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# taz.de -- Schreiben liegt der taz exklusiv vor: Schwere Vorwürfe aus Israel
> Die Bundesregierung soll die Finanzierung von behaupteten
> antiisraelischen Aktivitäten einstellen. Das fordert ein Schreiben aus
> Israel.
Bild: In dem Schreiben wird auch das Jüdische Museum in Berlin scharf kritisie…
Die Bundesregierung ist aus Israel aufgefordert worden, die Unterstützung
für Dutzende Menschenrechtsorganisationen in Israel und den
palästinensischen Gebieten grundsätzlich zu überdenken. Die Bundesregierung
müsse „eine Überprüfung ihrer Finanzierungsrichtlinien“ vornehmen, heiß…
in einem Schreiben an die Regierung, das der taz vorliegt.
Neben politischen Stiftungen, kirchlichen Hilfsorganisationen und ihren
Partnern in Israel und Palästina betrifft die Beschwerde auch
„Anti-Israel-Aktivitäten“ des Jüdischen Museums in Berlin sowie die
deutsche Förderung von Filmen von vermeintlichen Unterstützern der
Boykottbewegung BDS (s.u.).
„Wir hätten gern, dass die Bundesregierung ihre weitere finanzielle
Unterstützung an den vollständigen Stopp solcher Aktivitäten knüpft“, hei…
es in dem Schreiben. Woher es genau kommt, ist unklar. Das Schreiben, wie
bei inoffiziellen Arbeitsdokumenten zwischen Regierungen üblich, trägt
weder Absender noch Unterschrift. Es gibt aber Hinweise darauf, dass die
israelische Regierung der Absender ist.
Ein Sprecher der Bundesregierung erklärte, man stehe mit der israelischen
Regierung zum Thema „Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen“ im
Austausch. Es seien „von israelischer Seite auch Informationen übergeben“
worden.
Dass das Dokument direkt von der israelischen Regierung kommt, wollte die
Bundesregierung weder bestätigen noch dementieren. Das zuständige
israelische Ministerium für Strategische Angelegenheiten reagierte auf
Anfrage nicht.* Nach Informationen der taz hat neben dem Kanzleramt auch
das Bundesentwicklungsministerium das Schreiben erhalten und geprüft.
## Schwere Vorwürfe
Die Vorwürfe wiegen schwer: „Die deutsche Förderung von
Nichtregierungsorganisationen, die in die inneren Angelegenheiten Israels
eingreifen oder Anti-Israel-Aktivitäten fördern, ist einzigartig“, heißt es
in dem siebenseitigen Schreiben. So widerspreche etwa die Förderung des
Magazins +972 durch die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung israelischen
Interessen. Denn „die Autoren beschuldigen Israel regelmäßig der
Apartheid“.
Das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt fördere Initiativen wie
Coalition of Women for Peace, die Boykottkampagnen gegen Israel
unterstützten. Auch die Linken-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung, das
katholische Hilfswerk Misereor sowie die Hilfsorganisationen Medico
International und Kurve Wustrow sind von der Beschwerde betroffen.
Aufgelistet sind auch Förderprogramme des Entwicklungsministeriums und des
Auswärtigen Amts.
Betroffene zeigten gegenüber der taz Unverständnis für die Anschuldigungen.
Partner in Israel und Palästina würden sorgfältig ausgewählt. Auch das
Auswärtige Amt nehme Unbedenklichkeitsprüfungen vor, bevor Mittel für
Projekte bereitgestellt würden, teilte die Bundesregierung mit. Die
Böll-Stiftung bezeichnete die Vorwürfe gegen sie als „absurd“.
