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# taz.de -- Sicherheit beim CCC-Kongress 2018: Klare Strukturen statt Chaos
> Als beim CCC-Kongress 2017 Übergriffsvorwürfe aufkamen, reagierte der
> Hackerclub planlos. Dieses Jahr geht es professioneller zu.
Bild: Beim Chaos Communication Congress will man aus dem Schatten treten – un…
Leipzig taz | Um es gleich vorwegzunehmen: Dass der CCC in diesem Jahr eine
Schiedsstelle hat, um Konflikte auf (und vor und nach) dem Chaos
Communication Congress zu verarbeiten, ist ein beachtliches Resultat. Und
ein überraschendes, gemessen daran, wie überrumpelt die Strukturen des
Hackerclubs im vergangenen Jahr wirkten, als einige Frauen thematisierten,
dass der Kongress für sie kein sicheres Umfeld sei. Es gab vereinzelte
konkrete Vorwürfe, viel Auskunft im Hintergrund, aber nur schmale Zitate
für Medien. Es war offensichtlich etwas schiefgelaufen.
„All Creatures Welcome“ („Alle Kreaturen sind willkommen“) heißt das g…
zitierte Motto des CCC und „Be Excellent To One Another“ („Seid großartig
zueinander“) lautet der allgemeine Leitsatz zum Umgang miteinander. Seit
Jahren setzt der Kongress auf Selbstorganisation: Ehrenamtliche, genannt
„Engel“, übernehmen viele der organisatorischen Aufgaben, selbst
organisierte Teams für „Awareness“ und Notfälle sorgen für Sicherheit, u…
mit beeindruckender Disziplin werden Mate-Flaschen in die ausgelegten
Kästen geräumt.
Doch 2017 gab es Ereignisse, die die Selbstorganisation der 16.000 Menschen
großen Hackerkonferenz überforderten: Eine Programmiererin berichtete, dass
ein Mann teilnehmen dürfe, der sie angegriffen und verletzt habe. Eine
weitere Frau sagte, dass ein Mann, dem ein sexueller Übergriff vorgeworfen
werde, sogar zwei Vorträge halten dürfe. [1][taz-Recherchen] ergaben
damals, dass der Club langsam reagierte, die Beschuldigten nicht anhörte
und unklare Entscheidungen traf. Mit dem Resultat, dass sowohl Frauen als
auch die beschuldigten Männer sich auf der Konferenz nicht sicher fühlten.
Und dieses Jahr? Was im vergangenen Jahr noch chaotisch anmutete, scheint
in diesem Jahr durch klare Struktur und professionelles Vorgehen ersetzt
worden zu sein. Einerseits präsentiert der CCC erstmals alle Hilfsangebote
auf dem Kongress [2][auf einer Website], inklusive explizit formulierten
Prinzipien für Verhalten auf dem Kongress: „Wir sind nicht bereit,
Sexismus, Rassismus, Belästigung oder Diskriminierungen auf unseren
Veranstaltungen zu tolerieren.“ Wichtiger aber ist die Einrichtung einer
Schiedsstelle, die mit Konflikten unter den Teilnehmenden umgehen soll.
## Willkür wird vorgebeugt
Die Schiedsstelle besteht aus sechs Mitgliedern, die von drei
Sachverständigen beraten werden. Sie kann angerufen werden, wenn sich
Teilnehmende in ihrer „Freiheit und Sicherheit“ eingeschränkt fühlen Es
gibt eine klare Verfahrensordnung, die vorsieht, dass beide Parteien und
weitere „Auskunftspersonen“ angehört werden, sich die Parteien
Vertrauenspersonen zu Hilfe holen dürfen und schließlich eine Entscheidung
getroffen wird – wobei von niedrigschwelligen Verwarnungen bis hin zu einem
Ausschluss aus der laufenden und allen künftigen Veranstaltungen viel
möglich ist.
Unweigerlich gibt es dort, wo Vorwürfe über Übergriffe auftauchen, dieselbe
Diskussion. Was ist mit der Unschuldsvermutung? Dürfen Personen
sanktioniert werden, die nicht von einem Gericht verurteilt wurden? Sollten
solche Fälle nicht ohnehin lieber der Strafverfolgung überlassen werden?
Die #MeToo-Diskussionen der vergangenen zwei Jahre haben gezeigt, dass
Strafverfolgung allein nicht ausreicht: Jemand, der nicht zu einer Strafe
verurteilt wird, kann dennoch nicht willkommen sein. Dass auf dem CCC „All
Creatures Welcome“ geheißen werden, hält den Kongress nicht davon ab,
Neonazis vom Security-Team aus den Hallen zu eskortieren. Ein
formalisierter, klarer Prozess, um mit Konflikten umzugehen, an deren Ende
auch die Entfernung einer Person stehen kann, beugt der Willkür vor, die
viele – meist Männer – bei Übergriffsvorwürfen befürchten.
Der CCC ist groß und die Konflikte sind nicht das wichtigste Thema. Der
Workshop, in dem sich die Schiedsstelle vorstellt, ist spärlich besucht,
gerade einmal ein Dutzend Kongressteilnehmende haben dahin gefunden. Die
Mitglieder treten professionell auf, das Publikum ist überwiegend dankbar.
Es sind „nicht zu viele, nicht zu wenige“ Fälle, die bisher bearbeitet
werden mussten, geben sich die Mitglieder der Schiedsstelle verschwiegen:
„Wir haben das im Griff.“ Und vermutlich eine Sorge weniger für den Rest
der Veranstaltung.
30 Dec 2018
## LINKS
[1] /MeToo-und-der-CCC-Kongress-34C3/!5473646
[2] https://help.ccc.de/
## AUTOREN
Lalon Sander
## TAGS
CCC-Kongress
Schwerpunkt #metoo
Sexuelle Übergriffe
sexuelle Belästigung
Hacker
Unschuldsvermutung
IG
Clubkultur
Sicherheit
Informationsfreiheitsgesetz
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Schwerpunkt Chaos Computer Club
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