# taz.de -- Pro & Contra Genossenschafts-Neubau: Eine Extrawurst bauen? | |
> Genossenschaften möchten mehr bauen. Sie wollen eine Förderung vom Senat, | |
> aber sich nicht auf Mietpreise von 6,50 Euro festlegen lassen. Ist das | |
> gerechtfertigt? | |
Bild: Beim Wohnungsbau geht's um die Wurst | |
## Ja | |
Was das Verbrennen von Geld betrifft, ist Berlin weiß Gott leidgeprüft. | |
Nicht nur wegen des Milliardengrabs am BER, sondern auch wegen des sozialen | |
Wohnungsbaus der Vergangenheit. Das Geld kam nicht dort an, wo es sollte, | |
und hat Löcher in den Haushalt gerissen, die bis heute spürbar sind. Es ist | |
deshalb richtig, bei einer Neuauflage einer sozialen Wohnungsbauförderung | |
darauf zu achten, dass die eingesetzten Mittel auch die erwünschten Effekte | |
erzielen – und zudem nachhaltig sind. | |
Gehören da die Wohnungsgenossenschaften dazu, die sich bereit erklären, | |
beim Neubau von Wohnungen mitzumischen? Natürlich, sagt der Senat, solange | |
sie sich an die Regeln halten. Die besagen, dass ein Drittel der Wohnungen | |
zu 6,50 Euro pro Quadratmeter angeboten werden können. So sollen private | |
Investoren gezwungen werden, wenigstens ein Mindestmaß an bezahlbaren | |
Wohnungen anzubieten. | |
Was für große Bauträger richtig ist, muss für Genossenschaften nicht | |
unbedingt gelten. Anders als die Mehrheit privater Investoren, die nur | |
darauf wartet, die Sozialwohnungen nach Ablauf der Bindung meistbietend | |
verscherbeln zu können, verweisen sie darauf, alle Wohnungen dauerhaft im | |
Bestand zu behalten. So sind sie, auch wenn die Einstiegsmieten hoch sind, | |
auf Dauer eine Spekulationsbremse. | |
Genossenschaften beim Bau neuer Wohnungen zu fördern, auch wenn es keine | |
schnellen Effekte gibt, ist also keine Geldverbrennung, sondern eine | |
Investition in die Zukunft. Das schließt aber nicht aus, die privaten | |
Neubauinvestoren, wie zum Beispiel in Wien, noch stärker an die Leine zu | |
nehmen als bisher. Uwe Rada | |
## Nein | |
Wohnungen dem Markt zu entziehen ist richtig und wichtig. Dazu gehört aber | |
auch, sie ab dem ersten Tag den Marktpreisen zu entziehen. Geschieht das | |
nicht, verkommt das Konzept zur hohlen Phrase. Die Forderung, | |
Genossenschaften von der für alle großen Bauvorhaben verbindlichen | |
Sozialquote – 30 Prozent aller neu errichteten Wohnungen für 6,50 Euro pro | |
Quadratmeter – auszunehmen, ist daher grotesk. Berlin braucht sofort | |
günstigen Wohnraum, keine exklusiven Wohlfühloasen für das liberale, aber | |
unsoziale Neu-Bürgertum. | |
Dass ausgerechnet ein SPD-Baupolitiker die Sozialquote aufweichen will, | |
passt zur verheerenden Politik der Partei in diesem Feld. Die Strategie | |
gegen die unbezahlbare Stadt darf keinesfalls in weiteren Kompromissen | |
bestehen. Jede weitere Wohnung für zehn oder zwölf Euro geht vorbei am | |
eigentlichen Bedarf. | |
Nötig ist es, den Sektor der günstigen Wohnungen auszubauen. Geht nicht? | |
Geht doch. Vergangene Woche hat Wien seine neue Bauordnung beschlossen: | |
Zwei Drittel der Neubauwohnungen dürfen maximal fünf Euro kosten. Klaus | |
Mindrup sollte seine Genossen mal fragen, wie sie das machen. | |
Die Förderung genossenschaftlichen Wohnungsbaus ist richtig, gelten muss | |
aber: Eine Genossenschaft ist sozial oder sie ist überflüssig. Teure | |
Genossenschaftswohnungen damit zu rechtfertigen, dass sie stabil bleiben, | |
während Wohnungen auf dem freien Markt immer teurer werden, reicht nicht | |
aus. Genossenschaften existieren auf Dauer. Sie müssen sich nicht drängen | |
lassen, ihre Neubaukosten möglichst rasch zu refinanzieren. Dann klappt es | |
auch mit bezahlbaren Mieten. Erik Peter | |
26 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
Erik Peter | |
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aus. |