# taz.de -- Plakatkampagne des Heimatministeriums: Ein unmoralisches Angebot | |
> Mit einem Plakat erklärt das Heimatministerium seinen Namen. Jeder sei in | |
> seiner Heimat besser aufgehoben – vor allem Geflüchtete. | |
Bild: Kurz gesagt: Geh heim! – Logo der Ministeriumskampagne | |
BERLIN taz | Neuerdings begrüßt Berliner*innen in der U-Bahn ein Plakat | |
des [1][Heimatministeriums]. „Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!“ So viel auf | |
Deutsch und zur Einstimmung. Weiter geht es auf Russisch, sodass nur | |
diejenigen, die wirklich gemeint sind, verstehen, dass es eigentlich um | |
einen Abschied geht. „Bis zum 31. 12. gibt es für freiwillige Rückkehrer | |
für bis zu zwölf Monate die Möglichkeit einer Übernahme von Wohnkosten.“ | |
Was wie ein grandioses Angebot klingt, ist das seit Mitte September | |
laufende Bundesprogramm zur „Reintegrationsunterstützung im Bereich | |
Wohnen“. Diese Unterstützung wird nicht nur russischsprachigen Menschen | |
geboten, sondern kann theoretisch für 45 Herkunftsländer geltend gemacht | |
werden. Die meisten russischsprachigen Menschen, die heute in Deutschland | |
leben, kamen Anfang der 1990er als sogenannte Russlanddeutsche oder | |
jüdische Kontingentgeflüchtete. Die sollen jetzt zurück? Ein Anruf bei der | |
zuständigen Beratungsstelle der Internationalen Organisation für Migration | |
(IOM) in Berlin: „Meine Eltern sind Russlanddeutsche. Kann ich jetzt | |
Wohngeld beantragen und zurückkehren?“ Antwort: „Nein, das gilt nicht für | |
normale Leute, nur für Flüchtlinge!“ | |
„Nicht-normale“ Menschen, damit gemeint sind Asylbewerber*innen vor | |
Abschluss des Asylverfahrens, Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde | |
und die sich innerhalb der gegebenen Ausreisefrist für eine freiwillige | |
Rückkehr entscheiden oder Menschen, die nach deutschem Recht eigentlich | |
schutzbedürftig sind, aber dennoch in ihr Herkunftsland zurückkehren. | |
In der Such-Eingabemaske des Informationsportals des Bundes zur | |
freiwilligen Rückkehr werden als Rückkehrländer vorgeschlagen: „z. B. | |
Albanien, Irak, Kosovo“. Pro forma kann man auch auf Belgien oder | |
Frankreich klicken, um dann darüber informiert zu werden, das | |
EU-Bürger*innen von den Unterstützungen ausgeschlossen sind. | |
## Minen-Workshop | |
Das Portal ist im Gegensatz zur Plakatkampagne nicht neu. Seit Mai 2017 | |
werden hier vom Bamf unterschiedliche „humanitäre Hilfsprogramme“ zur | |
„Förderung der freiwilligen Rückkehr oder Weiterwanderung und Steuerung von | |
Migrationsbewegungen“ vorgestellt. Detailliert wird aufgelistet, wer | |
Anspruch auf wie viel „Starthilfe“ hat. So können Bus- und Flugtickets oder | |
Benzinkosten in Höhe von 250 Euro pro ausreisendem Pkw übernommen werden. | |
Vorausgesetzt natürlich, dass die notwendigen Mittel weder von den | |
Ausreisenden selbst noch durch unterhaltspflichtige Angehörige aufgebracht | |
werden können. | |
Bei wie vielen Menschen überhaupt Geld ankommen kann, ist fraglich. Dafür | |
gibt es das zusätzliche Angebot „bedarfsorientierter Schulungen“, wie etwa | |
den Workshop „Post-War Pioneers – Heimat statt Migration“, bei dem | |
rückkehrwillige Migrant*innen schon in Deutschland zu „Wiederaufbauhelfern“ | |
mit dem Schwerpunkt „Gefahren durch explosive Kriegsreste“ ausgebildet | |
werden. | |
Zurück zur „Reintegrationsunterstützung im Bereich Wohnen“. Auch diese | |
entpuppt sich bei genauem Nachlesen als ziemlich mieses Angebot. Maximal | |
3.000 Euro soll es für Familien und 1.000 Euro für Einzelpersonen in Form | |
von Sachleistungen geben. Das soll dann für „Miete, Bau- und | |
Renovierungsarbeiten“ reichen, heißt es auf der Website. Denn auch das | |
Versprechen von „bis zu 12 Monaten“ ist missverständlich. | |
Es handle sich um die Höchstbeträge, die aber aufgesplittet über einen | |
Zeitraum von einem Jahr ausgezahlt werden können, erklärte ein Mitarbeiter | |
der Bamf-Rückkehrhotline am Telefon. Die erste Auszahlung kann in | |
Deutschland direkt am Flughafen erfolgen, alles Weitere muss dann mit der | |
IOM vor Ort abgestimmt werden. Im Gegenzug sollen die freiwilligen | |
Rückkehrer*innen unterschreiben, dass sie auf die Fortsetzung des aktuellen | |
Asylverfahrens, den Schutzstatus sowie auf weitere Rechtsmittel verzichten. | |
Und sollten sie sich, zwischen Minen und Ruinen lebend, überlegen, doch | |
nach Deutschland zurückzukommen, müssen alle erhaltenen | |
Unterstützungsgelder vollständig zurückgezahlt werden. | |
Das also versteht [2][der Bund unter „Bekämpfung von Fluchtursachen“]. | |
15 Nov 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Seehofers-Masterplan-Migration/!5518294 | |
[2] /Gastbeitrag-Festung-Europa/!5546982 | |
## AUTOREN | |
Julia Wasenmüller | |
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