# taz.de -- taz-Serie Was macht eigentlich .. ? (Teil 7): Der Wald braucht sein… | |
> Stürme, Brände und Dürrezeiten haben den Brandenburger und Berliner | |
> Wäldern in den vergangenen anderthalb Jahren das Leben schwer gemacht. | |
> Wie geht's ihnen heute? | |
Bild: Waldbrand in Brandenburg im Sommer 2018 | |
Leicht hat er es wahrlich nicht, der Berliner Wald: Erst fegte im Oktober | |
2017 Megasturm „Xavier“ über ihn hinweg und brachte rund 50.000 Bäume zu | |
Boden. Als die gröbsten Schäden beseitigt waren, briet der Wald monatelang | |
unter gleißender Sommersonne, ohne ab und zu eine ausgiebige Regendusche | |
abzubekommen. Was nicht tötet, härtet ab, lautet ein Motto aus finsteren | |
Zeiten. Aber mal ehrlich: Nach so einer Behandlung geht es niemandem gut. | |
Das betrifft nicht nur zarte Setzlinge, die tatsächlich zu Zigtausenden | |
sang- und klanglos vertrockneten. Auch der erwachsene Bestand kriegt etwas | |
ab. | |
Da ist es eher verwunderlich, dass die Senatsumweltverwaltung der grünen | |
Lunge unserer Stadt „keine erhebliche Zunahme der sichtbaren Schäden“ im | |
endenden Jahr attestiert. Wobei „erheblich“ Interpretationssache ist: Zwar | |
blieb laut dem kürzlich vorgelegten Waldzustandsbericht 2018 der Anteil von | |
Bäumen mit den höchsten Schadensstufen 2–4 („deutliche Schäden“) bei 15 | |
Prozent stabil gegenüber dem Vorjahr, Bäume mit Schäden der Stufe 1 | |
(„Warnstufe“) machen aber jetzt 58 statt 51 Prozent aus. Der Anteil der | |
Bäume mit Schadensstufe 0 (Bäume „ohne sichtbare Schäden“, vereinfacht: | |
gesunde Bäume) rutschte entsprechend von 34 auf 27 Prozent ab. | |
Vier Fünftel der Berliner Waldfläche sind von Kiefern und Eichen bedeckt. | |
Ein Blick in deren Kronen zeigt folgendes Bild: Beim Massenbaum Kiefer (60 | |
Prozent der Gesamtfläche) weist nur ein kleiner Teil Schäden der Stufen 2–4 | |
auf. Der Anteil sank 2018 sogar von 8 auf 7 Prozent, aber auch der Anteil | |
gesunder Exemplare: von 37 auf 23 Prozent. Dagegen sind gleich 39 Prozent | |
der laubtragenden Eichen deutlich geschädigt (Warnstufe: ebenfalls 39 | |
Prozent, keine sichtbaren Schäden: 22 Prozent). Vor gerade einmal zwei | |
Jahren wiesen lediglich 21 Prozent deutliche Schäden auf. Sprich: Für die | |
Eiche sieht es nicht so gut aus. | |
Kein Wunder, denn die heimischen Arten der Gattung Quercus reagieren | |
empfindlich auf Trockenheit. Und so richtig manifest dürften die Folgen | |
des „Rekordtrockenjahres 2018“ (O-Ton Waldzustandsbericht) erst in den | |
kommenden Wachstumsperioden werden, denn typisch für Eichen ist eine | |
„verzögerte Trockenstressreaktion“. Im Grunde muss man den knorrigen Bäum… | |
mit den leicht erkennbaren Früchten ein verregnetes 2019 wünschen, damit | |
sich ihr Zustand nicht noch weiter verschlechtert. So wie vor anderthalb | |
Jahrzehnten, als es nach mehreren trockenen Jahren in Folge und dem | |
mittlerweile vorletzten „Jahrhundertsommer“ 2003 ganz hart kam für Berlins | |
häufigste Waldbaumart: Bis 2013 sank der Anteil gesunder Exemplare fast auf | |
null. | |
## Die Eiche als Problemfall | |
Auch rund um Berlin gerät die Eiche wieder zum Problemfall: In Brandenburg | |
wurden 2018 nur noch 16 Prozent gesunde Bäume gezählt, der Anteil derer mit | |
deutlichen Schäden liegt mit 37 Prozent etwa so hoch wie in der | |
Bundeshauptstadt. Dagegen hat sich laut dem aktuellen Brandenburger | |
Waldzustandsbericht der Zustand der Kiefern kaum verändert, den Buchen geht | |
es sogar besser (allerdings gibt es nur sehr wenige). | |
Natürlich war, wie Ralf Kätzel vom Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde | |
(LFE) in Brandenburg sagt, die Trockenheit ein Hauptproblem – wobei es dem | |
Bestand besser ginge, wären nicht noch Schädlinge hinzugekommen. Kätzel | |
weiß aber, dass das auch historische Gründe hat: „In der Bewirtschaftung | |
der vergangenen 150 Jahre wurden viele Fehler gemacht.“ | |
Seit dem neunzehnten Jahrhundert seien Eichen – „eine Lichtbaumart“ – a… | |
ökonomischem Kalkül viel zu eng gepflanzt worden, was viele Bäume schwäche. | |
