# taz.de -- Bodenerosion schreitet voran: Die Humusschicht erhalten | |
> Gesucht werden Anbaumethoden, die Ackerböden und Klima schonen. Auch die | |
> Rolle der Kleinstlebewesen wird untersucht. | |
Bild: Ein Teil des fruchtbaren Bodens geht bei der landwirtschaftlichen Bearbei… | |
Seit gut 10.000 Jahren beackert der Homo sapiens nun Böden. Damals | |
pflanzten erste Siedler im Vorderen Orient neben ihren Höfen Getreide und | |
Gemüse an. Sie brachten organische Substanz wie Tierdung ein, pflügten und | |
wässerten die Anbauflächen. So entstanden über die nachfolgenden | |
Jahrhunderte sogenannte anthropogene Böden wie der Plaggenesch und der | |
Hortisol. | |
Doch die intensive landwirtschaftliche Nutzung sowie die teilweise | |
industrielle Verschmutzung von Böden und Grundwasser ist mittlerweile zum | |
Problem geworden. So stellte die „[1][United Nations Convention to Combat | |
Desertification“] im Jahr 2017 fest, dass „allein in Europa durch schlechte | |
Bodenbewirtschaftungspraktiken jährlich schätzungsweise 970 Millionen | |
Tonnen Boden verloren gehen; weltweit wird der jährliche Verlust an Boden | |
auf 24 Milliarden Tonnen geschätzt“. | |
So werden beispielsweise in Südostasien Torfwälder für Palmölplantagen | |
gerodet, wodurch die Artenvielfalt und die Bodenfruchtbarkeit abnimmt, | |
während massiv Kohlendioxid freigesetzt wird. In Südspanien und Marokko | |
entziehen Gemüse- und Erdbeerfelder dem sowieso schon trockenen Boden noch | |
mehr Wasser, und auch Bodenbearbeitungspraktiken wie schwere Traktoren oder | |
Pflugscharen schaden dem sensiblen Bodengefüge. Erosion, Verdichtung, | |
Versalzung und Wüstenbildung bedeuten jedoch einen dramatischen Verlust an | |
fruchtbaren Böden. Jedoch bräuchte man angesichts der wachsenden | |
Bevölkerung und des Klimawandels resiliente Böden, die auf wenig Fläche | |
hochproduktiv sind. Ein Verlust ist auch deswegen kritisch, weil intakte | |
Böden gute Kohlenstoffspeicher sind, also der Atmosphäre Kohlendioxid | |
entziehen. | |
Dabei ist Boden nicht gleich Boden. „Erde ist eine sich ständig verändernde | |
Mischung aus Mineralien, lebenden Organismen, zerfallenden organischen | |
Stoffen, Luft und Wasser“, sagt Julian Chollet, Mikrobiologe und | |
Mitbegründer des Projektes [2][„Humus Sapiens“.] Wichtig für eine gute | |
Bodenqualität ist vor allem der Gehalt an Humus, an toter organischer | |
Substanz. Je mehr Humus, desto besser kann Kohlenstoff im Boden gebunden | |
werden. Zudem tummeln sich in dieser Erdschicht zahlreiche Mikroorganismen, | |
Bakterien, Archaeen, Pilze, Algen, Amöben oder Nematoden, die zunehmend in | |
den Fokus der Bodenforschung rücken. | |
Denn diese haben wichtige Aufgaben, sie bauen etwa Pflanzenreste ab, bilden | |
organische Bodensubstanzen oder fördern Pflanzenwachstum und -gesundheit – | |
sie sind also natürliche Dünger und Pflanzenschutzmittel in einem. „Um die | |
Böden schonend und nachhaltig zu bewirtschaften, ist ein tieferes | |
Verständnis der mikrobiologischen Prozesse notwendig“, sagt Christoph | |
Tebbe, Wissenschaftler am [3][Thünen-Institut] für Biodiversität. | |
## Fruchtfolge fördert Vielfalt | |
Monokulturen, so hat Tebbe gezeigt, können sich auf die Bodengemeinschaft | |
auswirken: Wachsen auf dem Acker immer nur die gleichen Pflanzen, setzen | |
sich schädliche Mikroorganismen besser durch als nützliche und es | |
grassieren Pflanzenkrankheiten. Bei Fruchtfolge hingegen, das heißt wenn im | |
Wechsel immer wieder andere Pflanzen angebaut werden, reichern sich über | |
die Wurzeln unterschiedliche Mikroorganismen an. Wie sich der Anbau von | |
gentechnisch veränderten Pflanzen auf die Bakterienvielfalt in den Wurzeln | |
auswirkt, untersucht der Thünen-Forscher derzeit noch. Er fand in ersten | |
