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# taz.de -- Hilfe für Opfer der Colonia Dignidad: Betroffene billig abgespeist
> Das Konzept der Bundesregierung für Opfer der Colonia Dignidad stößt
> fraktionsübergreifend auf scharfe Kritik. Es sieht keine rechtlichen
> Ansprüche vor.
Bild: Menschen verschwanden in der Kolonie, das chilenische Militär nutzte die…
Vor einem Jahr hatte der Bundestag beschlossen, die Aufarbeitung der
Verbrechen voranzutreiben, die in der ehemaligen deutschen Sektensiedlung
im Süden Chiles begangen worden waren. Von dem Ergebnis sind jetzt viele
enttäuscht.
In der vom deutschen Laienprediger Paul Schäfer 1961 gegründeten Colonia
Dignidad („Kolonie der Würde“) wurden schwere Menschenrechtsverbrechen
begangen. Die Bewohner wurden misshandelt und zur Zwangsarbeit
verpflichtet. Kinder wurden missbraucht. Während der Militärdiktatur
(1973–1990) diente die Siedlung als Folterlager für politische Gefangene.
Jahrzehntelang blieben die Verbrechen weitgehend unentdeckt, auch weil
deutsche Diplomaten wegschauten.
Die Bundesregierung wurde im Juni 2017 in einem fraktionsübergreifenden
Antrag mit der Aufarbeitung der Geschichte und mit der Ausarbeitung eines
Hilfskonzepts für die Opfer beauftragt. Darin ausdrücklich vorgesehen:
finanzielle Hilfen für die verschiedenen Opfergruppen. Doch in dem Entwurf
des Auswärtigen Amtes heißt es nun: „Die Bundesregierung ist der
Auffassung, dass aus den Geschehnissen in der Colonia Dignidad keine
rechtlichen Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland entstanden
sind.“ Daher enthalte das Konzept ausschließlich „freiwillige
Unterstützungsmaßnahmen“.
„Das Papier ist enttäuschend. Es wird der menschenrechtlichen Verantwortung
der Bundesregierung nicht gerecht“, sagte Jan Stehle vom Forschungs- und
Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika. Ganze Opfergruppen, die etwa
die deutsche Siedlung verlassen haben, und auch chilenische Opfer von
sexuellem Missbrauch werden vernachlässigt.
## Hilfe nur ortsgebunden geplant
Hilfen sollen an bestimmte Orte gebunden werden. Finanziert werden sollen
etwa Ausbildungsinitiativen und Beratungsleistungen innerhalb der deutschen
Siedlung, die sich heute Villa Baviera nennt und ein Tourismusunternehmen
betreibt. „Was mich an der Sache besonders aufregt, ist das offensichtliche
Desinteresse für das was da passiert ist, und für die Opfer“ so Jan Korte
(Linke), „dass man das Papier als Bundestag nur ablehnen kann.“
„Das ist gar kein Konzept, das Papier“, kritisiert auch Renate Künast
(Grüne). Die Vorlage der Bundesregierung atme den Geist vergangener
Jahrzehnte des bewussten Wegsehens, so Künast. Ein Hilfskonzept werde darin
nicht formuliert. Das Papier sei „ein Stück Arbeitsverweigerung gegenüber
dem Beschluss des Deutschen Bundestages“. Die Abgeordneten müssten nun
selber ein Konzept entwickeln. Das sieht auch Michael Brand, der
menschenrechtspolitische Sprecher der CDU, so: Das Papier sei ein Affront
gegenüber den Opfern. „Wir werden das Papier ablehnen.“
Unter früheren Bewohner*innen herrscht Verzweiflung. Manche leben in
Deutschland, andere in Chile. „Ungerechter kann es ja gar nicht mehr
gehen“, sagt Doris Zeitner, die seit Jahren in Chile einige Kilometer
südlich der deutschen Siedlung lebt. Wie vielen anderen fehlt es ihr heute
an Geld etwa für die Gesundheitsversorgung, da sie jahrzehntelang
unbezahlte Arbeit in der Colonia Dignidad leisten musste – und nicht
vorsorgen konnte. „Diejenigen, die über hundert Kilometer weit weg leben,
sollen anreisen, wenn eine Hilfsmaßnahme in der Kolonie zentriert wird –
undenkbar. Wir gehen leer aus.“
3 Jul 2018
## AUTOREN
Ute Löhning
## TAGS
Colonia Dignidad
Chile
Sekte
Augusto Pinochet
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