„Für den Forstwirt lohnte es sich auch noch, wenn nur jede zehnte Eiche | |
durchkam – aber das ist nicht die Perspektive des Naturschutzes.“ | |
Mittlerweile berücksichtige man den höheren Raumbedarf und setze ohnehin | |
auf die Entstehung von Mischwäldern. | |
Eine Mischung von Nadel- und Laubbäumen gilt als weniger anfällig für | |
Krankheiten – und für Brandkatastrophen. Davon war Brandenburg 2018 | |
besonders stark betroffen, bis Ende November genau 489-mal. Insgesamt 1.650 | |
Hektar Wald wurden nach Angaben des Forstministeriums vernichtet, meist | |
altershomogene Kiefernplantagen. | |
## Besserung zum Ende des Jahrhunderts | |
Im vergleichsweise überschaubaren Berlin konnten zwar keine größeren Brände | |
entstehen, aber auch hier arbeitet man mit Nachdruck an einem Umbau zum | |
Mischwald; es gibt sogar ein richtiges „Mischwaldprogramm“, das den Anteil | |
der Laubbäume von derzeit 35 auf 60 Prozent anheben soll. | |
Laut Umweltstaatssekretär Stefan Tidow wurden seit 2012 schon 2,3 Millionen | |
Laubbäume gepflanzt und 700 Hektar Wald umgestellt. Dass es 2018 in Berlin | |
zwar Trockenstress, aber „kaum biotische Schäden durch Insekten und Pilze“ | |
gab, führt seine Verwaltung auf die nachhaltige Waldbewirtschaftung zurück, | |
die längst mit dem FSC-Gütesiegel ausgezeichnet ist. | |
Um die Wälder fitter für den Klimawandel zu machen, prüfen die | |
Forstbehörden beider Länder schon länger die Möglichkeit, hitzeresistentere | |
Bäume aus Süd- oder Südosteuropa einzuführen. Das könnten sogar dieselben | |
Arten sein, die auch hier wachsen, denn ein- und dieselbe Baumart passt | |
sich über lange Zeiträume genetisch an die klimatischen Bedingungen an. | |
„Wir arbeiten daran“, sagt Ralf Kätzel. | |
Allerdings vertrügen viele der südlichen Varianten die Anzahl an Frosttagen | |
nicht, die in unseren Breiten auftreten können – Klimawandel hin oder her. | |
Möglich sei also nur wissenschaftlich begleitetes Experimentieren und wegen | |
des langsamen Wachstums von Bäumen könne ein etwaiger Waldumbau im großen | |
Stil noch lange auf sich warten lassen: „Wir sprechen da eher vom Ende | |
dieses Jahrhunderts.“ | |
6 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
## TAGS | |
Wald | |
Naturschutz | |
Bäume | |
Waldbrände | |
Regine Günther | |
Munition | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Brandenburg | |
Kalifornien | |
Unter den Linden | |
Wald | |
Hitze | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Waldzustandsbericht 2019: Im Wald gibt's Stress | |
Die diesjährigen Untersuchungen der Berliner Forsten zeigen die Folgen des | |
Dürrejahrs 2018. Neue MitarbeiterInnen sollen nun Jungbäume pflanzen. | |
Waldbrand in Mecklenburg-Vorpommern: Was tun, wenn’s brennt? | |
Noch immer ist der Waldbrand auf dem früheren Truppenübungsplatz nicht | |
unter Kontrolle. Bei den Evakuierten wächst die Sorge um ihre Häuser. | |
Manuela Heim stinkt's: Die Nase im Wind | |
Vom Zusammenhang zwischen Empörung und Windrichtung: warum sich Berliner | |
über einen Brand im fernen Westen, aber nicht im nahen Süden aufregen. | |
Theodor Fontane und Brandenburg: Fast unverfälscht | |
Mit seiner spezifischen Art hat Theodor Fontane dem Tourismus in | |
Brandenburg den Weg geebnet. Eine Wanderung um den Stechlinsee. | |
Verheerendes Feuer in Kalifornien: Waldbrand treibt Stromriesen in Pleite | |
Die Wäldbrände in Kalifornien sollen enstanden sein, weil ein | |
Energiekonzern bei Leitungen schlampte. Opfer verklagen nun die Firma. | |
taz-Serie Was macht eigentlich …? (Teil 6): „Das wird kommen“ | |
In den rot-rot-grünen Koalitionsverhandlungen war sie ein großes Thema: | |
Eine Fußgängerzone Unter den Linden. Wird daraus noch was? | |
Wald und Waldbrände in Brandenburg: Ein Land hängt an der Nadel | |
70 Prozent der Bäume in Brandenburg sind Kiefern. Welche Nachteile das hat, | |
zeigen die jüngsten Waldbrände. Und der Umbau kommt nur langsam voran. | |
Stadtbäume vor dem Vertrocknen retten: Wasserwerfer zu Gießkannen | |
Wegen der Hitze und dem fehlendem Regen sind viele Stadtbäume bedroht. | |
Feuerwehren und Polizei sind im Dauereinsatz. |