Versuchen heraus, dass es tatsächlich Unterschiede gibt, allerdings brauche | |
es noch Freilandversuche, um die Auswirkungen genau zu ermitteln. Sicher | |
ist hingegen, dass eine möglichst reduzierte Bodenbearbeitung, das heißt | |
ohne tiefes Pflügen, Mikrobenwachstum und -vielfalt fördert. | |
Eine derzeit beliebte Form der Landwirtschaft ist darum die sogenannte | |
Konservierende Bodenbearbeitung, bei der teilweise oder ganz (No-Tillage) | |
auf das Pflügen verzichtet wird. Damit wird Erosion verhindert, die | |
Struktur von Böden verbessert, auch Regenwürmer profitieren. Ob dabei | |
weniger Treibhausgasemissionen entstehen, ist dagegen laut einer | |
Metaanalyse unter Beteiligung der Universität Göttingen im Jahr 2014 | |
zweifelhaft. Sie zeigte sogar, dass bei pfluglosen Verfahren die Emissionen | |
an Kohlendioxid und Lachgas deutlich zunehmen können. | |
Die No-Tillage-Befürworter ignorieren das allerdings, denn pfluglose | |
Landwirtschaft ist ein lukratives Geschäft. Infolge dieser Anbaumethode | |
breiteten sich nämlich Gentech-Pflanzen und die dazu passenden Herbizide, | |
vor allem Glyphosat, aus. Das tötet Unkraut, aber auch die verbleibenden | |
Reste der Feldfrüchte, die normalerweise untergepflügt werden. Doch auch | |
bei uns ist der teilweise Verzicht auf Pflug und der Einsatz von Herbiziden | |
bei rund 40 Prozent der hiesigen Bauern tägliche Praxis. | |
Das Problem dabei: Immer mehr Unkräuter wie Ackerfuchsschwanz, Windhalm, | |
Flughafer oder Hühnerhirse werden herbizidresistent. Einige Bauern kehren | |
darum zurück zum Pflügen. Zudem verschiebt die Ausbringung von Glyphosat | |
die Mikrobenverhältnisse im Boden. Dass das etwa die Schwächung von | |
nützlichen oder die Stärkung von pathogenen Mikroben zur Folge haben kann, | |
hat eine aktuelle Übersichtsstudie der Universität Edinburgh offengelegt. | |
Zudem wird heftig darüber gestritten, ob das Herbizid nicht auch für Mensch | |
und Tier schädlich ist. Pfluglose Landwirtschaft ist zwar auch ohne | |
Glyphosat möglich, allerdings deutlich arbeitsintensiver. | |
## Zwischenfrucht für Gründüngung | |
Es gibt aber noch weitere Alternativen, die ebenbürtig oder besser für die | |
Bodenqualität und das Klima sind. Studien des Thünen-Instituts für | |
Agrarklimaschutz zeigten 2014, dass durch Zwischenfruchtanbau, also | |
Begrünung von Feldern im Winter, doppelt so viel Humus in den Boden | |
eingebracht wird wie mit reduzierter Bodenbearbeitung. Zudem verbessert | |
sich durch Gründüngung bekanntermaßen die Bodenfruchtbarkeit, und das | |
Grundwasser wird vor Nitrateinträgen geschützt. | |
Hilfe könnten die Forscher zukünftig von Julian Chollet und seinem Projekt | |
„Humus Sapiens“ erhalten. Bei einem kürzlichen Treffen hat ein | |
internationales Team beispielsweise aus Tupperdosen und Sensoren ein Gerät | |
gebaut, das misst, wie viel CO2 der Boden aufnimmt oder abgibt. Schaltpläne | |
dazu sind im Netz zu finden. „Das ginge also Richtung ‚Citizen Science‘, | |
wenn jeder seinen Boden untersuchen kann und dann viele Daten gesammelt | |
werden können“, sagt der Münchner Mikrobiologe. | |
Wichtig ist ihm aber nicht nur, dass Wissenschaft partizipatorisch für | |
Laien erlebbar ist, sondern es geht ihm auch um einen Austausch zu diesem | |
Thema zwischen verschiedenen Disziplinen, auch zwischen | |
Naturwissenschaftlern und Künstlern. Gentechnik am Küchentisch zu machen | |
ist für den Do-it-yourself-Biologen dabei aber eher nicht von Interesse. | |
27 May 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.unccd.int/ | |
[2] https://mikrobiomik.org/de/projekte/humussapiens | |
[3] https://www.thuenen.de/de/ | |
## AUTOREN | |
Kathrin Burger | |
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