| # taz.de -- Expertin über Gender und Klimawandel: „Bei Dürren sterben mehr … | |
| > Die Opfer des Klimawandels sind überwiegend weiblich, Männer verursachen | |
| > ihn maßgeblich. Wieso das so ist, erklärt Linda Ederberg vom Verein | |
| > GenderCC. | |
| Bild: Kalifornische Trümmerfrauen: Mutter und Tochter vor den Resten ihres vom… | |
| taz: Frau Ederberg, ist der Klimawandel geschlechtsneutral? | |
| Linda Ederberg: Nein. Jeder Aspekt des Klimawandels ist genderrelevant. Wir | |
| müssen zum Beispiel hinschauen, von wem der Klimawandel verursacht wurde, | |
| wer von den Auswirkungen betroffen ist und wie sich Klimaschutzmaßnahmen | |
| auswirken. | |
| Die durchschnittlichen Kohlendioxidemissionen von Männern sind weltweit | |
| deutlich höher als die von Frauen. Ist das Patriarchat schuld an der | |
| Klimakrise? | |
| Klimawandel und Patriarchat gehen zumindest Hand in Hand. Die Forschung | |
| zeigt, dass der größere CO2-Fußabdruck von Männern unter anderem daher | |
| kommt, dass sie längere Strecken häufiger mit dem eigenen Auto fahren, | |
| während Frauen komplizierte Wegeketten in der Stadt mit dem Rad, zu Fuß | |
| oder dem öffentlichen Nahverkehr zurücklegen. | |
| Mir geht es nicht darum, Stereotype zu bedienen – aber weltweit wird | |
| Erwerbsarbeit auf der einen und Pflege- und Sorgearbeit wie Kinderbetreuung | |
| auf der anderen Seite noch immer entlang von Gendergrenzen aufgeteilt. | |
| Patriarchal geprägte Handlungsmuster haben insofern direkte Auswirkungen | |
| aufs Klima. | |
| Welche Handlungsmuster gibt es noch? | |
| Frauen essen häufiger vegetarisch, weil sie mehr Wert auf gesundheits- und | |
| umweltbewusste Ernährung legen, das zeigen Studien des Umweltbundesamtes. | |
| Fleischkonsum ist hingegen häufig mit Konzepten von Männlichkeit verknüpft. | |
| Das begünstigt die Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Studien legen nahe: | |
| Je geschlechtergerechter eine Gesellschaft, desto kleiner der | |
| Co2-Fußabdruck pro Person. | |
| Sie sagen, dass Gender auch beeinflusst, wer vom Klimawandel betroffen ist. | |
| Bei Überschwemmungen, Dürren oder Hitzen sterben mehr Frauen als Männer – | |
| das war zum Beispiel beim Zyklon Sidre in Bangladesch 2007 der Fall, da | |
| waren 80 Prozent der Opfer Frauen und Mädchen. Das liegt auch an | |
| geschlechtsspezifischen Rollenmustern: Frauen sind häufiger zu Hause, | |
| kümmern sich um Angehörige und haben schlechteren Zugang zu Informationen | |
| wie Warnungen vor Katastrophen. Frauen mit Kindern oder Schwangere können | |
| schlechter fliehen. | |
| Ist das ein Problem entlang geographischer Grenzen? | |
| In Ländern des globalen Südens ist diese Verletzlichkeit von Frauen noch | |
| viel größer als hierzulande, aber auch beim Wirbelsturm Katrina in den USA | |
| waren Frauen stärker von den Folgen betroffen. Faktoren wie Armut und Alter | |
| sind dabei häufig mit Gender gekoppelt: Ältere alleinstehende Frauen leiden | |
| zum Beispiel stark unter Hitzewellen, weil sie im Gegensatz zu älteren | |
| Männern weniger häufig von Angehörigen versorgt werden. | |
| Und auch sexualisierte Gewalt nimmt bei klimawandelbedingten Dürren zu. | |
| Mädchen, die oft für die Versorgung der Familie zuständig sind, müssen | |
| danach längere Wege zurücklegen, um Wasser zu holen und laufen stärker | |
| Gefahr, angegriffen zu werden. | |
| Die UN-Klimarahmenkonvention hat das Thema Gender und Klima zum ersten Mal | |
| 2001 aufgegriffen, seit 2012 ist Gender ein fester Punkt auf der | |
| Tagesordnung der Klimakonferenz. 2017 haben die UN den Gender Action Plan | |
| für den Bereich Klima verabschiedet. Worum geht es da? | |
| Es geht um fünf große Bereiche: Der erste ist Capacity Building, also zum | |
| Beispiel Wissensaustausch in den Institutionen der UN etwa durch | |
| Gender-Trainings. Beim zweiten geht es um Geschlechterparität in | |
| Führungspositionen bei den Klimakonferenzen. | |
| Wie viele Frauen gehören den Delegationen im Schnitt an? | |
| In Paris waren insgesamt nur etwa 20 Prozent Frauen unter den | |
| VerhandlerInnen, das ist ein katastrophal schlechter Schnitt. Insgesamt | |
| steigt die Anzahl der Frauen aber. Dass es in Paris eine Talfahrt gab, lag | |
| daran, dass die Konferenz so wichtig war, dass die Staaten die höchsten | |
| VerhandlerInnen geschickt haben, also StaatssekretärInnen und | |
| MinisterInnen, was eben immer noch deutlich mehr Männer sind. Das war total | |
| auffällig: Sobald man den Verhandlungsbereich betreten hat, waren da fast | |
| nur noch Männer mit Anzügen. | |
| Was ist der dritte Punkt des Gender Action Plans? | |
| Da geht es darum, dass sich die Beschlüsse der Klimarahmenkonvention auch | |
| in den Maßnahmen der übrigen UN-Organisationen wiederfinden. | |
