# taz.de -- Klima und Weltwirtschaft: Der Club der dreckigen Zwanzig | |
> Die G20 reden jetzt auch über Klimaschutz. Aber ihr Handeln macht das | |
> Problem nur noch größer, zeigt eine aktuelle Studie. | |
Bild: Zu viel Kohle und Verkehr: Auch Deutschland ist kein Vorreiter mehr | |
Wenn sich die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in zwei Wochen | |
in Buenos Aires treffen, feiern sie eine Weltpremiere: Zum ersten Mal | |
werden die G20 unter argentinischer Präsidentschaft eine eigene | |
Arbeitsgruppe zum Thema „Klima-Nachhaltigkeit“ einführen. „Wir alle teil… | |
die gleiche Verantwortung“, sagte dazu im Frühjahr der argentinische | |
Umweltminister Sergio Bergman, „Wir können die Tür zu einer sicheren und | |
stabilen Zukunft für alle öffnen.“ | |
In der Realität werfen die G20-Länder, die für 80 Prozent der weltweiten | |
CO2-Emissionen verantwortlich sind, diese Tür gerade mit Schwung zu. „Kein | |
Klimaplan der G20-Länder lässt sich mit dem Pariser Abkommen vereinbaren“, | |
befindet ein aktueller Bericht von 14 unabhängigen Forschungsinstituten, | |
der am Mittwoch veröffentlicht wird. | |
Die Länder beziehen weiter ihre Energie zu mehr als 80 Prozent aus Kohle, | |
Gas und Öl und „in 15 der 20 Staaten sind 2017 die CO2-Emissionen wieder | |
gestiegen“, heißt es in dem Report „Brown to Green“. Dabei ist allen kla… | |
Sollen die Klimaziele eine Chance haben, müssen die Emissionen ab 2020 | |
drastisch sinken – sie müssten sich in jedem Jahrzehnt halbieren. | |
## Schlechtes Zeugnis für die Großen 20 | |
Das Klimazeugnis für die G20 erstellen jedes Jahr Forschungsinstitute und | |
Thinktanks aus Europa, Südafrika, Mexiko, Indien, China und anderen | |
Staaten. Es soll die Leistungen der Staaten beim Umbau ihrer | |
Volkswirtschaften von fossilen zu grünen Energieformen zusammenfassen und | |
bewerten. | |
Er liefert damit einen dringend benötigten Vergleichsmaßstab für die | |
anstehende „Dekarbonisierung“ der Volkswirtschaften, den es bislang | |
nirgendwo gibt, auch nicht bei den UN-Klimaverhandlungen. Dort werden die | |
Länder im polnischen Kattowitz im Dezember zum ersten Mal ihre eigenen | |
Klimapläne für 2020 öffentlich vorstellen und verteidigen. Der „Brown to | |
Green“-Report ist da für die Transparenz sehr willkommen. | |
Der aktuelle Bericht findet allerdings wenig Licht und viel Schatten. So | |
tun gerade diejenigen Staaten am wenigsten, die es am nötigsten hätten: Bei | |
der Stromversorgung haben Südafrika, Australien und Indonesien die höchsten | |
CO2-Raten, aber keine Pläne, das zu ändern. Beim Verkehr sind es die USA, | |
Kanada und Australien, deren Autos am meisten Sprit verbrauchen und die | |
keine wirksamen Gegenmittel finden. Und die Entwaldung ist in Indonesien, | |
Argentinien und Brasilien am schlimmsten, doch diese Länder „zeigen keine | |
ausreichende Aktion, um diesen Trend umzudrehen.“ | |
Mehr Emissionen, mehr Subventionen | |
Außerdem haben die G20 zwischen 2007 und 2016 ihre direkten Subventionen | |
für Klimakiller wie Kohle, Öl und Gas von 75 Milliarden Dollar jährlich auf | |
147 Milliarden praktisch verdoppelt – und nur Kanada und Frankreich nehmen | |
mehr Geld aus einer CO2-Bepreisung ein als sie für dreckige Subventionen | |
ausgeben. | |
Als Lichtblick vermerkt der Bericht, dass immerhin Indien mit einem | |
ehrgeizigen Ausbau für Solarstrom seinen Klimazielen nahe kommt. Weltweit | |
werden erneuerbare Energien weiter schnell ausgebaut, manche Länder | |
beschließen ehrgeizige Ziele für Klimaschutz oder den grünen Umbau des | |
Finanzsystems. Und schließlich beginnen Debatten über eine „gerechte | |
Transformation“ weg von der Kohle. | |
Deutschland bescheinigt der Bericht keine Führungsrolle. „Deutschland tut | |
deutlich zu wenig, um seine Klimaziele zu erreichen“, sagt Jan Burck von | |
der Entwicklungsorganisation Germanwatch, einer der Autoren. Schwachpunkte | |
sind der Verkehr, die hohen CO2-Emissionen aus dem Kohlestrom und die | |
schleppende Sanierung alter Gebäude. „Dort schneidet Deutschland jeweils | |
mit der zweitschlechtesten Note schwach ab“, so Burck, Auf der Habenseite | |
stehen der Plan, alle neuen Gebäude ab 2020 nahezu klimaneutral zu | |
errichten, der Anteil von 34 Prozent des Ökostroms in 2017 | |
(G20-Durchschnitt: 24 Prozent) und die Einsetzung der „Kohlekommission“. | |
## „Schicksal in der Hand der Regierungen“ | |
Wie dringend die Mahnung zum Klimaschutz an die G20 ist, zeigt auch der | |
neue Bericht „World Energy Outlook“ der Internationalen Energieagentur IEA | |
vom Dienstag. Darin gehen die Experten aus Paris davon aus, dass bis 2040 | |
der weltweite Energiebedarf um 25 bis 50 Prozent zunimmt. Das werde vor | |
allem in Asien geschehen und vor allem die Nachfrage nach Strom in die Höhe | |
treiben, so IEA-Chef Fatih Birol. Trotz rasantem Wachstum der Öko-Energien | |
würden Kohle und Gas weiter dominieren. „Über 70 Prozent der weltweiten | |
Energie-Investitionen werden von Regierungen betrieben“, so Birol, „deshalb | |
liegt das Energie-Schicksal der Welt in den Händen der Regierungen.“ | |
Mit Blick auf eine Begrenzung des Klimawandels unter 2 Grad zieht IEA-Chef | |
Birol drastische Schlüsse. Allein mit den Kraftwerken und Industrien von | |
heute „verbrauchen wir bereits 95 Prozent unseres Budgets. Wir haben keinen | |
Platz mehr, um noch irgendetwas zu bauen, das CO2 ausstößt.“ | |
14 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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