# taz.de -- BND und Diktaturen: Mauern aus Staatswohlgründen | |
> Was der Bundesnachrichtendienst mit den Militärdiktaturen in Griechenland | |
> und Chile trieb, hält die Bundesregierung weiter geheim. | |
Bild: Sonntagsreden über Menschenrechte halten kann er gut: Außenminister Hei… | |
Es war eine hübsche Festansprache, die Heiko Maas zum 70. Jahrestag der | |
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in diesem Monat im Bundestag | |
hielt. „Das Bekenntnis zu unverletzlichen und unveräußerlichen | |
Menschenrechten ist der Kern dessen, was unsere Gesellschaft zusammenhält“, | |
bekundete der sozialdemokratische Außenminister. Für die Freiheit und die | |
Menschenrechte müsse man überall eintreten. „Wer, wenn nicht wir, die | |
freiheitlichen Demokratien, soll das machen?“ | |
Dass jenseits schöner Sonntagsreden die Praxis deutschen Staatshandelns im | |
Umgang mit Diktaturen nicht selten etwas anders aussieht, ist kein | |
Geheimnis. Doch anhand zweier historischer Beispiele wollte es jetzt die | |
Linksfraktion im Bundestag genauer wissen. In Kleinen Anfragen verlangte | |
sie Auskunft über die Zusammenarbeit mit dem griechischen Obristen-Regime | |
und der chilenischen Pinochet-Junta. Vor allem interessierten sie die | |
Aktivitäten deutscher Geheimdienste. Insgesamt 68 Fragen stellte die | |
Linksfraktion. Wirklich erhellende Antworten erhielt sie vom Auswärtigen | |
Amt nicht. | |
In Griechenland hatten sich rechtsgerichtete Militärs am 21. April 1967 an | |
die Macht geputscht. In Chile stürzte das Militär am 11. September 1973 die | |
demokratisch gewählte sozialistische Regierung Salvador Allendes. In beiden | |
Fällen konnten die Putschisten auf die Unterstützung der USA zählen. Die | |
Bundesrepublik verurteilte hingegen offiziell die faschistischen | |
Militärdiktaturen. | |
Aber welche Rolle spielten die deutschen Geheimdienste, speziell der BND? | |
Wurde er von der CIA vorab über die Umsturzpläne in Griechenland | |
unterrichtet? Unterhielt er nach dem Putsch Kontakte zum Obristenregime und | |
dessen Geheimdienst? Und wie viele Angehörige von griechischen | |
Sicherheitsbehörden wurden zwischen 1967 und 1974 in der BRD ausgebildet? | |
## Zugeknöpftes Ministerium | |
Solcherlei Fragen will das Auswärtige Amt auch weiterhin nicht der | |
Öffentlichkeit verraten. Nachrichtendienstliche Sachverhalte, die noch | |
nicht 60 Jahre oder länger zurückliegen, seien „in der Regel weiterhin | |
geheimhaltungsbedürftig“, begründet Außenamtsstaatssekretär Andreas | |
Michaelis in einem Schreiben an den Linken-Abgeordneten Jan Korte die | |
Zugeknöpftheit seines Ministeriums. Schließlich sei Vertraulichkeit die | |
Geschäftsgrundlage jeder nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit. „Dies gilt | |
umso mehr, da Griechenland NATO-Partner war und ist“, heißt es in dem | |
Schreiben, das der taz vorliegt. | |
Zu dem Wenigen, was das Auswärtige Amt preis gibt, gehört, dass „über die | |
nachrichtendienstliche Berichterstattung“ die damalige sozialliberale | |
Regierung Willy Brandts „Anfang September 1973 vor einem möglichen | |
Eingreifen des chilenischen Militärs des Landes gewarnt worden“ sei. | |
Außerdem sei der BND in den Wochen nach dem Putsch davon ausgegangen, „dass | |
die Junta einen ausreichenden Rückhalt bei der chilenischen Bevölkerung | |
genoss“. Ansonsten gibt sich die Bundesregierung auch im Fall Chile | |
weitgehend verschlossen – „aus Staatswohlgründen“. Die Veröffentlichung… | |
Einzelheiten nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit mit ausländischen | |
Stellen könne „für die Interessen der Bundesrepublik schädlich sein“. | |
Nicht der Geheimhaltung unterliegen allerdings die Fragen danach, wie viele | |
griechische und chilenische Oppositionelle während der Zeit der | |
Militärdiktaturen in ihren Ländern nach Deutschland geflohen sind. Aber | |
auch hier bleibt das Auswärtige Amt eine Auskunft schuldig: „Der | |
Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor“, heißt es unisono in | |
den Antworten auf die beiden Kleinen Anfragen der Linksfraktion. | |
## Die Rolle der „westlichen Werte“ | |
Jan Korte hält das Auskunftsgebaren der Bundesregierung für beschämend. | |
„Weder existiert bei ihr irgendein erkennbarer eigener Antrieb, die | |
dunkleren Kapitel der deutschen Außenpolitik aufzuarbeiten, noch lässt sie | |
sich aktuell auch nur einen Millimeter in diese Richtung bewegen“, empört | |
sich der Bundestagsabgeordnete. Dabei habe die Öffentlichkeit „ein Recht | |
darauf zu erfahren, wie groß das Ausmaß der Zusammenarbeit mit so | |
verbrecherischen Diktaturen war und ob sich die damaligen Bundesregierungen | |
eventuell mitschuldig an Menschenrechtsverletzungen gemacht haben“. | |
Schließlich sei „die Beantwortung der Frage, wieso die viel beschworenen | |
westlichen Werte von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten | |
offensichtlich in der Bewertung durch die damaligen Bundesregierungen nur | |
eine untergeordnete Rolle gespielt haben, hochaktuell“. | |
Einen kleinen Hinweis, woran es liegen könnte, dass bisweilen irgendwelche | |
menschenrechtlichen oder demokratietheoretischen Bedenken hintenanstehen | |
müssen, gibt das Auswärtige Amt allerdings dann doch noch in seinen | |
Antworten auf die Kleinen Anfragen der Linkspartei. Denn immerhin gibt sie | |
Auskunft darüber, wie sich die Wirtschaftsbeziehungen mit Griechenland und | |
Chile entwickelt haben, als dort blutige Diktaturen regierten: | |
hervorragend. Nach der Machtübernahme der Militärs legte der deutsche | |
Außenhandel mit den beiden Ländern erst einmal kräftig zu. | |
Die Linksfraktion arbeitet bereits an ihrer nächsten Kleinen Anfrage zum | |
Thema. Diesmal soll es um die Zusammenarbeit mit der Diktatur in Brasilien | |
gehen, die von 1964 bis 1985 das südamerikanische Land beherrschte. Er | |
hoffe, dass sich das Antwortverhalten der Bundesregierung noch ändert, so | |
Korte. „Wenn das nicht passiert,werden wir einen Antrag auf Aufarbeitung | |
der deutschen Zusammenarbeit mit Diktaturen im Kalten Krieg durch eine | |
unabhängige Historikerkommission ins Parlament einreichen.“ | |
31 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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