| # taz.de -- Sektensiedlung Colonia Dignidad in Chile: Noch keine Hilfe | |
| > Der Bundestag fordert von der Bundesregierung, die Verbrechen der | |
| > deutschen Sekte aufzuarbeiten. Jetzt geht es voran – aber nur sehr | |
| > langsam. | |
| Bild: Angehörige erinnerten 2017 an die Opfer der Colonia Dignidad | |
| Berlin taz | Über eines waren sich Angela Merkel und der chilenische | |
| Präsident Sebastián Piñera einig: „[…] dass wir die in der Colonia Digni… | |
| begangenen Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen kategorisch | |
| verurteilen“. Das erklärte der rechtskonservative Piñera am Mittwoch im | |
| Rahmen seines Staatsbesuchs in Deutschland. Merkel betonte, „dass wir die | |
| Aufarbeitung dieser Verbrechen für außerordentlich wichtig erachten“. | |
| 1961 gründete der Deutsche Paul Schäfer die Siedlung Colonia Dignidad und | |
| baute dort eine Sekte auf. Mit Getreuen verübte er | |
| Menschenrechtsverletzungen an anderen BewohnerInnen. Deren Alltag war | |
| geprägt von Freiheitsentzug, Sklavenarbeit und systematischem sexuellen | |
| Missbrauch. Während der Pinochet-Diktatur ab 1973 kooperierte die | |
| Sektenführung mit dem chilenischen Geheimdienst DINA. Hunderte | |
| Oppositionelle wurden auf dem Gelände gefoltert, nach Zeugenaussagen etwa | |
| einhundert ermordet. Deutsche Regierungen wussten um die Zustände, gingen | |
| aber nicht dagegen vor. | |
| „Wir arbeiten an einer Übereinkunft zur Einrichtung eines | |
| Dokumentationszentrums und vielleicht einer Gedenkstätte an dem Ort, an dem | |
| diese Verbrechen begangen wurden“, erklärte Piñera in Berlin. Merkel sah | |
| die Einrichtung eines Lernortes „vom Grundsatz her positiv“. | |
| ## Bundestag fordert Zusammenarbeit | |
| 2017 hatte der deutschen Bundestag einen einstimmigen Beschluss zur | |
| „Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad“ gefasst. Darin | |
| forderte er die Bundesregierung auf, zusammen mit der chilenischen | |
| Regierung eine Gedenkstätte und einen Dokumentations- und Lernort in der | |
| deutschen Siedlung einzurichten. Wenn die Regierungen beider Staaten sich | |
| einigen, sollen deutsche und chilenische ExpertIinnen endlich einen | |
| konkreten Entwurf erstellen. | |
| Im Bundestagsbeschluss wird die Bundesregierung auch zur historischen | |
| Aufarbeitung, zur Aufklärung der Vermögensverhältnisse der Villa Baviera | |
| (so heißt die Colonia Dignidad seit 1988) und zur Entwicklung eines | |
| Hilfskonzepts für Opfer der deutschen Sekte aufgefordert. | |
| Letzteres ging im ersten Anlauf allerdings schief. Ein vom Auswärtigen Amt | |
| vorgelegter Entwurf für Hilfsmaßnahmen stieß auf breite Ablehnung bei | |
| Betroffenen und Abgeordneten. Der menschenrechtspolitische Sprecher der | |
| CDU/CSU-Fraktion, Michael Brand, kritisierte in diesem Zusammenhang eine | |
| „strukturelle Fixierung des deutschen Staates insbesondere des Auswärtigen | |
| Amtes auf die Villa Baviera“ und sagte: „Es gibt Opfer, die die heutige | |
| Villa Baviera bewusst verlassen haben. Auch die müssen in dieses Konzept | |
| einbezogen werden.“ | |
| ## Ein schleichender Prozess | |
| Am Mittwochabend traf sich die „Gemeinsame Kommission zur Umsetzung des | |
| Hilfskonzepts für die Opfer der Colonia Dignidad“ zu ihrer konstituierenden | |
| Sitzung. Abgeordnete aller Fraktionen tagen hier zusammen mit | |
| VertreterIinnen aus Ministerien. Sie sollen Kriterien definieren, nach | |
| denen Hilfsleistungen an Opfer der Sekte vergeben werden. Doch die | |
| Abgeordneten fordern zuerst einen neuen Regierungsvorschlag für ein | |
| Hilfskonzept. | |
| Zur Abstimmung ihrer Vorgehensweise wollen die Abgeordneten sich zunächst | |
| untereinander treffen und auch Experten anhören. Friedrich Straetmanns von | |
| der Linken erklärte nach der Sitzung der Kommission: „Über alle | |
| Parteigrenzen hinweg beschäftigt uns der Wunsch nach einer zügigen und | |
| menschlich fairen Lösung dieser Frage. Wir wollen den Opfern signalisieren, | |
| dass wir sie nicht alleine lassen, und dass wir als Parlamentarier jetzt | |
| verstärkt Druck machen.“ | |
| 11 Oct 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Ute Löhning | |
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