| Es geht bei den ganzen Maßnahmen also nur um die institutionelle Ebene? | |
| Nein, bei den Punkten vier und fünf geht es um gendersensible Umsetzung und | |
| Instrumente und Monitoring . Alle Vertragsstaaten sollen Gender in die | |
| nationalen Pläne zur Umsetzung der Klimaziele integrieren, das muss also | |
| auch bundesweit passieren. Auch wenn es um nationale Gesetze geht, müssen | |
| Gender-ExpertInnen und Frauengruppen konsultiert werden, außerdem soll ein | |
| Bewusstsein für geschlechtsspezifische Diskriminierung geschaffen werden. | |
| Wir als GenderCC kämpfen dabei für einen transformativen Ansatz: Nicht nur | |
| soll Ungleichheit nicht verstärkt werden, sondern die Maßnahmen sollen | |
| bestehende Strukturen aufbrechen und Diskriminierung verringern – hin zu | |
| einer geschlechtergerechten Gesellschaft. | |
| Zum Beispiel? | |
| In Deutschland könnte das sein, dass sich Städte- und VerkehrsplanerInnen | |
| nicht am männlich codierten öffentlichen Raum orientieren, an der | |
| Autostadt, sondern die Wirkung der Maßnahmen auf die Geschlechter | |
| mitdenken. Frauen werden durch einen gut ausgebauten, sicheren und | |
| günstigen Nahverkehr mobiler. In Leipzig gibt es zum Beispiel ein Ticket | |
| für Menschen in der Elternzeit, wovon oft Frauen profitieren. | |
| Wie ist das in anderen Bereichen, wie etwa der Energiepolitik? | |
| Genderspezifische Zuständigkeiten für Sorge- oder Erwerbsarbeit haben zum | |
| Beispiel Auswirkungen auf die Höhe des Energieverbrauchs oder auf die | |
| Frage, wofür die Energie gebraucht wird. In Privathaushalten entscheiden | |
| tendenziell Männer über technische Energiefragen, obwohl Frauen, weil sie | |
| noch immer mehr Zeit für Haushaltstätigkeiten aufbringen müssen, eher für | |
| verhaltensbedingte Einsparungen verantwortlich sind. Dennoch ist die | |
| öffentliche wie private Energiewirtschaft eine Männerdomäne. | |
| Eine feministische Energiepolitik will herrschende männlich dominierte | |
| Strukturen in der Energiewirtschaft aufbrechen und sich gleichberechtigt an | |
| Bedürfnissen und Lebensrealitäten von Frauen, alleinstehenden älteren | |
| Menschen und anderen sozial diskriminierten Gruppierungen ausrichten. | |
| Obwohl Geschlechtergerechtigkeit für die Klimapolitik der Bundesrepublik | |
| ein verbindliches Ziel ist, geht es bisher wenn überhaupt um die Ebene der | |
| institutionellen Gleichstellung, nicht um klimapolitische Gesetzgebung. Was | |
| müsste passieren? | |
| Bei der Erarbeitung des deutschen Maßnahmenprogramms 2030, der Teil des | |
| Klimaschutzplans 2050 ist, spielt Gender bisher keine Rolle. Dabei müsste | |
| systematisch überprüft werden, welche Genderdimension die vorgeschlagenen | |
| Maßnahmen haben. Aber wir sind als Beobachterinnen im Aktionsbündnis dabei | |
| und fordern eine differenzierte Wirkungsanalyse auf die Gleichstellung. | |
| Wenn nicht berücksichtigt wird, welche Relevanz die Maßnahme auf die | |
| unterschiedliche Lebensrealität von Frauen und Männern hat, läuft sie | |
| Gefahr, Ungleichheiten zu verstärken. | |
| Bringt es was, wenn Sie in diesen Prozessen nur Beobachterin sind? | |
| Wir haben zum Beispiel gemeinsam mit vielen anderen | |
| Nichtregierungsorganisationen ein Forderungspapier erarbeitet, in dem die | |
| notwendigen Maßnahmen in allen klimapolitischen Handlungsfeldern | |
| beschrieben werden, damit Deutschland sein Klimaziel 2030 erreicht. Darin | |
| enthalten ist auch ein Kapitel zu Geschlechtergerechtigkeit. | |
| Das Wissen ist da – es muss nur berücksichtigt werden. Sogar unter den | |
| Umweltverbänden gelten wir mit der Genderperspektive auf Klima aber immer | |
| noch als bunte Vögel. Der Zusammenhang von Geschlecht und Klima ist im | |
| Mainstream noch nicht angekommen. | |
| Welche Rolle wird Gender bei der Klimakonferenz spielen? | |
| Im Pariser Klimaabkommen wird Gender in der Präambel erwähnt. Wir fordern, | |
| dass es bei der Verabschiedung des Regelwerks, um die es jetzt geht, | |
| umfassend berücksichtigt wird. Wir sind Teil der Beobachtungsgruppe Women | |
| und Gender, in der wir unsere konkreten Forderungen vor Ort erarbeiten. Wir | |
| werden jeden Morgen die Lobbystrategie für den Tag festlegen und überlegen, | |
| wie und wo wir uns einbringen können. | |
| Außerdem werden wir Trainings mit AktivistInnen aus dem globalen Süden | |
| abhalten und planen öffentlichkeitswirksame Aktionen wie spontane | |
| Demonstrationen, um auf unsere Ziele aufmerksam zu machen. Wir wollen | |
| zeigen, dass es ohne Gendergerechtigkeit keine Klimagerechtigkeit geben | |
| kann. | |
| 24 Nov 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Patricia Hecht | |
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