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# taz.de -- Colonia Dignidad in Chile: Der Sektenarzt aus Krefeld
> Opfervertreter haben vor dem Haus von Hartmut Hopp für Aufklärung
> demonstriert. Der Arzt war die rechte Hand des Sektenführers der Colonia
> Dignidad.
Bild: Von Chile nach Krefeld: DemonstrantInnen vor dem Wohnhaus von Hopp
Krefeld taz | „Wir wollen Hartmut Hopp sehen, mit ihm sprechen und ihm
unseren Brief übergeben, in dem wir ihn auffordern, endlich die Wahrheit zu
sagen“, sagt Myrna Troncoso. Die 75-Jährige ist die Vertreterin der
Angehörigen von verschwundenen politischen Gefangenen aus Chile. Die
zierliche Frau trägt ein Foto ihres Bruders Ricardo um den Hals, der 1974
verhaftet wurde und von dem sie vermutet, dass er in der Colonia Dignidad
ermordet wurde.
Nach dem Militärputsch 1973 hatte der chilenische Geheimdienst DINA in der
deutschen Sektensiedlung ein Folterlager eingerichtet. Etwa hundert
Oppositionelle wurden mutmaßlich auf dem Gelände der sogenannten Kolonie
der Würde ermordet. Doch weder ihre Namen noch die der Täter sind bekannt.
Auch Ricardo Troncoso wurde nie gefunden, seit über 40 Jahren sucht seine
Schwester Myrna nach ihm: „Wir wollen die Leichen unserer Angehörigen
finden und identifizieren, damit wir endlich Ruhe finden können. Das ist
das Mindeste an Respekt, das wir erwarten.“
In der 1961 gegründeten deutschen Siedlung im Süden Chiles misshandelten
Sektenchef Paul Schäfer und eine Gruppe von Führungspersonen auch die
Mehrzahl der BewohnerInnen schwer: Zwangsarbeit ohne Lohn, sexueller
Missbrauch und Freiheitsberaubung prägten ihren Alltag jahrzehntelang. Die
Verhältnisse in der Colonia Dignidad waren auch deutschen Regierungen
bekannt. Heute nennt sich die Siedlung Villa Baviera und betreibt ein
Tourismusunternehmen mit Hotel und Restaurant.
Myrna Troncoso ist aus Chile nach Krefeld gereist, um Aufklärung zu
fordern. Am Samstag steht sie, umgeben von Transparenten und Fotos von
Verschwundenen, vor dem Haus des früheren Sektenarztes Hartmut Hopp.
Fünfzig Personen sind zur Kundgebung gekommen. Sie machen darauf
aufmerksam, dass Hopp als rechte Hand von Sektenchef Paul Schäfer und als
Verbindungsmann der Sekte zum chilenischen Geheimdienst galt.
## Die Bundesregierung muss die Verbrechen aufarbeiten
Seit 2011 ermittelt die Staatsanwaltschaft Krefeld gegen Hopp wegen
Beihilfe zu Kindesmissbrauch, zwangsweiser Verabreichung von Psychopharmaka
und Beteiligung an der Ermordung von drei Gefangenen. Bislang ohne
Ergebnis. In Chile wurde er zu fünf Jahren Haft verurteilt, entzog sich
dieser Strafe durch Ausreise nach Deutschland und lebt seit 2011 in
Krefeld. 2014 forderte die chilenische Regierung, Hopp solle seine Strafe
in Deutschland verbüßen. Das Landgericht Krefeld hat dem im August 2017
zugestimmt. Jetzt prüft das Oberlandesgericht als letzte Instanz des
ordentlichen Verfahrenswegs Hopps Beschwerde dagegen.
Myrna Troncosos Erwartung wird an diesem Samstag nicht erfüllt. Hopp ist
zwar zu Hause, als sie an seiner Haustür klingelt und den Brief einwirft.
Er fotografiert die Kundgebung auch aus dem Fenster. Aber ihrem Wunsch nach
einem Gespräch kommt er nicht nach.
Am Mittwoch zuvor traf sich Troncoso in Berlin zu Gesprächen mit
Bundestagsabgeordneten. „Sie haben mich sehr herzlich empfangen und mir
zugesichert, Geld für die Schaffung eines Gedenkortes und für ein Projekt
mit Zeitzeugeninterviews bereitzustellen“, sagt Troncoso und fordert zur
Aufklärung der Vergangenheit die Einrichtung einer Wahrheitskommission.
Nach einem einstimmigen Beschluss des Bundestages vom Juni 2017 muss die
Bundesregierung die Verbrechen in der Colonia Dignidad aufarbeiten. In
diesem Rahmen muss sie dem Parlament bis 30. Juni ein Konzept von
Hilfsmaßnahmen für die Opfer der Sekte vorlegen und die Einrichtung einer
Gedenkstätte – zusammen mit chilenischen Stellen – prüfen. Die Zeit drän…
vor allem für die Opfer.
17 Jun 2018
## AUTOREN
Ute Löhning
## TAGS
Colonia Dignidad
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Sekte
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BND
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