| # taz.de -- Diskriminierung an Berliner Schulen: Wenn LehrerInnen rassistisch s… | |
| > Erstmals gibt es Zahlen zu Diskriminierung an Schulen. Täter sind meist | |
| > Erwachsene, oft geht es gegen muslimische und schwarze SchülerInnen. | |
| Bild: Tatort Schulhof: Üble Beschimpfungen sind alltäglich | |
| Berlin taz | Bisher waren es immer nur Einzelfälle. Etwa der 14-jährige | |
| Schüler in Friedenau, der als Jude von Mitschülern derart gemobbt wurde, | |
| dass er im vorigen Jahr die Schule verließ. Jetzt liegen erstmals Daten | |
| vor, die zeigen, wie und von wem an Berliner Schulen diskriminiert wird. | |
| 183 Beschwerden nahm die Antidiskriminierungsbeauftragte der | |
| Schulverwaltung, Saraya Gomis, im Schuljahr 2016/17 entgegen, neuere Zahlen | |
| gibt es noch nicht. Fast alle gemeldeten Vorfälle – bis auf 13 – entpuppten | |
| sich nach einer Prüfung tatsächlich als Diskriminierungsfälle. Auffällig | |
| ist: Die allermeisten sind rassistischer Natur (106). Das ergibt sich aus | |
| der Antwort der Bildungsverwaltung auf eine schriftliche Anfrage des | |
| Grünen-Abgeordneten Sebastian Walter, die gerade veröffentlicht wurde. | |
| Nun könnte man meinen, dass bei mehr als 350.000 SchülerInnen an | |
| allgemeinbildenden Schulen 170 Fälle nicht viel sind. Doch die Anzahl lasse | |
| keine Rückschlüsse auf das tatsächliche Ausmaß von Diskriminierung zu, | |
| schreibt die Verwaltung. An Schulen würden „starke Beschwerdehemmnisse | |
| wirken“. Dazu passt, dass offenbar ein Großteil der BeschwerdeführerInnen | |
| Angst hat, dass der Schule die Meldung bekannt wird. Die meisten würden | |
| darauf drängen, dass dies nicht passiert, heißt es in der Antwort. Ziel | |
| der Beratung durch die Diskriminierungsbeauftragte ist dann logischerweise | |
| nicht das Abstellen der Diskriminierung, sondern „Unterstützung bei der | |
| Suche nach Empowermentangeboten“, psychologischer Begleitung – oder der | |
| Schulwechsel. | |
| Obwohl die Daten also nicht das wahre Ausmaß von Diskriminierung | |
| offenbaren, sind sie in mehrfacher Hinsicht interessant. Zum einen zeigen | |
| sie, dass die öffentliche Diskussion, die sich bislang fast nur um | |
| SchülerInnen als Täter dreht, womöglich in die falsche Richtung läuft. Nur | |
| in 20 Fällen war Diskriminierung durch SchülerInnen Grund der Beschwerde, | |
| in 19 Fällen waren die Diskriminierenden SchülerInnen und LehrerInnen | |
| zugleich. Alle anderen Beschwerden drehen sich um das Fehlverhalten von | |
| Erwachsenen – von LehrerInnen, ErzieherInnen und sonstigem Schulpersonal, | |
| aber auch von MitarbeiterInnen von Jugendamt und Polizei in der | |
| Zusammenarbeit mit der Schule. Immerhin 24 Fälle betreffen | |
| Bildungsmaterialien, Zugang/Aufnahme an eine Schule, Schulregeln. | |
| Dazu sagte der Grünen-Politiker Walter: Natürlich müsse man einkalkulieren, | |
| dass nicht jede Beschimpfung unter SchülerInnen in die Statistik kommt – | |
| gemeldet würden vermutlich nur die besonders schlimmen Fälle. „Aber in der | |
| öffentlichen Debatte kommt schon zu kurz, dass Diskriminierungen oft von | |
| LehrerInnen ausgeübt werden“, sagte Walter am Freitag der taz. Das | |
| entspreche auch dem, was er von Betroffenen höre. Als Beispiel nannte er | |
| eine Schülerin mit Kopftuch, die gegenüber ihrer Lehrerin geäußert hatte, | |
| sie würde gerne Zahnärztin werden. „Die Lehrerin sagte darauf zu ihr: Das | |
| kannst du dir abschminken. Du mit deinem Hintergrund und dem Kopftuch wirst | |
| später eh putzen gehen.“ | |
| ## Häufig geht es um antimuslimischen Rassismus | |
| Auch in einem anderen Punkt scheint die Öffentlichkeit auf der falschen | |
| Fährte zu sein: Denn geredet wird bislang fast ausnahmslos über | |
| Antisemitismus. Von den 106 Fällen von Rassismus fallen aber „nur“ 9 in | |
| diese Unterkategorie. Viel öfter gemeldet wurden Fälle von antimuslimischem | |
| Rassismus (36) und Rassismus gegen Schwarze Menschen (24). Auch | |
| Antiziganismus (12) kam öfter vor, 25 Fälle wurden unter „Sonstiges“ | |
| erfasst (Sprache, Religion, Nationalität und mehrfache Rassifizierung). | |
| Einschränkend muss allerdings hinzugefügt werden, dass die Gruppe der | |
| muslimischen SchülerInnen viel größer ist als die der jüdischen | |
| SchülerInnen. Kleinere Fallzahlen für Antisemitismus sagen daher nur | |
| eingeschränkt etwas über die Relevanz des Problems aus. Dennoch darf wohl | |
| konstatiert werden, dass das Problem des Antiislamismus bislang öffentlich | |
| zu wenig wahrgenommen wird. | |
| Die nach Rassismus zweithäufigste Diskriminierung geschah mit 20 Fällen | |
| wegen „Behinderung, Körper und Krankheit“ sowie mit 10 Fällen wegen | |
| „Geschlecht, sexueller Orientierung“. 4 Fälle bezogen sich auf den | |
| sozioökonomischen Status. | |
| Folgen haben solche Taten bislang nur in wenigen Fällen: Beamtete | |
| LehrerInnen bekamen in vier Fällen einen Verweis, eine Missbilligung oder | |
| eine Geldbuße. Walter erklärte, die Konsequenz aus den Zahlen könne jetzt | |
| nicht heißen, in ein generelles Lehrer-Bashing zu verfallen. „Aber | |
| LehrerInnen müssen besser fortgebildet werden, damit sie in der Lage sind, | |
| eigene Verhaltensweisen zu reflektieren und zu verändern.“ | |
| 16 Nov 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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