## Organisation will „israelische Besatzung beenden“
„Leider beobachten wir seit geraumer Zeit, dass der Druck auf
regierungskritische NGOs in Israel und Palästina zunimmt“, teilte ein
Sprecher mit. „Ein kritisches Magazin wie +972, das den Meinungspluralismus
in Israel widerspiegelt, als antiisraelisch zu diffamieren, ist auch ein
Angriff auf namhafte Journalistinnen und Journalisten Israels.“
Auf israelischer Seite sind von der Beschwerde vor allem Organisationen
betroffen, die mit der BDS-Bewegung in Verbindung gebracht werden oder die
israelische Besatzung der palästinensischen Gebiete kritisieren. So wird
die Förderung von Breaking the Silence durch Misereor kritisiert sowie jene
von Bet’Selem durch Brot für die Welt.
Beide Organisationen stehen in Israel unter Beschuss. Breaking the Silence
ist ein Zusammenschluss ehemaliger Soldaten, die die Verletzung von
Menschenrechten in den palästinensischen Gebieten kritisieren. Bet’Selem
versteht sich als Menschenrechtsorganisation, die danach strebt, „die
israelische Besatzung zu beenden“.
Breaking the Silence und Bet’Selem standen im vergangenen Jahr im
[1][Mittelpunkt eines diplomatischen Eklats], nachdem sich der damalige
deutsche Außenminister Sigmar Gabriel mit Vertretern der Organisationen
getroffen hatte. Aus Protest sagte Israels Regierungschef Benjamin
Netanjahu ein geplantes Treffen mit Gabriel ab.
## Israel warf EU im Mai Terrorunterstützung vor
Beide Organisationen sind nach israelischem Recht als NGO anerkannt. Auch
die anderen in dem Schreiben an die Bundesregierung erwähnten
Organisationen in Israel und Palästina sind offiziell registriert.
Mit Unverständnis reagierte auch das Jüdische Museum in Berlin. In dem
Papier heißt es, eine derzeit laufende Ausstellung über Jerusalem gebe
„größtenteils die muslimisch-palästinensische Sichtweise“ wieder. Außer…
„veranstaltet das Museum regelmäßig Veranstaltungen und Diskussionen mit
prominenten BDS-Unterstützern“.
Eine Sprecherin erklärte: „Wir sind der Überzeugung, dass eine offene
Diskussion unter Einbeziehung teils auch kontroverser Sichtweisen
unabdinglich ist, um unseren Besucher*innen zu ermöglichen, sich ein
eigenes, differenziertes Urteil zu bilden.“ Die Ansichten, die
ReferentInnen im Rahmen von Veranstaltungen äußerten, seien private
Meinungsäußerungen.
Die Berlinale war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Über das
Filmfestival heißt es in dem Schreiben, es empfange „regelmäßig
BDS-Aktivisten als Gast“.
## Einschüchterung und Diffamierung
Im Mai erst hatte Israel der EU Terrorunterstützung vorgeworfen. Die EU
unterstütze NGOs in Israel und Palästina mit Summen in Milliardenhöhe, die
Verbindungen zu BDS und Terrorgruppen hätten, hieß es in einem Bericht. Die
Außenbeauftragte der EU, Federica Mogherini, reagierte harsch auf die
Kritik.
In einem Brief an den Minister für Strategische Angelegenheiten, Gilad
Erdan, aus dessen Ministerium der Bericht stammte, wies sie die Vorwürfe
zurück. Der Bericht „vermischt Terrorismus mit dem Boykottthema und schafft
eine inakzeptable Verwirrung […], was diese zwei unterschiedlichen
Phänomene angeht“.
Die Vorwürfe kommen zu einer Zeit, in der MenschenrechtlerInnen in Israel
und Palästina über schrumpfende Handlungsspielräume klagen. Der
zivilgesellschaftliche Raum werde zunehmend eingeschränkt durch
Einschüchterungsversuche und Diffamierungskampagnen, aber auch durch
Gesetze wie ein vor zwei Jahren verabschiedetes NGO-Gesetz.
