| # taz.de -- Biodiversitätskonferenz in Ägypten: Neue Regeln für Gentechnik | |
| > Betroffene Indigene müssen künftig gefragt werden. Sonst hat die | |
| > Konferenz zum Artenschutz viel gestritten – und wenig geregelt. | |
| Bild: Die Artenschutzkonferenz hat eine Regelung für genmanipulierte Tiere wie… | |
| Berlin taz | Wer das Erbgut einer Ameise aus den Anden in seine | |
| Bestandteile zerlegt, die Buchstabenfolge digital speichert und sie an ein | |
| Biochemie-Labor verkauft – muss er Peru dann an den Gewinnen beteiligen? | |
| Natürlich, sagen viele artenreiche Länder im globalen Süden. Nein, finden | |
| die Industrienationen mit ihrer starken Biotechnologie-Industrie. | |
| Auf der Artenschutzkonferenz im ägyptischen Scharm El-Scheich, die am | |
| Donnerstagabend zu Ende gegangen ist, sind diese beiden Positionen heftig | |
| aufeinander geprallt. Die neuen technischen Möglichkeiten der synthetischen | |
| Biologie waren nur eines der Streit-Themen unter den 196 Vertragsstaaten | |
| der Konvention über Biologische Vielfalt (CBD). Zwei Wochen lang haben sie | |
| versucht, einem neuen Artenschutzabkommen [1][den Weg zu bereiten]. | |
| Ergebnis bei der synthetischen Biologie: Eine Arbeitsgruppe. Sie soll in | |
| den kommenden zwei Jahren die offenen Fragen klären. Zudem haben sich die | |
| Staaten darauf geeinigt, ein „Frühwarnsystem“ zu installieren, um besser | |
| auf neue technologische Entwicklungen reagieren zu können. | |
| Zudem haben die Vertragsstaaten neue Regeln für Gene Drive beschlossen. | |
| Diese Gentechnik-Methode verändert die Vererbungsregeln in einem Organismus | |
| und sorgt dafür, dass sich eine definierte Eigenschaft innerhalb weniger | |
| Generationen komplett in einer Population ausbreitet. Wer künftig | |
| entsprechend manipulierte Mücken oder Pflanzen ausbringen will, muss vorher | |
| potentiell betroffene lokale oder indigene Gemeinschaften um Erlaubnis | |
| fragen. | |
| ## Streit über Gen Drive | |
| Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, lobt diese Regelung: | |
| „Die CBD-Delegierten machen klar, dass es sich hier um eine äußerst | |
| riskante Technologie mit hoher Sprengkraft handelt, die starker Regulierung | |
| bedarf.“ Die Nichtregierungsorganisation Save our Seeds hingegen kritisiert | |
| die gemeinsame Erklärung zum Gen Drive als „weit interpretierbare, | |
| allgemeine Apelle“ und schlussfolgert, das „millionenschwere Lobbying der | |
| Bill & Melinda Gates Foundation sowie der Interessenvertretungen der | |
| Gentechnik“ habe sich weitgehend durchgesetzt. | |
| 200 zivilgesellschaftliche Organisationen hatten die Staaten der CBD | |
| aufgefordert, ein Moratorium zum Gen Drive zu beschließen. „Auch wenn diese | |
| Entscheidung kein Moratorium bedeutet, wie wir es uns gewünscht hätten, so | |
| schiebt sie der Erforschung und Anwendung von Gene Drives doch klare Riegel | |
| vor“, sagt Unmüßig. | |
| Auf einen besseren Schutz der Meere haben die Staaten zunächst verzichtet. | |
| Länder mit Grenzkonflikten – etwa die Türkei und Griechenland – haben eine | |
| Einigung über die Frage, ob Staaten Schutzgebiete auch ohne Rücksprache mit | |
| ihren Nachbarn vergrößern oder verkleinern können, verhindert. „Das sind | |
| spezielle Probleme, die lokal gelöst werden müssen“, sagt Günter Mitlacher, | |
| Leiter Internationale Biodiversitätspolitik bei der Umweltorganisation WWF. | |
| Er bedauerte, dass die Territorialkonflikte den Naturschutz dominiert | |
| hätten. | |
| Nur eine vorläufige Einigung gab es auch bei einem weiteren sensiblen | |
| Punkt: dem Geld. Die Entwicklungsländer fordern, dass ein Abkommen zum | |
| Artenschutz verbindliche Regeln zur Finanzierung beinhaltet. In einem | |
| solchen Abkommen wären Vereinbarungen über Schutzgebiete, Formen der | |
| Landwirtschaft oder den Bau der Infrastruktur enthalten. | |
| „Vor allem die Länder aus Afrika wollen wissen, was das kosten und wer | |
| dafür zahlen soll“, sagt Konstantin Kreiser, Leiter globale | |
| Naturschutzpolitik beim Umweltverband Nabu. 2016 haben die | |
| Industrienationen rund 6,1 Milliarden Euro für Artenschutz in die ärmeren | |
| Länder überwiesen. „Bei Finanzhilfen für den Süden ist Deutschland ein | |
| Musterschüler“, sagt Kreiser. Nur seine Hausaufgaben zu Hause erledige das | |
| Land nicht. Man könne nicht die Staaten Afrikas und Lateinamerikas zum | |
| Artenschutz aufrufen, und in Europa in den Verhandlungen zur gemeinsamen | |
| Agrarpolitik eine nachhaltige Landwirtschaft verhindern, sagt Kreiser. | |
| ## Erhalt der biologischen Vielfalt in Europa gefordert | |
| Ein „sofortiges Ende“ der Subventionierung von Naturzerstörung durch die | |
| EU-Agrarpolitik fordert auch die naturschutzpolitische Sprecherin der | |
| Grünen im Bundestag, Steffi Lemke. Jetzt seien Verhandlungsgeschick und | |
| politische Signale nötig, um den Verlust der Artenvielfalt zu bremsen. Sie | |
| forderte ein Nothilfeprogramm für den Erhalt der biologischer Vielfalt in | |
| Europa. | |
| Zur nächsten CBD-Konferenz in zwei Jahren in Peking laufen die sogenannten | |
| „Aichi-Ziele“ aus, mit der die „Convention on Biological Diversity“ das | |
| Artensterben aufhalten wollte. Dies gilt als überwiegend gescheitert. Bis | |
| 2020 müssen die Staaten nun ein neues Abkommen verhandeln. | |
| 30 Nov 2018 | |
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| [1] https://www.cbd.int/ | |
| ## AUTOREN | |
| Heike Holdinghausen | |
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