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# taz.de -- Streit über Naturschutzkonzept: Moore vs. Wälder
> Das Land Niedersachsen will für den Naturschutz landeseigene Flächen
> verwildern lassen. Weil der Plan auch Moore betrifft, protestieren
> Naturschützer.
Bild: Ins Bissendorfer Moor gehören aus Sicht des BUND keine Bäume
Hannover taz | Wenn sich die Natur den Wald zurück holt, Totholz am
Waldboden verrottet und die vom Menschen angelegten Schneisen langsam
zuwachsen, ist das eigentlich gut für die Artenvielfalt. Niedersachsen will
deshalb nun einen Teil seiner Wälder verwildern lassen. Auf insgesamt zehn
Prozent der Waldflächen, die das Land besitzt, soll nicht länger
Forstwirtschaft betrieben werden.
NWE10 heißt das Naturschutzkonzept (siehe Kasten). Die
Umweltschutzorganisation BUND allerdings ist mit den Plänen trotzdem so
unzufrieden, dass sie eine Klage erwägt. Denn die Flächen, die das Land für
NWE10 festgelegt hat, befinden sich nicht nur in bestehenden Wäldern, sie
liegen auch in geschützten Mooren. Damit drohen sich zwei
Naturschutzprojekte zu kannibalisieren.
Axel Ebeler, stellvertretender Landeschef des BUND, hält den Erlass, den
das niedersächsische Landwirtschaftsministerium im Juli veröffentlicht hat,
sogar für „in Teilen rechtswidrig“. Wenn er umgesetzt würde, beeinträcht…
er landes- und europaweit geschützte Lebensräume, wie etwa das Bissendorfer
Moor in der Wedemark bei Hannover. Es gilt als das am besten erhaltene
Hochmoor in Niedersachsen, liegt in einem Naturschutzgebiet und wird durch
EU-Mittel gefördert.
Glocken- und Besenheide wachsen hier, aber auch Wollgras und Torfmoose. Es
sei gerade die Arbeit der ehrenamtliche Naturschützer, im Moor einen
Gehöltzaufwuchs zu verhindern, sagt Ebeler. Sie entfernen per Hand junge
Bäume und Triebe aus der Moorlandschaft, damit sich kein Wald entwickelt.
Das sei wichtig, um die Lebensbedingungen für die typischen Moorarten zu
verbessern.
„Mit dem neuen Erlass werden nun alle bisherigen Anstrengungen ad absurdum
geführt“, sagt Ebeler. Im Bissendorfer und im Otternhagener Moor, das über
das Projekt Life+ ebenfalls durch EU-Mittel gefördert wird, nehme die
Landesregierung in Kauf, „dass die Europäische Union hohe Geldsummen vom
Land zurückfordert, da Förderbestimmungen für europäische
Naturschutzprojekte missachtet werden“. Niedersachsenweit seien zehn
Moorgebiete sowie wertvolle Grünland- und Heideflächen betroffen.
Die Kritik des BUND bezieht sich auf rund 800 von insgesamt 33.320 Hektar
Wald, die das Land Niedersachsen der Natur überlassen will. Die Flächen
sind seit 2015 im Gespräch. Seither fordern BUND, Nabu und Greenpeace, die
Moorflächen auszusparen. „Damals wurde uns zugesichert, dass das noch
einmal geprüft würde“, sagt Susanne Gerstner vom BUND. Dass die Flächen in
dem aktuellen Erlass nun einfach festgeschrieben seien, habe den Verband
„sehr überrascht“. „Es wurde zementiert, was von uns jahrelang kritisiert
wurde.“
Das Landwirtschaftsministerium kann die Kritik nicht nachvollziehen. Auch
Moore und die dort vorhandenen oder sich entwickelnden Moorwälder seien
Teil der Biodiversität und könnten daher mit dem NWE10-Projekt geschützt
werden, sagt Ministeriumssprecherin Sabine Hildebrandt.
Hildebrandt bestätigt, dass Teilflächen der Moore NWE10-Flächen werden
sollen. Welche Gebiete genau, stehe aber noch nicht fest. „Große Flächen
sollen als Moor erhalten, entwickelt oder falls erforderlich renaturiert
werden“, sagt Hildebrandt. „Teilflächen, die zukünftig ohne Pflegemaßnah…
auskommen, werden in die NWE10-Kulisse aufgenommen und entwickeln sich frei
von menschlichem Einfluss.“
Doch auch der Nabu fordert, dass das Landwirtschaftsministerium das
korrigiert: Durch die natürliche Waldentwicklung dürften „keine wertvollen
Offenbiotope, wie geschützte Moor-, Heide- und Wiesenflächen verloren
gehen“, sagt Nabu-Sprecher Philip Foth. NWE-Flächen dürften nicht in
natürlicherweise baumfreien Biotoptypen liegen. Der Nabu wünscht sich
zudem, dass die Naturschutzverbände erneut an der endgültigen Bestimmung
der NWE-Flächen beteiligt werden.
Gesche Jürgens von Greenpeace hält es für eine falsche politische
Entscheidung, dass das Land Moorflächen in das Programm aufnehmen will.
„Niedersachsen hat viele geeignetere Flächen.“ Aber das Land wolle
offensichtlich möglichst viele Wirtschaftswälder weiterhin forstlich
nutzen.
Auch der ehemalige Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) vermutet
eine „Trickserei“. Hier werde das Zehn-Prozent-Ziel schön gerechnet. Das
ehemalige rot-grüne Kabinett habe beschlossen, dass Flächen, die sich aus
rechtlichen Gründen nicht eigneten – etwa die Moore – geprüft und durch
andere Flächen ersetzt werden sollten. Diese Prüfung schließt der neue
Erlass nun aus. Die von der EU geförderten Moorvernässungen dürften jedoch
nicht durch den Erlass konterkariert werden, so Meyer.
Die niedersächsische FDP befürwortet hingegen, dass Moore zu NWE10-Flächen
werden. Für das Programm eigneten sich Flächen, „auf denen eh keine
wirtschaftliche Nutzung des Waldbestandes möglich“ sei, sagt der
FDP-Forstpolitiker Hermann Grupe. „Es muss einen Weg geben, die
Naturschutzziele zu erreichen und gleichzeitig wirtschaftliche Aspekte zu
berücksichtigen.“
10 Oct 2018
## AUTOREN
Andrea Maestro
## TAGS
Moor
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
Naturschutz
Wald
Forstwirtschaft
Niedersachsen
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Artenschutz
Umwelt
Naturschutz
Naturschutz
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