringen von | |
| Hohlkugeln macht den Beton leichter, zugleich wird weniger Material | |
| verbraucht. | |
| ## Ein Hochhaus als Demonstrationsmodell | |
| Die Betonproben sind Teil verschiedener Forschungsprojekte, die hier | |
| interdisziplinär bearbeitet werden. Der Chef ist nicht da, und Weidner | |
| ergreift einen Regenschirm und führt nach draußen, wo derzeit ein Hochhaus | |
| zu Demonstrationszwecken entsteht. 36,5 Meter hoch wird der | |
| zwölfgeschossige Turm später sein, jede Etage bekommt eine andere Hülle, | |
| sprich Fassade. „Wir werden das Gebäude in Schwingungen versetzen und an | |
| seine Belastungsgrenzen treiben“, sagt Weidner, um Einwirkungen wie extreme | |
| Winde zu testen. „Je leichter eine Struktur ist, desto anfälliger wird sie | |
| für Einwirkungen von außen. Sie hat keine Masse entgegenzusetzen. Insofern | |
| stößt man beim Leichtbau irgendwann an Grenzen.“ Grenzen, die sie in | |
| Stuttgart testen, manchmal – in Beton gegossen, klein- oder großporig – | |
| überwinden. Dann wird es sogar Ultraleichtbau. „Noch ist das alles | |
| Neuland“, sagt Weidner. „Deswegen bedarf es eines höheren Planungsaufwands | |
| und ist nicht immer die günstigste Lösung, aber das wird sich ändern.“ | |
| „Es ist eine Zeit der großen Transformation“, sagt Weidners Doktorvater, | |
| Werner Sobek. „Build for more with less“ heißt seine Maxime. Für mehr | |
| Menschen bauen und mit weniger Baumaterial auskommen. | |
| 13 Jan 2019 | |
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