Dieses erteilt insbesondere Menschenrechtsorganisationen schärfere
Auflagen. Im Juli dieses Jahres legte die Knesset mit einem weiteren
umstrittenen Gesetz nach, das unter dem Namen „Breaking-the-Silence-Gesetz“
bekannt wurde. Es hindert besatzungskritische Organisationen,
Bildungsarbeit zu betreiben.
## NGO Monitor möglicher Absender?
Menschenrechtler und Entwicklungshelfer wiesen gegenüber der taz darauf
hin, dass das Schreiben an die Bundesregierung die deutliche Handschrift
der israelischen Organisation NGO Monitor trage. Die Organisation mit Sitz
in Jerusalem verfolgt nach eigenen Angaben das Ziel, Transparenz in die
Arbeit von nichtstaatlichen Organisationen in Israel und den
palästinensischen Gebieten zu bringen. Deutsche Organisationen wurden von
NGO Monitor für ihre Förderprogramme scharf kritisiert und werden
regelmäßig aufgefordert, ihre Finanzen offenzulegen.
Kritiker in Israel sehen in der Arbeit von NGO Monitor eine gezielte
politische Kampagne gegen „linke“ Organisationen, die der Besatzung des
Westjordanlands und des Gazastreifens kritisch gegenüberstehen. „NGO
Monitor ist eine politisch motivierte Organisation, die enge Verbindungen
zur israelischen Regierung hat“, schreibt die Policy Working Group, eine
Gruppe von Akademikern und ehemaligen Diplomaten.
Das Ziel von NGO Monitor sei es, politische Maßnahmen aufrechtzuerhalten,
die „Israels Besatzung und Kontrolle der palästinensischen Gebiete“
gewährleisteten. Organisationen, die der konservativen Regierung unter
Netanjahu nahestehen, würden von NGO Monitor dagegen nicht beobachtet.
Nach Angaben der Policy Working Group verfügt NGO Monitor über exzellente
Kontakte und operiert „in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit der
israelischen Regierung“. So sei der Präsident der Organisation, Gerald
Steinberg, als Berater für das Außenministerium und den Nationalen
Sicherheitsrat tätig gewesen. Gegenüber der taz erklärte NGO Monitor
jedoch, mit dem Schreiben an die Bundesregierung nichts zu tun zu haben.
## Druck aus Israel dürfte anhalten
Zu einer [2][ähnlichen Einschätzung von NGO Monitor] kommt auch die
Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, die die Bundesregierung
berät. Gemeinsam mit anderen „konservativ-nationalistischen Organisationen
der Zivilgesellschaft“ gehe NGO Monitor gegen liberale Organisationen vor.
Diese würden gezielt mit Terrorismus in Verbindung gebracht, um sie zu
diskreditieren. In den Geberländern werde außerdem Lobbyarbeit betrieben,
um Regierungen und Parlamentsabgeordnete unter Druck zu setzen. Das Ziel
sei es, die Finanzquellen liberaler NGOs trockenzulegen.
Auf Anfrage, ob die Bundesregierung auf die jüngste Beschwerde hin tätig
geworden sei, erklärte ein Sprecher nur, dass die „Förderung einer
lebendigen Zivilgesellschaft Ziel deutscher Außen- und Entwicklungspolitik“
sei. Zu ihren Grundsätzen zählten der Schutz der Menschenrechte sowie
Meinungsfreiheit. Bleibt die Bundesregierung bei ihren Prinzipien, dürfte
der Druck aus Israel anhalten.
* Update 6.12.2018, 12.15 Uhr: Das israelische Ministerium für Strategische
Angelegenheiten dementierte auf Anfrage der taz, das Schreiben verfasst zu
haben. Die Antwort erreichte uns nach Redaktionsschluss.
5 Dec 2018
## LINKS
[1] /Nach-Eklat-bei-Israel-Besuch/!5407248
[2] https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/comments/2018C02_jam…
## AUTOREN
Jannis Hagmann
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